D er Chefredakteur des sozialistischen Magazins Die Rote Fahne, Stephan Steins, gab dem Moskauer Büro für Menschenrechte ein Interview, das russischen Kreisen einen tieferen Einblick in die Situation in Deutschland und Europa aus der kritischen Perspektive des antiimperialistischen Widerstandes in Deutschland gewährt:
Dieses Thema bildete besonders im vergangenen Jahr einen Schwerpunkt in der Berichterstattung der Roten Fahne. Und zwar nicht nur wegen der Vorgänge in der Ukraine selbst, sondern auch auf einer innerdeutschen Ebene.
Für unsere ausländischen Leser sollte ich zur Erklärung vorwegschicken, dass Die Rote Fahne in der BRD ein systemoppositionelles Pressemedium ist und wir uns daher vor allem immer auch mit der Rolle unserer Regierung und unseres Staates bei der Analyse und Beurteilung internationaler Konflikte kritisch auseinandersetzen.
Was die Vorgänge in der Ukraine, auf der Krim und in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk betrifft, so ziehen wir hier in erster Linie russische Nachrichtenagenturen als Quellen heran, weil in der BRD zuverlässige Informationen gar nicht zu erhalten sind und wir selbst keine eigenen Korrespondenten unterhalten können. Diese Nachrichten gleichen wir mit anderen internationalen Informationsquellen ab.
Unsere Perspektive fokussiert dabei auf die Rolle der BRD als US-Vasallenstaat und NATO-Mitglied und deren Unterstützung für den gewaltsamen faschistischen Putsch in Kiew gegen die demokratisch gewählten Institutionen der Ukraine.
In diesem Kontext berichteten wir über den antifaschistischen Widerstand in der Ukraine und u.a. über das faschistische Massaker an Antifaschisten im Gewerkschaftshaus von Odessa. Ebenso thematisieren wir die finanziellen, militärischen und politischen Interventionen der USA/NATO, der imperialen Institution EU (Europäische Union) und der deutschen Bundesregierung gegen die Ukraine als souveräner Staat. Diese Einflussnahme identifizieren wir als imperialistische Aggression.
In einem unserer Beiträge heisst es denn auch: Die Ukraine ist das Vietnam unseres Jahrzehnts.
Darüber hinaus gibt es in Deutschland noch eine weitere Ebene rund um die Themen Ukraine und Russland, welche im Ausland vermutlich nicht in ihrer ganzen Bedeutung wahrgenommen wird. Erstmals in der Geschichte der BRD (also nach 1949) haben die deutschen Staatsmedien und NATO-treuen Medienmonopole ihre Glaubwürdigkeit und Meinungsführerschaft in grossen Teilen der Bevölkerung zugunsten alternativer Medien eingebüsst.
Der Grund für diese anhaltende Entwicklung ist, dass die durch den Mainstream im Interesse der NATO einseitige Berichterstattung zunehmend als das wahrgenommen wird, was sie ist; reine Desinformation, Hetze und Kriegspropaganda.
Was Poroschenko will oder nicht, ist völlig irrelevant, er ist lediglich die willfährige Marionette der USA und NATO. Würde er sich dem globalen Imperialismus widersetzen, würde man ihn morgen gegen eine andere Figur austauschen. Würde er sich öffentlichkeitswirksam massiv widersetzen, wäre er morgen tot.
Der Oligarch Petro Poroschenko ist ein Kollaborateur und ein Präsidentendarsteller, kein Präsident. Ich muss immer schmunzeln, wenn ich in russischen Medien (sofern mir diese auf englisch oder deutsch vorliegen) vom “Präsidenten” Poroschenko lese. Aber diese Diktion ist wohl den Regeln der internationalen Diplomatie geschuldet, auf die wir als oppositionelle deutsche Presse keine Rücksicht nehmen müssen.
Gleiches gilt für sämtliche Institutionen und das Militär in der Ukraine. Die Ukraine befindet sich heute im Würgegriff des durch die USA/NATO angeführten globalen Imperialismus. Auch die BRD befindet sich in einer ähnlichen Situation, aber dazu komme ich noch.
