D ie Einigung auf Gauck hat den Autor so getroffen, dass er 24 Stunden wie paralysiert war. Wie viel schlechter Geschmack steckt in dieser Personalentscheidung?
Wulff wurde vorgehalten, dass er erst im dritten Wahlgang gewählt war, Gauck wird erst im vierten Wahlgang gewählt, sein vermutlich letzter Job. Das ist nicht entscheidend und sagt noch nicht viel. Gern wird betont, dass Gauck ja in der DDR evangelischer Pastor war. Ja, auch zu diesem, seinem ersten, Beruf kam der neue Staatschef nicht sofort und reibungslos.
Auch das ist nicht entscheidend und sagt nicht viel. Gauck muss auch ein ziemlich despotischer Papa gewesen sein. Sein Sohn beklagte sich über den Ton in der Familie. [1] Auch das ist nicht entscheidend und sagt …
Wesentlich interessanter ist, was Gauck so treibt und vor allem: wie. Und hier ist es geraten, einer klugen Frau zuzuhören, die früher Mitherausgeberin des Wochenblattes Freitag war, bevor das dem wohlhabenden Erben Augstein junior in die Hände fiel: Daniela Dahn [2].
Sie sagt: „… Freiheit (ist) für Joachim Gauck meist die Freiheit der Eliten …, besonders der Wirtschaft. Für Hartz-IV-Empfänger findet er nicht so warme Worte. Die Freiheit des Leiharbeiters ist nicht sein Thema.“
Und: „Die Bedrohung der Umwelt ist kein Thema, das ihn interessiert. Am meisten hat mich schon immer die Unterstützung durch die SPD verwundert, denn kaum jemand hat die politische Instrumentalisierung der Stasi-Unterlagenbehörde so scharf kritisiert wie Sozialdemokraten. … Das vereinigende Band ist offenbar, was der Sozialdemokrat Günter Gaus einmal den pathologischen Antikommunismus der Bundesrepublik nannte.“
Hintergrund: Gauck hält die Occupy-Bewegung für ‚unsäglich albern’ und Hartz-IV-Kritiker für ‚töricht’ und ‚geschichtsvergessen’.
Und: „Der ‚Präsident der Herzen aller’ ist eine Erfindung eines beispiellosen Medienhypes. Gauck hat schon viele Gruppen vor den Kopf gestoßen, die Friedensbewegung, die Gegner der Agenda 2010.“
Wichtiger noch: „Wie zu hören ist, hat der letzte DDR-Innenminister, Rechtsanwalt Peter-Michael Diestel, vorm Landgericht Rostock einen Prozess gegen Gauck gewonnen, in dem dieser (Gauck – Anm. CRH) verbieten lassen wollte, ihn (Gauck – CRH) “Begünstigten der Staatssicherheit” zu nennen.
Auf Bitten der evangelischen Kirche hat sich der Katholik Diestel dann wohl bereit erklärt, den Streit auf sich beruhen zu lassen. Es müsste nun zum Beispiel “gewulfft” werden, was an dem im Internet kursierenden Gerücht dran ist, dass Gauck mit Hilfe der Stasi zu DDR-Zeiten einen VW-Kleinbus bekommen hat. Sollte das stimmen, würde das schwerer wiegen als Übernachtungen bei Filmproduzenten. Allein die Vorstellung, dass diese Art von Debatten auch mit dem neuen Präsidenten weitergehen wird, ist sehr unbehaglich.“
Gauck hatte in der nach ihm im Volksmund so benannten Behörde zur Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen rund 50 ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter der Stasi beschäftigt. Opferverbände haben das stets und mehrheitlich als Schlag ins Gesicht empfunden.
Niemand weiss, warum Gauck das getan hat. Hängt das mit dem VW-Bus zusammen? Inzwischen steht jedenfalls zu vermuten: Erpressbarkeit. Denn die Behörde beherbergt brisante Akten, die niemand sehen darf: zum Beispiel die Akte von Helmut Kohl – aber bei weitem nicht nur die: auch die von Angela Merkel. [3]
Und da fügt es sich, wenn Beamte, die tief stürzen können und damit in genügend Distanz zu ihrem ohnehin strapazierten Gewissen stehen, in diesem Amt arbeiten. Damit soll niemand hier blanko beschuldigt werden. Es muss jedoch möglich sein, diese Art Amtsführung zu bedenken.
Und der jetzige Chef der Behörde, Roland Jahn, ist ja auch angetreten, um die Angelegenheit zu bereinigen. [4]
Gauck jedenfalls durfte in diese Schmuddelakten hineinsehen – und war offenbar in unserer Republik der gegenseitigen Erpressbarkeit für belastbar gehalten worden. Gaucks prominente Mitgliedschaft in der „Atlantikbrücke“, einem der wichtigsten Transmissionsriemen amerikanischer Kolonialherrschaft über Deutschland bestätigt diesen Eindruck. Guttenberg ist auch Mitglied.
Das beantwortet die Frage: Was ist so toll an Gauck, der noch jeden Kriegseinsatz der Bundeswehr ausserhalb des Verteidigungsbereichs der NATO gutgeheissen hat – und das als (ex-)Pastor?
Der gegen Euro-Wahnsinn und Terrormanagement nichts einzuwenden hat?
Kritik kommt jetzt vor allem von links [5]. Jutta Ditfurth nannte ihn den „Kandidaten der verrohenden Mittelschicht“. Nun, so roh ist die Mehrheit dieser Schicht gar nicht, die sich in Umfragen zu Afghanistan und Euro-Wahnsinn mit 80%-Mehrheiten gegen die korrupte Politik der Bundesregierungen stellt – bisher ohne jeden Erfolg.
Eines ist klar: Bei Wulff wäre angesichts seiner deutlichen Kritik zumindest im Traum vorstellbar gewesen, dass er den kriminellen ESM-Vertrag (der Name ist die grösste Lüge: „Europäischer Stabilitätsmechanismus“) nicht unterschreibt.
Gauck ist der sichere Untergang – und womöglich zu alt für jeden Prozess, wenn alles zusammenbricht und neue Kräfte die Regierung übernehmen. Wir werden ihn notfalls liegend in den Saal schieben.