US-Friedensrat: Offener Brief an die globale Friedensbewegung

Friedensrat in USA: „Der 3. Weltkrieg findet bereits statt“

- von RF  -

D er US-Friedensrat wendet sich mit einem eindringlichen Appell an seine Mitstreiter der globalen Friedens- und Anti-Atom-Bewegung. Anhand des Dokumentes „Amerikas Verteidigung, Wiederaufbau: Strategie, Kräfte und Mittel für ein neues Jahrhundert“ analysieren die Friedensaktivisten die derzeitige geopolitische Lage und warnen vor einer Eskalation, die auch eine nukleare Auseinandersetzung zwischen USA/NATO und Russland zur Folge haben kann. Hier der Wortlaut:

Liebe Freunde und Mitstreiter der Friedensbewegung,

wir sind uns bewusst, dass unsere Welt an einem kritischen Punkt angekommen ist: es besteht die Gefahr einer militärischen, möglicherweise nuklearen Konfrontation, zwischen der US-geführten NATO und Russland.

Die Streitkräfte der beiden nuklearen Supermächte stehen sich in Osteuropa, vor allem in der Ukraine, und auch in Syrien wieder einander gegenüber. Und die Spannungen nehmen täglich zu.

In gewisser Weise kann man sagen, dass ein Weltkrieg bereits jetzt stattfindet. Derzeit bombardieren die Regierungen von 15 Ländern Syrien. Dazu gehören sieben verbündete NATO-Staaten: USA, Grossbritannien, Frankreich, Türkei, Kanada, Belgien und die Niederlande.
Ausserdem auch Nicht-NATO-Verbündete der USA: Israel, Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Saudi-Arabien, Jordanien, Bahrain und Australien. Und schliesslich jetzt auch Russland.

An den westlichen Grenzen Russlands, wird ein anderer gefährlicher Krieg geführt. Die NATO baut ihre militärischen Kräfte in den Anrainerstaaten Russlands aus. Alle Regierungen der Nachbarländer Russlands erlauben es den NATO- und US-Streitkräften auf ihrem Hoheitsgebiet zu operieren, dort wo die NATO jetzt nur Kilometer von russischen Grosstädten entfernt bedrohliche Militärmanöver abhält.

Dies verursacht zunehmend Spannung für die russische Regierung, so wie es die US-Regierung provozieren würde, wenn russische Streitkräfte an der mexikanischen Grenze oder der Grenze zwischen den USA und Kanada stationiert wären und diese Militärs ein paar Meilen von US-amerikanischen Grosstädten entfernt militärische Übungen abhalten würden.

In einer oder beider dieser Konfliktlagen kann es leicht zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und ihren NATO-Verbündeten auf der einen und Russland auf der anderen Seite kommen; eine Konfrontation, die das Potenzial der Eskalation zu einem Atomkrieg mit verheerenden Folgen hat.

US-Flagge Iwo Jima

US-Flagge Iwo Jima

Angesichts dieser gefährlichen Situation wenden wir uns an unsere Freunde und Genossen in der Friedens- und Anti-Atombewegung. Es scheint, dass viele unserer Verbündeter in der Bewegung diesen Gefahren wenig Aufmerksamkeit zollen, Ereignisse, welche die gesamte Existenz der Menschheit bedrohen, auf globaler Ebene, und dass sich ihre Reaktionen darauf beschränken, dass sie gegen diese oder jene Handlung seitens dieser oder jener Seite protestieren.

Im besten Fall stellen sie fest, dass die USA und Russland gleichermaßen schlecht sind, sie kritisieren beide Seiten gleichermaßen für die Erhöhung der Spannungen.
Dies entspricht aus unserer Sicht einer passiven, ahistorischen und vor allem ineffektiven Rezeption, welche die Dringlichkeit der aktuellen Bedrohung ignoriert. Durch die gleichmäßig verteilten Schuldzuweisungen, werden die tatsächlichen Hintergründe der Entwicklung verschleiert.

Die Wurzeln der gegenwärtigen Krise liegen viel tiefer als die jüngsten Konflikte in Syrien und der Ukraine. Alles geht zurück auf die Zerstörung der Sowjetunion im Jahr 1991 und den Wunsch der USA, als die einzige Supermacht zu verbleiben, welche die ganze Welt einseitig dominiert.

