A ls die britische Armee unter Lord Cornwallis ihre Schiffe bestieg, um Yorktown zu verlassen, nachdem sie von der kontinentalen Armee und den Franzosen unter dem Kommando von General George Washington geschlagen worden war, spielte eine Regimentskapelle angeblich eine alte Ballade mit dem Titel „Die Welt steht auf dem Kopf“ („The world turned upside down“).
Das Musikstück sollte ausdrücken, dass sich die etablierte Ordnung durch den amerikanischen Sieg gewendet hatte und die Herrschaft des Königs von England bald durch eine Union von Staaten ersetzt werden sollte, die sich letztendlich zu einer Republik entwickelte.
In der letzten Woche gab es eine beträchtliche Berichterstattung in der Presse, die einen an eine Welt denken lässt, die auf dem Kopf steht. Washington ist ganz aussergewöhnlich beschäftigt mit dem iranischen Problem.
Talk Shows drehen sich um die Frage, was mit Teherans Atomprogramm gemacht werden soll. Es gibt einen ganzen Haufen von verbotenen Dingen, die der Iran tun könnte, darunter fällt sogar das Wissen, wie man eine Bombe baut.
Die negativen Berichte und Kommentare werden zu einem casus belli gesponnen, etwas unter dem Titel iranische Bedrohung. Die Botschaft ist eindeutig: obwohl der Iran ein unbedeutendes Verteidigungsbudget hat, nie jemanden angegriffen hat und im Prinzip ein Land der Dritten Welt ist, stellt er trotzdem eine globale Bedrohung dar, die mit militärischen Mitteln behandelt werden muss, wenn alles andere nichts nützt.
Oh ja, und das tapfere kleine Israel wird die Aufgabe erledigen, wenn Präsident Obama nicht den Mumm dazu hat.
Das einzige Problem bei all dem oben Gesagten ist, dass die Geheimdienste der USA bestätigen, dass der Iran keine Atomwaffe besitzt und keine politische Entscheidung getroffen hat, eine zu bauen.
Sogar der israelische Geheimdienst ist dieser Meinung.
Wenn du also einen Krieg willst und so etwas passiert, was machst du dann? Du änderst dein Narrativ (epische Erzählung) und entwickelst eine neue Methode, wie du die Bedrohung definierst. Israel und seine Freunde haben folgerichtig eine grössere Offensive sowohl zuhause als auch in den Vereinigten Staaten von Amerika gestartet, um den Eindruck zu steigern, dass der Iran eine wirkliche Bedrohung für Israel, die USA und sogar für den Weltfrieden insgesamt darstellt.
Und man soll sich ja nicht täuschen, welche Folgen damit verbunden sind: das ist eine bedeutende Strategie der Desinformation, die diplomatische, geheimdienstliche und Medienressourcen mit einbezieht.
Das neue Narrativ sieht in etwa so aus: der Iran ist dabei, eine Atomwaffe zu entwickeln und ist nahe daran, eine zu haben, egal was die Geheimdienstleute glauben. Die Waffe wird unweigerlich direkt vom Iran benutzt oder an Terroristen weitergegeben werden, um Israel, Europa, und sogar die USA zu bedrohen, mit den Raketen, die zur Zeit entwickelt werden.
Da der Iran seine neuen Nuklearanlagen versteckt oder verteidigungstechnisch “einbunkert”, schliesst sich das Fenster für eine militärische Option, um das Programm zu zerstören.
Der Iran plant auch, jüdische und US-amerikanische Ziele in aller Welt anzugreifen, auch in den Vereinigten Staaten von Amerika, daher ist ein militärischer Angriff doppelt wichtig, um ihn davon abzuhalten, derartige terroristische Aktivitäten zu fördern.
Es gab aber auch Ablehnung innerhalb der Regierung der USA, besonders aus dem Pentagon und der CIA, mit Stimmen, die zur Beruhigung aufforderten. Die Obama-Administration will auch zur Zeit keinen Krieg gegen den Iran, obwohl sie nur sehr wenig unternommen hat, um einen solchen zu verhindern.
Sie hat dem Chef des Generalsstabs Martin Dempsey und Verteidigungsminister Leon Panetta nach Israel geschickt, um die Regierung Benjamin Netanyahus zu warnen, dass die USA keine nicht koordinierte Militäraktion Israels unterstützen werden.
Israel hat jedoch die Forderung nach einer vorhergehenden Information über einen Angriff abgelehnt und sein Recht verteidigt, Schritte gegen die vermeintliche iranische Bedrohung zu unternehmen.
Damit hat man in Washington keine Freude, aber das Weisse Haus kann in einem Wahljahr nur wenig dagegen machen, da jeder Versuch, Tel Aviv unter Druck zu setzen, zu einer Lawine der Kritik in Kongress und Medien führen würde.
Israel hat hart daran gearbeitet, durch die New York Times und andere Medien den Eindruck zu verbreiten, dass ein Gegenschlag des Iran in Wirklichkeit nicht so schlimm wäre. Die Netanyahu-Regierung liess ein Memorandum kursieren, das angeblich anführt, wie leicht Israel mit Teherans Reaktion fertig würde, und dass die USA und deren Anlagen im Persischen Golf wenig Schaden erleiden würden.
