Totalüberwachung ist ein Kriegsakt gegen Deutschland

NSA Verbrechen noch umfangreicher - Republiken sind Objekt des imperialen Krieges

- von Stephan Steins  -

I n der hessischen Landeshauptstadt errichten die US-Streitkräfte an ihrem neuen Standort Wiesbaden-Erbenheim ein 124 Millionen Euro teures operatives HighTech-Abhörzentrum.
Die aktuelle internationale Entwicklung bedeutet eine weitere Eskalation in der europäischen Nachkriegsordnung.

Militärische US-Infrastruktur in Deutschland wird ausgebaut

Das Consolidated Intelligence Center (CIC) soll bis Ende 2015 fertiggestellt sein, bestätigte ein Sprecher des Hauptquartiers der US-Armee in Europa (USAREUR) am Donnerstag.

Es handelt sich bei dem Komplex um ein Abhörzentrum des US-Geheimdienstes NSA (National Security Agency), eingebunden in die militärische Infrastruktur der USA auf dem Kriegslogistik-Standort Deutschland zur Führung des imperialen Krieges.

Der NSA-Neubau in Deutschland wurde gestern im Bundestags-innenausschuss vom Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler bestätigt. Die Bundesregierung hatte zuvor erklärt, von nichts zu wissen.

Deutsche Politik bleibt tatenlos

Der Fraktionsvorsitzende der sog. Linkspartei im Hessischen Landtag, Willi van Ooyen, kündigte gestern an, dass seine Partei im August zu einem „antimilitaristischen Spaziergang“ in Wiesbaden aufrufen werde.

Spazierengehen ist also die radikalste Konsequenz, welche die im Bundestag vertretenen Parteien inklusive der Pseudo-Linken angesichts der aktuellen Situation zu unternehmen gedenken.
Schön, dass wir mal drüber geredet haben – das Imperium wird erzittern.

Sozialisten identifizieren heute jenes Imperium, ökonomisch durch das international organisierte Kapital, die imperiale Oligarchie kontrolliert, politisch durch die USA geführt, militärisch im Ausbau der NATO zur globalen Gewalt konstituiert, ideologisch durch den Zionismus geprägt und in Europa über den undemokratischen Zentralismus der Institution EU (Europäische Union) vermittelt.

Die jetzt rund um den NSA/PRISM-Skandal nochmals deutlich gewordene internationale Entwicklung ist weit gravierender, als nur ein Problem von Internet und Datenschutz: Vielmehr handelt es sich um einen Kriegsakt gegen Deutschland und andere betroffene Staaten Europas.

Zu den Kernzielen der militaristischen Politik der USA und der imperialen NATO gehören die Zerschlagung des internationalen Völkerrechts und die Desintegration der bürgerlich demokratischen Republiken. Der imperiale Herrschaftsanspruch richtet sich gegen den republikanischen Nationalstaat als historische, demokratische Errungenschaft.

In Europa wurden die US-Streitkräfte nach dem zweiten Weltkrieg zum überwiegenden Teil in Deutschland konzentriert. In den kommenden Jahren soll das komplette USAREUR, die Heeresteile der US-Streitkräfte schrittweise nach Wiesbaden verlegt werden. Ein Grund liegt in der strategisch günstigen Nähe zum Flughafen Frankfurt/Main.
Dieser deutsche Flughafen ist eines der wichtigsten Drehkreuze der Kriegslogistik der imperialen USA/NATO auch für Kriege in Asien und Afrika.

NSA Verbrechen noch umfangreicher

Vor dem US-Justizausschuss haben unterdessen Mitarbeiter der NSA zugegeben, dass noch weitaus mehr Bürger von den illegalen Datenangriffen betroffen sind als bisher bekannt.

Analyse-Agenten der NSA haben nicht nur Personen und deren engsten Bekanntenkreis überwacht, sondern auch den Bekanntenkreis dieser Personen und wiederum das Umfeld dieses Bekanntenkreises, was als sog. “Three Hop Queries” bezeichnet wurde.
Aus den von Whistleblower Edward Snowden veröffentlichten Dokumenten war bislang nur bekannt, dass die Daten einzelner Personen oder zusätzlich des näheren Umfelds angegriffen werden, was “One Hop” oder “Two Hop Queries” genannt wird.

Welche illegalen Implikationen und Relevanz auf, in der US-Verfassung verankerten, Grundrechte die Datenangriffe haben, wurde weder von den NSA-Agenten erörtert noch von den Mitgliedern des US-Ausschusses hinterfragt, schreibt die britische Zeitung The Guardian über die Anhörung.

Der US-Kongressabgeordnete James Sensenbrenner, der an der Ausarbeitung des “Patriot Act” von 2001 mitwirkte, warnte die NSA, dass das US-Repräsentantenhaus die gegenwärtigen Befugnisse nicht mehr verlängern könnte, wenn diese 2015 erneut zur Debatte stehen. Das ist jedoch nach jetzigem Stand nur eine Minderheitenmeinung.

