G estern hat die 2013 gegründete AfD (Alternative für Deutschland) ihren neuen vorläufigen Programmentwurf der Öffentlichkeit präsentiert, der voraussichtlich Ende April als verbindliches Grundsatzprogramm der Partei beschlossen werden soll. Da nicht wenige systemkritische Kreise in der BRD diese Entwicklung verfolgen und sich Die Rote Fahne bereits seit Gründung der AfD kritisch mit deren Programmatik auseinandersetzte [1] [2], hier nun eine Einschätzung zur zentralen Bedeutung dieses Programms. Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass dieser Programmentwurf in den kommenden Wochen aufgrund der internen AfD-Debatte noch Änderungen erfahren kann.
Sozialpolitik stärker gewichtet
Der neue Programmentwurf bemüht sich sichtlich, vom Image einer weiteren Partei der Besserverdiener wegzukommen und mehr Sozialkompetenz zu kommunizieren. So enthält dieser entgegen anderslautender Presseberichte ein Bekenntnis zum Mindestlohn.
Überraschenderweise enthält das Papier ebenfalls die Forderung nach Abschaffung von Hartz IV zugunsten einer Grundsicherung:
„Die AfD will eine „Aktivierende Grundsicherung“ als Alternative zum Arbeitslosengeld II (sogenanntes „Hartz IV“). Dabei schmilzt der staatliche Unterstützungsbetrag der Grundsicherung mit wachsendem Einkommen immer weiter ab, bis ab einem bestimmten Einkommen Einkommensteuer zu entrichten ist, statt einen staatlichen Unterstützungsbetrag zu erhalten.
Der staatliche Unterstützungsbetrag wird nicht wie derzeit ganz oder nahezu vollständig auf den eigenen Verdienst angerechnet. Stattdessen verbleibt dem Erwerbstätigen stets ein spürbarer Anteil des eigenen Verdienstes. Dadurch entsteht Arbeitsanreiz. Wer arbeitet, wird auf jeden Fall mehr Geld zur Verfügung haben als derjenige, der nicht arbeitet, aber arbeitsfähig ist (Lohnabstandsgebot). Missbrauchsmöglichkeiten sind auszuschließen.“
(5.4.2 Aktivierende Grundsicherung – Arbeit, die sich lohnt)
Allerdings wird dort nicht ausgeführt, ob diese Grundsicherung bedingungslos gewährt wird und falls nicht, welche Bedingungen und vor allem ob und welches Repressionssystem gelten sollen? Auch zur Höhe dieser Grundsicherung bspw. im Verhältnis zum Mindestlohn erfahren wir nichts.
Schutz und Förderung der Familie mit Kindern finden wir in dem Text ebenso, wie die Stärkung emanzipatorischer Frauenrechte in Form der Forderung nach Wahlfreiheit für den Lebensentwurf von Frauen. In diesem Kontext steht auch die entschiedene Ablehnung der reaktionären Gender-Religion.
Diese Orientierung widerspricht den Intentionen des Imperialismus, die Familie zu zerschlagen, Kinder zu einem Armutsrisiko zu machen und den normierten, geschlechtslosen und familiär entwurzelten imperialen Einheitssklaven zur Verfügungsmasse der Kapitalverwertung zu degradieren.
Mit ihren Forderungen nach Volksabstimmungen sowie Maßnahmen gegen Korruption und Parteienfilz will sich die AfD deutlich vom Kartell des kommerziellen BRD-Politbetriebes abgrenzen.
Der Programmentwurf in seiner Gesamtheit gestaltet sich ambivalent zwischen demokratischen und sozialen Forderungen einerseits und dem bürgerlichen Selbstverständnis der AfD. So heisst es dort einleitend: „Wir sind Liberale und Konservative. Wir sind freie Bürger unseres Landes. Wir sind überzeugte Demokraten.“
Von welcher “Souveränität” spricht die AfD?
Kommen wir zum zentralen Punkt und zugleich dem grössten Defizit dieses Programms, das über die Konzeption einer BRD 2.0 nicht hinausreicht.
Eine Partei die das Wort Deutschland im Namen führt, sollte auch das Völkerrechtssubjekt Deutschland zum Gegenstand haben. Genau hier aber und in der damit korrespondierenden Frage der Souveränität scheitert auch der neue Programmentwurf.
