Österreich: Behörden gehen immer härter gegen Obdachlose vor

Die Armen bekämpfen, statt die Armut

- von RF  -

A us den Augen, aus dem Sinn“, dieser alten Weisheit scheinen sich, angesichts der eskalierenden Verelendungserscheinungen in Europa, zunehmend mehr Politiker als probates Mittel zur Ausblendung der Armut zu bedienen.

In Wien tagen am Montag Vertreter der Polizei, des Fonds Soziales Wien (FSW) und verschiedener Hilfseinrichtungen am runden Tisch zum Thema Obdachlosigkeit. Gegenstand ist die 30 Jahre alte Wiener Kampierverordnung, auf deren Grundlage Obdachlose vergangene Woche aus dem Stadtpark vertrieben wurden.
Seinerzeit ersonnen, um jugendliche Tramper zu veranlassen, in Hotels zu schlafen, wird die Verordnung mittlerweile zunehmend auf wohnungslose Menschen angewendet, die als Opfer des Kapitalismus gezwungen sind, im Freien zu leben und zu übernachten.

Kapitalismus ist der Vater der Obdachlosigkeit

Kapitalismus ist der Vater der Obdachlosigkeit

Aufgrund des schlechten Zustandes teilweise vorhandener Notquartiere und der unzumutbaren Verhältnisse in diesen Einrichtungen, ziehen Obdachlose oftmals das Leben im öffentlichen Raum vor. Zudem besteht nicht für alle Betroffenen ein Rechtsanspruch auf einen Schlafplatz bei der Wiener Wohnungslosenhilfe.

Gesicherte Zahlen werden nicht veröffentlicht, aber viele Sozialarbeiter berichten von einer starken Zunahme von Obdachlosen aus anderen Bundesländern sowie der gesamten EU. Vor allem der Zuzug aus Ungarn, wo Obdachlosigkeit seit Ende September geahndet wird, sei spürbar.

Wurde der Grossteil Obdachlosen bisher weitgehend geduldet oder maximal mit 20-Euro-Strafen bedacht und verwarnt, verstärken die Behörden jetzt den Druck. Laut einer Strafverfügung muss ein obdachloser Mann 140 Euro Strafe zahlen, weil er im Juni im Esterhazypark übernachtet hatte.
Dort heisst es, der Niederösterreicher habe „einen Schlafsack aufgelegt gehabt und diesen zum Schlafen benützt und somit gegen die Bestimmungen der Kampierverordnung verstoßen“.

Sollte die Geldstrafe uneinbringlich sein, wird eine „Ersatzfreiheitsstrafe von acht Stunden“ über den Delinquenten verhängt. Zahlen konnte der Betroffene die Strafe natürlich nicht.

Ob er ins Gefängnis muss, ist noch offen. Die Anwältin einer Wiener Obdachloseneinrichtung bestätigt, Fälle wie dieser würden sich häufen. Die Stadt Salzburg hat jüngst die Strafen für “illegales Kampieren” von 370 auf bis zu 10.000 Euro erhöht.
Wer nicht zahlen kann, muss mit bis zu 14 Tagen Haft rechnen.

Der Strafrahmen in Wien liegt derzeit bei bis zu 700 Euro. Auch die Caritas drängt darauf, die Kampierverordnung auf den Prüfstand zu stellen. Ob es dazu kommt, ist allerdings fraglich. FSW-Geschäftsführer Peter Hacker hatte erst kürzlich betont, er halte es nicht für sinnvoll, an der Verordnung zu drehen.

RF/APA

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