Was in der Ukraine aktuell passiert, wird in Washington und im US-Kriegsministerium Pentagon konzipiert. Da die Ukraine als Staat faktisch pleite ist, ist die ukrainische Bourgeoisie von ausländischen Mächten abhängig, will sie ihre ökonomische und politische Machtstellung behalten.
Dieses Thema einigermaßen umfassend zu beleuchten, erfordert den historischen Rückblick, diese Entwicklung lässt sich nicht in drei Sätzen schlüssig erklären.
Das Grundübel unter dem die europäische Nachkriegsordnung bis heute leidet, ist die Entwicklung in den Jahren 1945 bis 1949, namentlich der völkerrechtliche Umgang mit Deutschland durch die Siegermächte. Hier wurde eine Fehlkonstruktion etabliert, die den USA bis heute die Vormachtstellung in Westeuropa sichern.
Der imperiale Krieg (der globale Krieg der USA/NATO) ist ohne die Militärbasis BRD, 1949 durch die USA gegen das internationale Völkerrecht und die völkerrechtlich gültige deutsche Verfassung installiert, in dieser Form nicht aufrecht zu erhalten. Der imperiale Krieg, und somit auch die Bedrohung für Russland, steht und fällt mit der bis heute andauernden US-Besatzung Deutschlands.
Dass die imperiale NATO heute bereits in Kiew steht und dort ein faschistisches Marionettenregime unterhält, wurde durch historische Verfehlungen möglich, an denen auch Russland selbst, bzw. die Sowjetunion mitgewirkt hatte.
Vordergründig dienten die, auch durch die UdSSR mitgetragenen, Nürnberger Prozesse (1945-1949) der Abrechnung mit dem faschistischen Deutschland und seinen Kriegsverbrechen. Dass dabei die Kriegsverbrechen der alliierten Siegermächte ausgeblendet wurden, mag noch als relativ kleineres Problem durchgehen, angesichts des eigentlichen Kriegszieles des sich bildenden anglo-amerikanischen Imperiums und des britischen Imperialismus im Besonderen.
Nicht das NS-Regime galt es niederzuringen, dieses war 1945 ja bereits geschlagen, sondern Deutschland als Völkerrechtssubjekt zu vernichten. So erklärte u.a. der britische Premierminister Winston Churchill: „Sie müssen sich darüber klar sein, dass dieser Krieg nicht gegen Hitler oder den Nationalsozialismus geht, sondern gegen die Kraft des deutschen Volkes die man für immer zerschlagen will, gleichgültig, ob sie in den Händen Hitlers oder eines Jesuitenpaters liegt.“ [1]
Bereits 1948, drei Jahre nach dem offiziellen Ende des Zweiten Weltkriegs, schrieb die KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) in einer Erklärung zur politischen Lage:
„Die Einhaltung der Potsdamer Vereinbarungen durch die Westmächte hätte unserem Volk einen friedlichen wirtschaftlichen und politischen Aufstieg und seine Wiedereinreihung in die Völkerfamilie ermöglicht. (…) Die Abkehr von Potsdam und die Einbeziehung eines Teils von Deutschland in den kapitalistischen Westblock finden ihren Niederschlag in den Londoner Sechsmächteempfehlungen vom Juni 1948. (…)
Mit der Schaffung des Besatzungsstatutes aber wird der Abschluss eines Friedensvertrages und damit der Frieden für ganz Deutschland auf unabsehbare Zeit hinausgeschoben und der jetzige Zustand der nationalen Rechtlosigkeit verlängert. (…)
Damit wird Westdeutschland zu einer Domäne des USA-Monopolkapitalismus bei der Beherrschung Westeuropas und zum Sprungbrett seiner Expansionspolitik gegen den Osten.“ [2]
Zu spät hatte die UdSSR die tatsächlichen anglo-amerikanischen Kriegsziele identifiziert. Die späteren Versuche bis in die 50er Jahre hinein, Deutschland als souveränes Völkerrechtssubjekt zu erhalten, scheiterten.