Diese Tatsache wird sehr unverblümt zum Ausdruck gebracht in einem Dokument der Neokonservativen, das im September 2000 publiziert wurde. Ein Dokument mit dem Titel „Amerikas Verteidigung, Wiederaufbau: Strategie, Kräfte und Mittel für ein neues Jahrhundert“, ein Dokument auf dem die aktuelle US-Politik basiert:

„Derzeit haben die Vereinigten Staaten keinen globalen Rivalen. Amerikas Strategie sollte darauf abzielen, diese vorteilhafte Position zu erhalten und zu erweitern, so weit wie möglich in die Zukunft hinein. Es gibt jedoch potentiell mächtige Staaten, die mit der aktuellen Situation unzufrieden und begierig darauf sind, diese zu verändern (…)

Heute ist es die Aufgabe [der Militärs] (…) den Aufstieg einer neuen Grossmacht in diesem Wettbewerb zu verhindern; die Schlüsselregionen Europa, Ostasien und den Nahen Osten zu verteidigen und die US-amerikanische Vormachtstellung zu bewahren. (…) Heute kann diese Sicherheit nur auf der Ebene von Einzelfällen durchgesetzt werden, durch Abschreckung oder, wenn nötig, durch die überzeugende Bezwingung von Feinden, in einer Weise, welche die US-amerikanischen Interessen und Prinzipien zu schützen vermag“ (…)

Es ist nun allgemein klargeworden, dass Information und andere neue Technologien (…) eine Dynamik entstehen lassen, die Amerikas Fähigkeit, seine dominierende militärische Macht auszuüben, bedrohen könnten.
Potenzielle Konkurrenten wie China sind bestrebt, diese transformativen Technologien im Grossen und Ganzen zu nutzen, während Gegner wie Iran, Irak und Nordkorea darauf drängen, ballistische Raketen und Atomwaffen als Abschreckung gegen US-amerikanische Intervention in Regionen zu entwickeln, in denen sie selbst danach streben zu dominieren. (…) Wenn ein US-amerikanischer Frieden aufrechterhalten und erweitert werden soll, muss eine unbestrittene Vorrangstellung des US-Militärs das sichere Fundament dafür bilden (…)

Die Realität in der heutigen Welt ist, dass es keinen Zauberstab gibt, mit dem [Kern]-Waffen beseitigt werden können (…) und das Abschreckungspotential ihrer Verwendung erfordert eine zuverlässige und dominierende nukleare Schlagkraft der USA (…)
Atomwaffen bleiben eine wichtige Komponente der amerikanischen Militärmacht (…)

Ausserdem kann die Notwendigkeit entstehen, eine neue Familie von Kernwaffen zu entwickeln, um neue Ansätze von militärischen Anforderungen zu meistern, wie beispielsweise die Ausrichtung auf sehr tief im Untergrund befindliche gehärtete Bunkeranlagen, die von vielen unserer potentiellen Gegner gebaut werden. (…)
Die Überlegenheit einer Nuklearmacht USA ist nichts, dessen man sich schämen müsste, vielmehr geht es um ein wesentliches Element der Erhaltung US-amerikanischer Führung (…)

Die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung einer den USA gemäßen Ordnung in wesentlichen Regionen der Welt wie Europa, dem Nahen Osten und Südostasien bedeutet eine herausragende Verantwortung für die US-Streitkräfte (…)

Zum einen verlangt dies eine US-amerikanische politische Führung, weit mehr als eine Führung seitens der Vereinten Nationen (UNO) (…) noch können die Vereinigten Staaten von so etwas wie einer UN-ähnliche Haltung der Neutralität ausgehen. Das Übergewicht der US-amerikanischen Macht ist so gross und seine globalen Interessen sind so breit gefächert, dass die USA nicht so tun können, als seien sie gleichgültig gegenüber politischen Ergebnissen auf dem Balkan, im Persischen Golf oder dann, wenn man Kräfte in Afrika einsetzt. (…)

US-amerikanische Streitkräfte müssen im Ausland im Einsatz bleiben, in grosser zahlenmäßiger Stärke (…) Vernachlässigung oder Rückzug vom schutzpolizeilichen Missionen würde kleine Tyrannen ermuntern, US-amerikanischen Interessen und Idealen zu trotzen.
Und das Scheitern, sich den Herausforderungen von morgen zu stellen, würde dann dafür sorgen, dass die derzeitige Pax Americana zu einem frühen Ende kommt (…)
Es ist wichtig, dass die NATO nicht von der Europäischen Union (EU) ersetzt wird, so dass die USA keine Stimme mehr in europäischen Sicherheitsangelegenheiten hätten (…)