Die NATO und ihre Geheimarmeen – Vorlesung von Historiker
und Friedensforscher Dr. Daniele Ganser an der Universität Basel

Auch der frühere US-Präsident Jimmy Carter kritisierte die illegale Praxis der NSA. Auf einer Veranstaltung in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia sagte Carter, dass die USA „derzeit keine funktionierende Demokratie“ habe. Snowdens Enthüllungen seien nützlich, da sie die Öffentlichkeit darüber informierten, dass die Arbeit der US-Geheimdienste „exzessiv“ sei und die „Invasion der Privatsphäre zu weit gegangen ist.“

Der Whistleblower und ehemalige NSA-Mitarbeiter William Binney erklärte: „Sie sind dabei, einen totalitären Staat zu errichten.“

Technologiekonzerne in der Defensive

Rund zwei Dutzend Technologie-, Internet- und Kommunikations-konzerne in den USA fordern in einem offenen Brief das US-Regime unter Präsidentendarsteller Barack Obama auf, für „mehr Transparenz“ bei der Überwachung ihrer eigenen Kunden zu sorgen.

Unternehmen wie Apple, facebook, Google und Microsoft wollen detaillierte Zahlen zu Anfragen von US-Geheimdiensten nach Nutzerdaten veröffentlichen dürfen.
Die Konzerne rufen demnach nicht etwa dazu auf, demokratische Grundrechte sicher zu stellen, sondern lediglich die Praxis der Totalüberwachung “kundenfreundlicher” zu gestalten. Es handelt sich somit in erster Linie um eine Marketingstrategie, Verantwortung für die eigene Kollaboration bei der Faschisierung der Gesellschaft auf die Regierung abzuwälzen.

Bereits seit dem “Patriot Act” von 2001 ist es Unternehmen verboten, sich zu Operationen der Geheimdienste gegen die Bürgerrechte zu äussern.

Gegen dieses Transparenzverbot des totalen Staates gab es in der Vergangenheit seitens der Industrie keinen Widerstand. Erst jetzt, nach den NSA-Enthüllungen, ist man um den eigenen Ruf besorgt. Diese Transparenz haben nicht Apple, facebook, Google oder Microsoft geschaffen, sondern der jetzt durch das Regime politisch verfolgte Bürgerrechtler Edward Snowden.

PCP – nationale Frage und Internationalismus

Verletzung internationaler und nationaler Rechtsnormen

Der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holsteins, Thilo Weichert, hat sich in einem Appell an die deutsche Bundesregierung für umgehenden Schutz vor politischer Verfolgung für Edward Snowden eingesetzt.

Dem Bürgerrechtler Snowden sei es zu verdanken, dass die „grundrechtswidrige Überwachung von Telekommunikationsdiensten und des Internets durch die Geheimdienste der USA und Grossbritanniens, insbesondere durch die NSA und die GCHQ, bekannt und zum Gegenstand einer globalen demokratischen Diskussion gemacht wurden.

Diese Praktiken verstoßen in vieler Hinsicht gegen das Prinzip des Schutzes des Privatlebens, so wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 (Artikel 12), im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966 (Artikel 17) und in der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 (Artikel 8) vorgesehen ist, sowie zusätzlich gegen das Grundrecht auf Datenschutz beziehungsweise auf informationelle Selbstbestimmung, wie es in der europäischen Grundrechte-Charta (Artikel 7, 8) und im deutschen Grundgesetz (Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 1 Abs. 1) gewährleistet wird. Die bekanntgewordenen Praktiken von US-Sicherheitsbehörden missachten zugleich die ‘vernünftigen Erwartungen an Privatheit’ (Reasonable Expectations of Privacy), wie sie vom Supreme Court aus der US-Verfassung abgeleitet werden.“

Totalüberwachung ist ein Kriegsakt gegen Deutschland

Totalüberwachung ist ein Kriegsakt gegen Deutschland

Weichert weist darauf hin, dass die Enthüllungen Snowdens dazu dienen, Verbrechen gegen demokratische Grundrechte aufzudecken.
Daher kann Edward Snowden vor dem Gericht eines demokratischen Rechtsstaats weder angeklagt, geschweige denn verurteilt werden.
Die Verfolgung durch das US-Regime muss deshalb als politische Verfolgung betrachtet werden, weswegen die BRD Edward Snowden politisches Asyl gewähren muss.

Kriegsakt nach dem internationalen Völkerrecht

Die National Security Agency (Nationale Sicherheitsbehörde, NSA) ist der grösste Militärnachrichtendienst der USA. Die Operationen der NSA sind Militäroperationen.
Die Angriffe der NSA richten sich gegen Strukturen und nationale Rechtsnormen, gegen die Integrität von Staaten, die Unversehrtheit von Bürgern, Organisationen und Institutionen.