Weiters lässt das Memorandum durchblicken, dass ein Angriff gegen den Iran von dessen arabischen Nachbarn positiv aufgefasst und zu verbesserten Beziehungen zwischen Israel und allen interessierten Parteien führen würde. Der israelische stellvertretende Premierminister Moshe Ya´alon tat auch gross damit, welchen Schaden Israel bewirken könnte, indem er in der letzten Woche sagte, Israel sei imstande, alle nuklearen Anlagen des Iran anzugreifen, eine Äusserung, die Washington als verrückt erachtet.
Aber es reicht anscheinend nicht, einen israelischen Angriff gegen den Iran als potentiell entscheidend und als Wohltat für jeden mit Ausnahme des Irans hinzustellen. Es mussten auch andere Bedrohungen angeführt werden, die durch die Aktion verhindert werden.
Deshalb haben die Regierung Israels und ihre übliche Jubelpartie in den Medien die Geschichte aufserviert, dass der Iran terroristische Aktionen in den USA plant.
Dieses Thema rückte in den Vordergrund in der Presseberichterstattung über die Aussagen aus den Bereichen Geheimdienste und Verteidigung vor dem Komitee für Aussenpolitik in der vergangenen Woche, in dem Senatorin Dianne Feinstein enthusiastisch drauflosplapperte, als die persische Niedertracht der ganzen Welt vor Augen geführt wurde.
„Der Iran … will Angriffe auf amerikanischem Boden unternehmen, befindet Geheimdienstbericht der Vereinigten Staaten von Amerika“ lautete die Schlagzeile eines Artikels auf der Titelseite der Washington Post am folgenden Tag.
Absatz drei in diesem Artikel begann dann allerdings mit „Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika sagten, sie hätten keine Informationen gesehen, die darauf hinweisen würden, dass der Iran aktiv Angriffe auf dem Territorium der Vereinigten Staaten von Amerika plant.“
Der Artikel fuhr dann fort mit der Erwähnung des angeblich von einem iranisch-mexikanischen Drogenhändler geplanten Mordanschlags auf den saudiarabischen Botschafter – der ausserhalb der Regierung weitgehend als Erfindung betrachtet wird – als möglichen Beweis, dass „einige iranische Regierungsvertreter … jetzt eher willens sind, einen Anschlag in den Vereinigten Staaten von Amerika durchzuführen.“
Wenn es darum geht, wie der Iran in den Augen des offiziellen Washington gesehen wird, zählt nicht so sehr das, was sie tun, als das, was sie denken könnten, was sie tun sollten.
Die israelische Botschaft in Washington ging daran, eine ähnliche Botschaft nachhause zu schicken und versendete ein Rundschreiben an jüdische Gruppen mit einem Hinweis, dass „die Bedrohung unserer Einrichtungen in der ganzen Welt zunehmen wird.“
Das wurde von ABC News und anderen landesweiten Medien aufgegriffen, nachdem das angeblich vertrauliche Schreiben zweckdienlicherweise durchgesickert war. Im Grossen und Ganzen scheint Tel Avivs Desinformationsprogramm gut zu laufen, dank den diensteifrigen Medien und einem empfänglichen Kongress.
Der wirkliche Knüller letzte Woche war allerdings ein Kommentar des Neokonservativen-Light David Ignatius von der Washington Post, der gerade mit Panetta durch Europa reist, in dem er über die Schritte schreibt, die das Weisse Haus unternommen hat, um Israel davon abzuhalten, einen Krieg gegen den Iran zu beginnen.
Seltsamerweise, oder vielleicht auch nicht, beinhaltete der Artikel folgendes in Bezug auf ein mögliches Heraushalten der USA aus dem Konflikt: „Vertreter der Administration warnen, Teheran solle nicht missverstehen: Die Vereinigten Staaten von Amerika haben sich seit 60 Jahren zur Sicherheit Israels bekannt, und wenn Israels Bevölkerungszentren getroffen werden, könnten sich die Vereinigten Staaten von Amerika verpflichtet fühlen, Israel zur Verteidigung zu Hilfe zu kommen.“
Ignatius hat ausserordentlich gute Verbindungen zu Kreisen des Weissen Hauses und zum Pentagon, was er sagt, sollte also als verlässlich betrachtet werden. Wenn sein „könnten“ als „würden“ verstanden werden könnte, würde sein Kommentar im Wesentlichen besagen, dass, wenn Israel einen Krieg anfängt, auch ohne Washington davon im Vorhinein zu informieren, ein iranischer Gegenschlag, der zivile Ziele in Israel trifft, absichtlich oder nicht, eine Antwort der USA erfordern würde, weil Amerika verpflichtet ist, Israel zu “verteidigen”, ungeachtet dessen, was oder wer die Kampfhandlungen begonnen hat.
Nachdem Israel ein kleines Land ist und iranische Raketen nicht Ziele ganz genau treffen können, lässt sich ein iranischer Gegenschlag schwer vorstellen, der keine zivilen Ziele trifft.
Wenn die Reaktion der USA darauf automatisch erfolgen soll, heisst das, dass das Weisse Haus seine Aussenpolitik effektiv der kleptokratischen israelischen Führung übertragen hat.
Die Welt steht auf dem Kopf.
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