Die AfD unterwirft sich uneingeschränkt der imperialistischen Historiographie und Rechtsinterpretation. Das BRD-Grundgesetz, 1949 durch die USA gegen das internationale Völkerrecht und die völkerrechtlich gültige Weimarer Verfassung installiert, wird als vermeintliche “Verfassung” anerkannt:
„Ohne Zustimmung des Volkes darf das Grundgesetz nicht geändert und kein bedeutsamer völkerrechtlicher Vertrag geschlossen werden. Das Volk muss das Recht haben, auch initiativ über Änderungen der Verfassung selbst zu beschließen.“
(1.1 Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild)
(Der Begriff “Verfassung” in Bezug auf das BRD-Grundgesetz finden auch in weiteren Passagen Anwendung.)
Zwar spart der Text nicht mit Kritik u.a. an der undemokratischen Institution EU (Europäische Union), gleichwohl findet eine grundsätzliche Identifizierung der völkerrechtlichen Situation Deutschlands nicht statt.
Und so fügt sich in diesen Kontext auch das erneute Bekenntnis der AfD zum US-Kriegskommando NATO ein, insofern stellt sich auch die AfD in eine Reihe mit den NATO-Bundestagsparteien:
„Die Mitgliedschaft in der Nato entspricht den außen- und sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands, soweit sich die Nato auf ihre Aufgabe als Verteidigungsbündnis beschränkt. Wir setzen uns dafür ein, den europäischen Teil der atlantischen Allianz deutlich zu stärken (…) Die AfD sieht im Bestreben, Verpflichtungen gegenüber den Nato-Bündnispartnern berechenbar zu erfüllen, eine wichtige Aufgabe deutscher Außen- und Sicherheitspolitik, um auf diesem Weg mehr Gestaltungsmacht und Einfluss zu entfalten.“
(4.2 NATO als Verteidigungsbündnis)
Wie kann man im Jahre 2016 immernoch “übersehen”, dass die NATO ein US-Kriegskommando und Instrument des imperialen Krieges ist? Allein was hier gefordert wird, ist eine stärkere Position der deutschen Bourgeoisie innerhalb des Blocks des globalen Imperialismus.
Die demokratischen Implikationen des Programmentwurfs werden durch dieses Bekenntnis zum Imperialismus ad absurdum geführt. Nahtlos passt in dieses Bild denn auch die Forderung nach Stärkung der Bundeswehr und vor allem der Sicherheitsapparate (Polizei, Geheimdienste):
„In der Vergangenheit hat ein ideologisch motiviertes übertriebenes Maß an Datenschutzmaßnahmen die Sicherheitsbehörden gelähmt und unverhältnismäßig bürokratisiert.“
(3.6 Kein Datenschutz für Täter)
Kein Wort dazu, dass die Geheimdienste der BRD durch die CIA aufgebaut wurden und nichts weiter als deren Filialen in Deutschland darstellen und dass Justiz und vermeintliche “Sicherheitsbehörden” völlig tatenlos dem Treiben der NSA-Totalüberwachung zusehen.
Von welcher “Souveränität” spricht also die AfD, wenn sie diese beschwört? Ein Sicherheitsapparat der, so lehrt es nicht zuletzt die Geschichte, ganz offenbar unter maßgeblicher Kontrolle einer ausländischen Macht steht und ein Militärbündnis, welches dem Kommando eines ausländischen Kriegsministeriums untersteht, das alles wird auch durch Reförmchen nicht zu Institutionen einer souveränen demokratischen Republik.
Konklusion: Auf “Der weisse Hai” folgt “Der weisse Hai II”, soll heissen, in der alten Nachkriegs-BRD hatte man den Bürger mit dem vermeintlichen Gegensatz CDU vs. SPD zu beschäftigen gewusst. Da dieses Bild mittlerweile kaum noch funktioniert, erscheint jetzt die Fortsetzung in Form von AfD vs. Linkspartei. Währenddessen bleiben die grundsätzlichen Rechts- und Machtverhältnisse unangetastet.
Wiederholen Sie nicht den Fehler Ihrer Eltern und Grosseltern. Souveränität und Demokratie gehen anders.
- Das Programm der AfD aus sozialistischer Sicht – “Alternative für Deutschland” ist eine weitere Partei der Besserverdiener, Die Rote Fahne 16.04.2013 ↩
- Die AfD ist auch nur eine weitere NATO-Partei, Die Rote Fahne 17.09.2014 ↩