Auf lange Sicht kann sich im Iran auch bewahrheiten, wie gross die Bedrohung für die US-Interessen in der Golfregion ist, so wie im Irak. Und selbst falls die Beziehungen zwischen den USA und Iran sich verbessern sollten, sollten offensive Militärverbände in der Region belassen werden. Diese sind immer noch ein wesentliches Element in der US-Sicherheitsstrategie angesichts der langjährigen US-amerikanischen Interessen in der Region (…)

Die imperiale Entwicklung aus sozialistischer Sicht
Stephan Steins im Interview mit Prof. Dr. Michael Vogt

Der Wert von landbasierter Macht ist weiterhin ansprechend als Ziel einer globalen Supermacht, deren Sicherheitsinteressen beruht auf (…) der Fähigkeit, Kriege zu gewinnen.
Unter Beibehaltung ihrer Kampfbereitschaft wurden der US-Army in den letzten zehn Jahren neue Missionen erteilt und unmittelbar (…) US-amerikanische Interessen im Persischen Golf und im Nahen Osten verteidigt.
Diese neuen Missionen werden eine weitere Stationierung von US-Armee-Einheiten im Ausland notwendig machen (…) Teile der US-Army in Europa sollten nach Südosteuropa verlegt werden, während eine permanente Einheit in der Golfregion stationiert sein sollte (…)

Wenn ihre Raketen mit Gefechtsköpfen bestückt sind, die nukleare, biologische oder chemische Waffen tragen, dann können auch schwache Regionalmächte eine glaubwürdige Abschreckung erlangen, unabhängig vom Gleichgewicht der konventionellen Streitkräfte.
Nach Informationen der CIA, verfügen eine Reihe von Regimen, die zutiefst feindlich gegen die USA eingestellt sind – Nordkorea, Irak, Iran, Libyen und Syrien – bereits über ballistische Raketen oder sind dabei diese zu entwickeln, was die US-Verbündeten und Kräfte im Ausland gefährden könnte (…)
Solche Fähigkeiten stellen eine grosse Herausforderung für den US-amerikanischen Frieden dar und für die militärische Macht, welche den Frieden bewahrt. Die Möglichkeit, diese neue Bedrohung durch traditionelle Nichtverbreitungsverträge zu steuern, ist begrenzt (…)

Der aktuelle US-amerikanische Frieden wird von kurzer Dauer sein, wenn die Vereinigten Staaten anfällig werden für Schurkenstaaten oder Kräfte, welche über kleine, kostengünstige Arsenale von ballistischen Raketen und über Atomsprengköpfe oder andere Massenvernichtungswaffen verfügen.
Wir können nicht zulassen, dass Nordkorea, Iran, Irak oder ähnlichen Staaten, die US-amerikanische Führung untergraben (…)

Und der wichtigste Punkt von allem ist, dass nichts hiervon erreicht werden kann, ohne ein katastrophales und katalysierendes Ereignis – so etwas wie ein neues Pearl Harbor.

Und dieses Dokument verkörpert seither das Leitprinzip der Politik der USA und zwar sowohl der Regierungen von Präsident Bush wie auch von Präsident Obama.
Jeder Aspekt der heutigen US-Politik steht im Einklang mit den Worten dieses Dokuments, im Nahen Osten, Afrika, Osteuropa und Lateinamerika, unter Umgehung der UN als globale Friedenstruppe, ersetzt durch die Militärmacht der NATO als globaler Vollstrecker, so wie es in diesem Dokument empfohlen wird.

Jeder Regierungschef oder jede Regierung, die sich der geplanten US-Vorherrschaft in der Welt widersetzt muss aus dem Weg, wenn nötig durch Anwendung von militärischer Gewalt!

Das „katastrophale und katalysierende Ereignis – so etwas wie ein neues Pearl Harbor“, das was sie brauchten, wurde ihnen am 11. September 2001 auf einem Silbertablett gereicht und der ganze Plan wurde in Bewegung gesetzt.
Ein neuer “Feind”, der islamische Terrorismus, trat an die Stelle des alten “Feindes”, des Kommunismus. Der sog. “globale Krieg gegen den Terrorismus”, begann.
Zuerst kam Afghanistan, dann Irak, dann Libyen, und nun Syrien, der Iran befindet sich in der Warteschlange (alle diese Staaten werden in dem Dokument als Ziele von Regimewechsel aufgeführt).

In ähnlicher Weise und auf der Grundlage der gleichen Strategie, müssen auch Russland und später China als “globale Rivalen” und als “Abschreckung” der Weltherrschaft der USA, geschwächt und eingedämmt werden.
Daher auch die massive Zunahme von NATO-Truppen an den russischen Grenzen und die Entsendung von Flugzeugträgern und Kriegsschiffen nach Ostasien um China einzukreisen.