So arrangierte man sich mit der, durch das neu entstehende Imperium forcierten, Blockbildung. Auf die Gründung der BRD folgte die Gründung der DDR. Auf die Gründung der NATO folgte die Gründung des Warschauer Vertrages. Die Sowjetunion reagierte nur noch, lief der internationalen Entwicklung hinterher und verlor die Initiative.
Die zentrale Bedeutung der Nürnberger Prozesse liegt in der Negierung des internationalen Völkerrechts. Denn durch diese Entwicklung und ihre Legitimationslogik wurde eine Macht konstituiert, welche sich über die Normen des Völkerrechts stellte, das Recht ergo ad absurdum geführt. Nürnberg selbst bedeutete ein Kriegsverbrechen und historische Zäsur gegen das internationale Völkerrecht – mit fatalen Auswirkungen bis heute.
Diese derart im internationalen Verhältnis der Staaten etablierte Legitimationslogik bildet heute die Grundlage für den uneingeschränkten Herrschaftsanspruch der imperialen Oligarchie, politisch artikuliert durch den US-Imperialismus.
Sozialisten identifizieren heute jenes Imperium, ökonomisch durch das international organisierte Kapital, die imperiale Oligarchie kontrolliert, politisch durch die USA geführt, militärisch im Ausbau der NATO zur globalen Gewalt konstituiert, ideologisch durch den Zionismus geprägt und in Europa über den undemokratischen Zentralismus der Institution EU (Europäische Union) vermittelt.
Hierbei dient die Logik der, durch die USA diktierten, europäischen Nachkriegsordnung und die damit korrespondierende Zerschlagung Deutschlands als souveränes Völkerrechtssubjekt als Blaupause für die imperiale Geostrategie des 21. Jahrhunderts. Nunmehr sollen sämtliche Nationalstaaten ihrer Souveränität beraubt werden und sich dem Machtanspruch des globalen Imperialismus und seiner Institutionen unterordnen – politisch (Führungsmacht USA), militärisch (NATO) und juristisch (TTIP und Co.).
Das strategische Ziel ist die Desintegration des Modells der bürgerlich demokratischen Republik der Europäischen Aufklärung, indem deren souveräne Organe und Rechtsnormen – und damit jegliche demokratische Partizipation – vollständig entmachtet werden.
Heute hat Russland zwei Optionen im Hinblick auf seine Westgrenze. Entweder steht dort die imperiale USA/NATO – oder ein souveränes Westeuropa, das ohne ein souveränes Deutschland auf der Grundlage des internationalen Völkerrechts nicht realisierbar ist.
Russland muss sich bewusst sein, dass es diese Entwicklung selbst steuern kann. Russland selbst hält den Schlüssel für eine europäische Friedensordnung auf der Grundlage des internationalen Völkerrechts in seinen Händen.
Dieser Schlüssel heisst Friedensvertrag.
Eines ist klar; die imperiale USA/NATO werden nicht in Kiew halt machen. Und dem Imperialismus wäre es lediglich ein weiterer zu zahlender Preis für seine Machterhaltung, läge Europa erneut in Schutt und Asche.
Die Europäer selbst, insbesondere jene 99 Prozent, die hier leben und arbeiten müssen (und wollen), haben zur Frage von Krieg und Frieden vor ihrer eigenen Haustür naturgemäß eine andere Haltung, als globale geopolitische Strategen.
So wie Deutschland sich auf diesem Weg wieder selbst finden muss, so ist auch Russland gehalten, auf das demokratische Deutschland, auf die Kräfte der Souveränität und des internationalen Völkerrechts zuzugehen. Beide Nationen sind Schicksalsgefährten, Brüder dazu verdammt, ihre Erblasten konstruktiv aufzulösen.
Nicht unsere, in den globalen Imperialismus integrierte, nationale Bourgeoisie, sondern nur das demokratische, souveräne Deutschland wird einer Partnerschaft mit Russland neue Perspektiven eröffnen und einer der Garanten für eine europäische Friedensordnung sein.