Nach den Grundsätzen des internationalen Völkerrechts, namentlich der Charta der Vereinten Nationen, stellt der Angriff auf die Souveränität von Staaten einen Verstoß gegen das “Allgemeine Gewaltverbot” dar.

„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“
Charta der Vereinten Nationen Kapitel 1, Artikel 2 Absatz 4

Die durch die USA angeführte imperiale Politik und deren Geheimdienstoperationen sind vor allem unter diesem Gesichtspunkt zu verurteilen. Die jüngst rund um den PRISM-Skandal bekannt gewordenen Tatbestände gehen weit über das hinaus, was im Gewohnheitsrecht der Staaten noch als Spionage durchgeht.

Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR/IPbpR – International Covenant on Civil and Political Rights, auch UN-Zivilpakt) garantiert den Schutz des Privatlebens vor willkürlichen und rechtswidrigen Eingriffen.
Deutschland könnte auf Grundlage des Artikel 17 IPbpR vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) klagen. Auch Artikel 19 des IPbpR, der die eng mit dem Privatleben verknüpfte Meinungsfreiheit schützt, wäre einschlägig.

Germany made in USA
Wie US-Agenten Nachkriegsdeutschland steuerten

Feindstaatenklausel und Friedensvertrag

Deutschland (und Italien) ist von der imperialen Aggression in anderer Weise betroffen als die übrigen europäischen Staaten. Denn u.a. gegen Deutschland besteht seit Ende des zweiten Weltkriegs 1945 immernoch die sog. UN-Feindstaatenklausel. Auch wenn die Feindstaatenklausel offiziell als “obsolet” bezeichnet wird, steht diese doch weiterhin unverändert in der UN-Charta.

Die UN-Feindstaatenklausel besagt, dass gegen Feindstaaten des zweiten Weltkriegs von den Unterzeichnerstaaten Zwangsmaßnahmen ohne besondere Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat verhängt werden könnten, falls die Feindstaaten erneut eine aggressive Politik verfolgen sollten. Dies schliesst auch militärische Interventionen mit ein.
Als Feindstaaten werden in Artikel 53 jene Staaten definiert, die während des zweiten Weltkrieges Feind eines aktuellen Unterzeichnerstaates der UN-Charta waren.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach es auf dem European Banking Congress am 18.11.2011 offen aus:
„Wir in Deutschland sind seit dem 08. Mai 1945 zu keinem Zeitpunkt mehr voll souverän gewesen.“

Das Projekt des Imperialismus der sog. “Neuen Weltordnung” (New World Order, NWO) beinhaltet ein Zurückfallen hinter die historische Errungenschaft der bürgerlich demokratischen Republik.
Diese imperiale Entwicklung gilt es u.a. dadurch aufzuhalten und umzukehren, indem sich Deutschland und Europa aus den Strukturen des globalen US-NATO Imperialismus lösen. Das Ringen um einen Friedensvertrag nach dem internationalen Völkerrecht ist hierbei ein zentraler Hebel im antiimperialistischen Widerstand.

Widerstand oder Sklaverei

Imperialismus und Krieg und die fortschreitende soziale Deklassierung und Verelendung immer breiterer Bevölkerungsschichten stellen die Gesellschaften vor die Alternative: Entweder Fortdauer des Kapitalismus, neue Kriege und Untergang im Chaos oder Abschaffung der kapitalistischen Ausbeutung.

Eine sozialistische Partei, die den grundlegenden Charakter der internationalen – imperialen – Entwicklung, insbesondere konkret nach dem zweiten Weltkrieg, und die heutige globale Situation hinreichend identifiziert und daraus eine konsequente antiimperiale Politik abgeleitet hat, ist in Deutschland nicht existent.
Zentrale Forderungen, wie jene nach einem Friedensvertrag und der Wiederherstellung des Völkerrechts in Europa und der sofortige Austritt aus der imperialen NATO stehen auf der Tagesordnung.

Eine breite antiimperialistische Bewegung kann angesichts der gesellschaftlichen Realitäten nur das Werk des gesamten demokratischen Deutschland und Europa sein.

Als Sozialisten besteht unser Beitrag darin, den Zusammenhang zwischen der internationalen, imperialen Entwicklung, resultierend aus der europäischen Nachkriegsordnung, im Kontext mit aktuellen Themen wie Totalüberwachung, Krieg, Austritt aus der NATO, zentralistische Institution EU, Finanzkapital und Krise etc. zu verdeutlichen.

Die verschiedenen gesellschaftlichen politischen Nischen und Partikularprojekte führen bislang ins Nirgendwo und es gilt diese zu einer politischen Ratio zusammenzuführen.

Die aktuellen internationalen Ereignisse um die Totalüberwachung markieren weder den Anfang noch das Ende der imperialen Entwicklung. Was wir seit Jahren erleben und weiterhin erleben werden, sofern sich kein Widerstand formiert, ist der fortgesetzte Abbau demokratischer und sozialer Rechte und die Militarisierung der internationalen Beziehungen, letztlich bis hin zur offenen imperialen Diktatur.

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