Leider scheint es, ist diese strategische Gesamtbild von einem signifikanten Teil unserer Friedensbewegung nicht erfasst worden. Viele vergessen, dass die Dämonisierung von ausländischen Politikern und Slogans wie „Saddam Hussein muss gehen“, „Gaddafi muss gehen“, „Assad muss gehen“, „Chavez muss gehen“, „Maduro muss gehen“, „Janukowitsch muss gehen“, und jetzt „Putin muss gehen“ (das alles durch deutliche Missachtung des internationalen Völkerrechts und der UN-Charta) stets Bestandteile derselben Weltherrschaft-Strategie sind, etwas was den Frieden und die Sicherheit der ganzen Welt bedroht, sogar die Existenz der Menschheit als Ganzes.

Die Frage um die es hier geht ist nicht, ob man diese oder jene Führer oder Regierung verteidigen sollte oder die Verletzung der Rechte ihrer Bürger durch sie vernachlässigen sollte.
Das Problem ist, dass wir nicht auf jeden einzelnen dieser Fälle isoliert von den anderen sehen können, um dann mit ihnen umzugehen, ohne die eigentliche Grundursache zu erkennen und zwar konkret das Verlangen der USA nach globaler Vorherrschaft.

Wir können nicht darauf hoffen, Atomwaffen zu beseitigen, wenn gleichzeitig die beiden mächtigsten Nuklearmächte am Rande einer militärischen Konfrontation stehen. Wir können nicht unschuldige Zivilisten durch die Finanzierung und Bewaffnung von Extremisten schützen, egal ob direkt oder über Verbündete.
Wir können nicht Frieden und Zusammenarbeit mit Russland erwarten, während an der Grenze NATO-Streitkräfte ausgebaut werden und während Militärübungen an den Grenzen zu Russland stattfinden. Wir können keine Sicherheit haben, wenn wir nicht die Souveränität und die Sicherheit anderer Nationen und Völker respektieren.

Fair und objektiv bedeutet nicht, den Angreifer und seine Opfer gleichmäßig zu beurteilen. Wir müssen Aggressionen stoppen, bevor wir uns mit den Reaktionen der Opfer auf die Aggression befassen. Wir sollten nicht das Opfer der Aggression verantwortlich machen an Stelle der Aktionen des Angreifers.
Und wenn man das Gesamtbild erfasst, sollte es keine Zweifel daran geben, wer die Angreifer sind.

In Anbetracht der Tatsachen sind wir der Auffassung, eine sich abzeichnende Katastrophe nicht verhindern zu können, ohne eine Bündelung aller Friedenskräfte, verbunden mit dem gebotenen Bewusstsein der Dringlichkeit, um in Worten und konkreten Handlungen das Folgende zu fordern:

1. Die NATO-Streitkräfte müssen sofort aus den Anrainerstaaten Russlands abgezogen werden;

2. Alle ausländischen Truppen müssen Syrien unverzüglich verlassen und die Souveränität und territoriale Integrität Syriens muss gewährleistet sein.

3. Der syrische Konflikt kann nur durch politische Prozesse und diplomatische Verhandlungen zu einer Lösung gebracht werden. Die USA müssen ihre Doktrin „Assad muss gehen“ fallenlassen und dürfen nicht länger diplomatische Gespräche blockieren.

4. Verhandlungen müssen insbesondere die Regierung Syriens mit einschliessen, als auch alle regionalen und globalen Mächte umfassen, die von dem Konflikt betroffen sind.

5. Die Zukunft der syrischen Regierung muss vom syrischen Volk allein entschieden werden, frei von allen äusseren Einflüssen.

6. Die US-Strategie einer globalen Vorherrschaft muss zu Gunsten einer Politik der friedlichen Koexistenz aller Länder aufgegeben werden, unter der Voraussetzung des Respekts für das Recht eines jeden Volkes auf Selbstbestimmung und Souveränität.

7. Der Prozess der Abschaffung der NATO muss sofort beginnen.

Wir appellieren an alle unsere Freunde und Genossen in der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung, Hand in Hand mit uns zusammenzuwirken in einer demokratischen Koalition, um alle Angriffskriege zu beenden.
Wir würden uns über alle kooperativen Reaktionen unserer Freunden und Genossen in der Bewegung freuen.

US-Friedensrat, Oktober 2015

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