Die völkerrechtswidrige Gründung der BRD 1949 ging einher mit der Konzeption und Einflussnahme der USA und ihres Geheimdienstes CIA auf sämtliche Strukturen in Westdeutschland, in Wirtschaft, Politik, Medien und Kultur. Dabei wurde nichts dem Zufall überlassen. Diese Entwicklung ist in der historischen Forschung mittlerweile hinreichend dokumentiert.
Und noch heute sind die staatlichen und Mainstreammedien in der BRD fest in imperialer Hand. Dokumentiert sind u.a. die engen Verbindungen deutscher Medienhäuser und leitender Journalisten mit der 1952 gegründeten sog. Atlantik-Brücke. Diese US-Lobbyorganisation vereint in ihren Reihen die Eliten in der BRD aus Wirtschaft, Finanzsektor, Militär, Medien und Kultur- und Bildungseinrichtungen.
Von “deutschen” Medien zu sprechen, ist daher ein irreführender Euphemismus, wir verwenden bspw. den Terminus NATO-Medien. Tatsächlich handelt es sich um durch die USA nach dem Krieg aufgebaute Medien, die denn auch der Stimme ihres Herrn folgen. Sowenig wie die deutsche Politik nationale, republikanische Interessen formuliert, sowenig transportieren auch die Mainstreammedien nationale deutsche Interessen.
Ergo folgt auch die Russland-Berichterstattung in den grossen deutschen Medien den geopolitischen Vorgaben aus den USA, die mit Objektivität natürlich nicht das Geringste zu tun haben.
Wenn Sie mich fragen, was Russland in dieser Situation tun könnte, so liegt die Antwort eigentlich auf der Hand.
Weil Deutschland kein souveräner Staat ist. Die BRD ist ein künstliches Konstrukt ohne innere und äussere Souveränität. Und über die BRD kontrollieren die USA die imperiale Institution EU. Die westeuropäische Entwicklung ist genau so verlaufen, wie die KPD bereits 1948 prognostiziert hatte, siehe oben.
Und die geopolitischen Interessen der deutschen Bourgeoisie sind mit denen des globalen Imperialismus weitestgehend deckungsgleich, weil das deutsche Gross- und Finanzkapital mittlerweile in die als “Globalisierung” bekannten Wirtschafts- und Finanzstrukturen integriert wurde und mit diesen aufs engste verflochten ist.
Diese Sanktionen, wie die erneute aggressive Frontstellung gegen Russland allgemein, dienen weder deutschen noch anderen europäischen Interessen.
Auch hier handelt es sich um US-amerikanische Geostrategie mit dem Ziel, Europa zu destabilisieren, Westeuropa gegen Russland in Stellung zu bringen und die Abhängigkeit vom eigenen imperialen Machtraum zu festigen.
Die Gegenmaßnahmen der russischen Regierung sind hier, was die Bevölkerung betrifft, so gut wie unbekannt. Sie müssen bedenken, dass alles, was Russland in einer Positionen der Stärke darstellen könnte, in den NATO-Medien zensiert wird.
Die deutsche Öffentlichkeit nimmt die Sanktionen gegen Russland als “Säbelrasseln” wahr, ohne möglichen Auswirkungen im Alltag der Bürger allzuviel Bedeutung beizumessen.
Da bin ich überfragt, denn als Publizist kann ich nur öffentlich zugängliche Informationen auswerten. Generell kann man sagen – das betrifft nicht nur die Sanktionen, sondern die allgemeine Zuspitzung der westlichen Konfrontation gegen Russland – dass es Russland in Deutschland an medialer Präsenz mangelt.
Leider konnte dieser Umstand auch nicht durch den Start von RT Deutsch (Russia Today) im November vergangenen Jahres wesentlich verbessert werden. Zum Thema RT Deutsch hatte ich eigens eine Medienkritik geschrieben. [3]
Für mich (und manche meiner Kollegen) stellt sich die Situation so dar, dass Russland die herausragende Bedeutung Deutschlands als wichtigste Medienfront zwischen Moskau und New York nicht ausreichend würdigt.
Vor ein paar Wochen las ich bei RT die Meldung: „Russischer Milliardär investiert 100 Millionen US-Dollar in Suche nach ausserirdischem Leben.“ Das klingt zwar spannend, aber für uns Journalisten aus den von der imperialen Hegemonie unabhängigen Medien, die wir permanent von staatlicher und sozialer Repression bedroht sind, mutet das absurd an und wir scherzen: Eure Probleme in Russland hätten wir auch gerne.
Auch hier sind wir wieder beim Thema Medien. Zwar gibt es in Deutschland mittlerweile eine wachsende kritische Gegen-öffentlichkeit, welche die Ereignisse in der Ukraine und der Region Donbass intensiv verfolgt,
aber die bildungsfernen TV-Opfer nehmen das durch den Krieg verursachte Leid der Bevölkerung nur am Rande wahr und noch weniger, welche Verantwortung hierbei die BRD-Regierung im Zusammenspiel mit USA/NATO/EU für den Krieg trägt.
Als antiimperialistischer Widerstand in Deutschland stehen wir derzeit erst am Anfang. Engagierte Aktivisten arbeiten intensiv daran, wieder eine breite Friedensbewegung aufzubauen, u.a. auch mit den Ziel, dass die Bundesregierung ihre finanzielle und logistische Unterstützung für die Kiewer Junta einstellt.
Vor einigen Wochen erhielt ich die Nachricht, dass die Polizei die Wohnung eines Friedensaktivisten gestürmt und seine sämtliche technische Ausrüstung, Computer, Telephon etc. beschlagnahmt hat. Ich fürchte, im Ausland ist nicht jedem klar, unter welch bedrohlichen Bedingungen wir hier in Deutschland den Widerstand gegen Imperialismus, NATO, Krieg und Faschismus organisieren müssen.
Wir haben in den vergangenen Monaten eine neue Friedens-bewegung formiert und bauen diese weiter auf, die erstmals seit den 60er Jahren in der BRD wieder ganz konkret den Austritt aus der NATO als realpolitische Handlungsperspektive formuliert. [4]
Hierin sehen wir den grössten Beitrag, den wir für die internationale Solidarität leisten können.
Unsere Hilfe für die leidtragende Bevölkerung im Donbass besteht auch darin, mediale Aufklärungsarbeit zu leisten und die Position des Imperialismus in Deutschland zu schwächen – natürlich alles im Rahmen unserer noch bescheidenen Möglichkeiten.
Die Rote Fahne, 1918 durch Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg begründet, ist die traditionsreichste Zeitung Deutschlands. Die übrigen heutigen grossen Zeitungen wurden ja erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Siegermächte lizensiert und neu gegründet.
1933 wurde Die Rote Fahne durch das faschistische Regime verboten und erschien danach bis 1942 im Untergrund als wichtigste Publikation des deutschen antifaschistischen Widerstands.
1992 beschloss das ZK (Zentrales Koordinationskomitee) der KPD (Initiative) die Wiederherausgabe, darunter Kommunisten und Sozialisten aus verschiedenen kleinen Parteien und Organisationen.
Der Philosoph Prof. Dr. Wolfgang Harich (1923 – 1995) [5] gehörte als prominentes Mitglied der alten KPD zu den Initiatoren der Wiederherausgabe. Ich selbst wurde zum Projektleiter und Chefredakteur gewählt. 1993 bestätigte der Börsenverein des deutschen Buchhandels die Rechte am Titel der Zeitung.
Ab dem Jahr 2000 war Die Rote Fahne das erste Print-Medium in Deutschland, welches vollständig auf Internet umstellte (bis auf einige Sonderausgaben und Extra-Informationsmaterialien) und die erste reine Internet-Zeitung in Deutschland.
Die Rote Fahne ist kein Massenmedium, dafür fehlen uns schlichtweg die finanziellen Mittel. Einzelne Beiträge erreichen auch eine breitere Leserschaft. So haben wir zum Beispiel in 2012 in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser seine Vorlesung an der Universität Basel zum Thema „Die NATO und ihre Geheimarmeen“ (Stichwort GLADIO) als Video ausgestrahlt und diese Sendung hatte bislang über 220.000 Zuschauer. [6]
Dadurch gelang es uns, Dr. Ganser und Hintergrundwissen zum Thema NATO/GLADIO in Deutschland einer breiteren kritischen Öffentlichkeit bekannt zu machen. Heute gilt Dr. Ganser in allen Strömungen des antiimperialistischen Widerstandes und der Friedensbewegung in Deutschland als Autorität.
Auch das hatte allerdings seinen Preis: Dr. Ganser verlor seine gut bezahlte Anstellung an der Universität Basel und betreibt heute in der Schweiz sein eigenes Institut „SIPER – Swiss Institute for Peace and Energy Research“.
Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. Werbeeinnahmen haben wir gar keine und nur sehr geringe Spenden, die nicht annähernd die Kosten decken.
Wir können keine Honorare und Gehälter bezahlen und somit auch keine festen Mitarbeiter einstellen, unsere Inhalte stammen von freien Autoren, die gelegentlich themenbezogen publizieren möchten, sämtliche Arbeiten erfolgen ehrenamtlich.
In den vergangenen 15 Jahren habe ich die Produktion grösstenteils aus eigener Tasche bezahlt, was mir mein Brotberuf in der Medien- und Marketingbranche ermöglichte. Allerdings nahmen meine kommerziellen Aufträge in den vergangenen Jahren kontinuierlich ab, korrespondierend mit meiner steigenden Bekanntheit durch die politische, publizistische Arbeit. Auch musste wegen der finanziellen Situation das redaktionelle Angebot bereits heruntergefahren werden.
Nachdem in den vergangenen Monaten die Friedensbewegung wieder auf Touren gekommen ist und der Ruf „Raus aus der NATO!“ nach Jahrzehnten erstmals wieder auf Deutschlands Strassen erschallte, habe ich erst kürzlich meinen letzten langjährigen kommerziellen Kunden verloren und stehe jetzt ohne Einnahmen da. Wie es weiter gehen soll, ist derzeit unklar.
Welche Geheimdienste uns überwachen, können wir nicht genau sagen, ausweislich unserer Server-Logs befinden sich darunter aber auch Militärstandorte in den USA.
Die Überwachung begann bereits in vordigitaler Zeit, wie wir feststellen mussten, als wir in unserer Telephonleitung die Unterhaltung zweier Abhöragenten verfolgen konnten. Wir gehen grundsätzlich davon aus, von welchen Diensten auch immer, dauerüberwacht zu werden.
Das ist eine widersprüchliche Frage, denn im Gegensatz zur herrschenden NATO-Doktrin gehen wir Oppositionellen in der BRD nicht davon aus, dass das GrundGesetz eine Verfassung ist, ebensowenig wie der 2+4-Vertrag ein Friedensvertrag ist.
Deutschland hatte im Jahre 1945 eine, auch völkerrechtlich anerkannte, Verfassung, die Weimarer Verfassung von 1919. Nach allgemeinem Verständnis des internationalen Völkerrechts ist diese Verfassung auch weiterhin die völkerrechtlich gültige deutsche Verfassung.
Das BRD-GrundGesetz ist lediglich Besatzerrecht und aus Sicht des demokratischen Deutschland verfassungsrechtlich bedeutungslos.
Die Rechtslage wird im Wesentlichen durch folgende Artikel bestimmt:
In Artikel 45 der Weimarer Verfassung heisst es:
„(1) Der Reichspräsident vertritt das Reich völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Reichs Bündnisse und andere Verträge mit auswärtigen Mächten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.
(2) Kriegserklärung und Friedensschluß erfolgen durch Reichsgesetz.
(3) Bündnisse und Verträge mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung des Reichstags.“
Und in der Haager Landkriegsordnung von 1907 bestimmt
Artikel 43:
„Nachdem die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle von ihm abhängenden Vorkehrungen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten, und zwar, soweit kein zwingendes Hindernis besteht, unter Beachtung der Landesgesetze.“
Es ist historisch unstrittig, dass diese bindenden Rechtsvorgaben nach 1945 nie erfüllt wurden.
Demokrat bin ich durchaus, allerdings ist die BRD nichts weiter als das künstliche und völkerrechtswidrige Produkt einer auslän-dischen Macht. Dieser Zustand der nationalen Rechtlosigkeit muss nicht zuletzt im Interesse des Weltfriedens beendet werden.
Ich bezeichne mich als Sozialist und Humanist, lasse aber auch Kommunist gelten und bin als solcher auch Demokrat. Wenngleich wir Sozialisten den Begriff Demokratie anders als bürgerliche Demokraten definieren; wahre Demokratie ist ohne Volkseigentum und soziale Gerechtigkeit nicht möglich.
Die Probleme begannen bereits in jungen Jahren. Meine erste Zeitung, eine Schülerzeitung, produzierte ich im Alter von 12 Jahren, das war 1972. Bereits mit 16 erhielt ich massive Probleme, weil ich für eine sozialistische Jugendgruppe einen Schülerstreik organisierte. Man wollte mir damals den Abschluss verweigern, wenn ich den Streik nicht abbreche.
Heutzutage funktioniert die staatliche Repression in der BRD in erster Linie über soziale Deklassierung, das Regime versucht ihre soziale Existenz zu zerstören.
In den Bereichen Medien und Kultur existiert zudem eine strenge Zensur, die nicht ausgesprochen wird, die aber jeder kennt. Wer nicht mitspielt, fliegt raus oder erhält keine Aufträge mehr.
SPD und “Die Linke” sind keine linken Parteien im sozialistischen Sinne, ich betrachte diese im Grunde gar nicht als links. Ebenso wie analog auf der rechten Seite des Spektrums die noch recht junge Partei AfD (Alternative für Deutschland) handelt es sich bei der sog. Linkspartei um ein “Überlaufbecken”, das heisst, diese Parteien werden durch das Regime ermöglicht, um jene Wähler aufzufangen, die durch die traditionellen Parteien nicht mehr erreicht werden und die mehr oder weniger bereits ins Lager der Nichtwähler abgewandert sind.
In der BRD brauchen sie an Parteien nur folgende Frage zu richten: Ist die Partei für oder gegen den Austritt aus der NATO?
Anhand der Antwort wissen sie dann, mit wem sie es tun haben, das ist heute eine zentrale Scheidelinie im politischen Deutschland.
Eine wirklich im klassischen Sinne sozialistische Partei wie die KPD zu Zeiten Ernst Thälmanns ist derzeit in der BRD nicht existent. Die bereits geschilderte Einflussnahme der NATO-Dienste, erstreckt sich ebenfalls bis tief in linke Kreise hinein.
Und wir dürfen ja nicht vergessen, dass das Besatzungsregime die KPD wegen deren Forderung nach Austritt aus der NATO und einem Friedensvertrag 1956 verboten hat.
Hierzulande versteht man unter “Linksextremismus” und “Rechtsextremismus” vor allem Randale und Gewaltbereitschaft gegen Menschen. Diese im Grunde verschwindend kleinen politischen Szenen werden durch die Geheimdienste unterwandert, gepuscht und finanziert und instrumentalisiert.
Der Sinn für das Regime besteht darin, diese Lager unter Einsatz von Agents Provocateurs aufeinander zu hetzen und entsprechend reisserische mediale Bilder produzieren zu können, um dadurch von den eigentlichen nationalen und internationalen Entwicklungen ablenken und die Wahrnehmung der Öffentlichkeit manipulieren zu können.
Während man 1933 in Wiederaufführung als Farce inszeniert, stolziert der neue, imperiale NATO-Faschismus ganz ungeniert durchs´ Hauptportal.
In diesem Sinne des Wortes ist Die Rote Fahne natürlich nicht “linksextremistisch”, denn unsere Waffen sind das Wort und der demokratische Diskurs.
Nein, das ist aus den geschilderten Gründen nicht möglich, im Mainstream exponierte Autoren würden durch Publikation in der Roten Fahne ihre Existenzgrundlage gefährden.
Die sog. Linkspartei ist als “Mainstream-Linke” in die Strukturen des Systems integriert, die Parteikader sind vom kommerziellen bürgerlichen Politbetrieb der BRD finanziell abhängig.
Offizielle Berufsverbote gegen Systemkritiker gibt es nicht mehr, heute greift die Zensur und Repression über die Verteilung von Geld. So zum Beispiel auch in der deutschen Filmindustrie, die mittlerweile zu einem grossen Teil von staatlichen Förder-programmen abhängig ist. Dies hat zur Konditionierung und Gleichschaltung des Kulturbetriebes geführt.
Die BRD degeneriert deswegen zunehmend zu einem Narrenhaus, weil die gesellschaftliche Intelligenz und das kreative Potenzial durch die Kollaboration von Fremdherrschaft und nationaler Bourgeoisie an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden und oftmals am Rande des Existenzminimums leben.
Leider nein, aber wenn mich jemand einladen möchte, ich bin sehr reisefreudig.
In den 70er Jahren war ich als DKP-Mitglied (Deutsche Kommunistische Partei) für ein mehrjähriges Studium in Moskau vorgesehen. Dazu kam es aber nicht mehr, weil ich die DKP aus politischen Gründen Ende der 70er Jahre verlies.
Da gäbe es sicher noch so einiges, aber lassen Sie mich zum Abschluss nochmal grundlegend zusammenfassen, was wir als Antiimperialisten und Friedensbewegung hier in Deutschland anstreben.
Wir gehen in der Analyse der internationalen Entwicklung davon aus, dass Deutschland und Europa in den kommen Dekaden vor Umwälzungen stehen, die in ihrer historischen Bedeutung dem Jahr 1945 gleich kommen. 1989/90 war hierbei lediglich ein Zwischenschritt.
Die Herausforderung für uns besteht darin, diese kommenden epochalen Erschütterungen der Weltordnung durch eine rationale Politik auffangen zu können. Hierbei messen wir der Verteidigung der Schutznormen des internationalen Völkerrechts eine zentrale Bedeutung zu.
Aus deutscher Perspektive beinhaltet dies den Austritt aus dem US-Kriegskommando NATO, die Wiedererlangung unserer nationalen Souveränität und die Auflösung der Institution EU, gefolgt von der Neuordnung Europas auf der Grundlage des internationalen Völkerrechts und des Selbstbestimmungsrechts der Völker.
Herr Steins, vielen Dank für das Gespräch.
Russische Version beim Moskauer Büro für Menschenrechte:
→ Немецкий политолог и публицист, главный редактор журнала «Die Rote Fahne» («Красное знамя») Штефан Штайнс (Stephan Steins): «Украина – это Вьетнам XXI века»
Bericht des Moskauer Büros für Menschenrechte über die Arbeit der Roten Fahne:
→ По страницам журнала «Die Rote Fahne»
- „Auch du warst dabei“ von Peter Kleist, Vowinckel 1952 und „Winston Churchill – His career in war and peace“ von Emrys Hughes, Exposition Press 1955 ↩
- Erklärung des PV der KPD zur politischen Lag, 25.09.1948 – zitiert nach KPD 1945-1968 Dokumente, Günter Judick, Josef Schleifstein, Kurt Steinhaus, Edition Marxistische Blätter 1989 ↩
- Liebe Kollegen von RT (Russia Today) – Eine Kritik, Stephan Steins, Die Rote Fahne 14.11.2014 ↩
- Friedensbewegung Aktuell ↩
- Wolfgang Harich – Siegfried Prokop und Peter Feist im Gespräch, Die Rote Fahne 16.07.2015 ↩
- NATO und ihre Geheimarmeen, Vorlesung von Historiker und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser an der Universität Basel, Die Rote Fahne 05.09.2012 ↩