D ie, durch Die Rote Fahne forcierte, Debatte um sozialistische Positionen zur imperialen EU und ihrer Währung EURO hat jetzt auch in der Linkspartei Fahrt aufgenommen.
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Sahra Wagenknecht, die stellvertretende Vorsitzende der sog. Linkspartei und deren Fraktion im Deutschen Bundestag, hat heute einen Gastbeitrag zum Thema im Neuen Deutschland (ND) geschrieben.
In ihrem Artikel kritisiert Wagenknecht jüngste Äusserungen pro-imperialer, rechter Kreise in ihrer Partei und ruft einige zentrale Fakten in Erinnerung.
Anfang der Woche hatte der Berliner Bundestagsabgeordnete der Pseudo-Linken Stefan Liebich erklärt: „Wer bei uns in der Partei “Die Linke” das Ende des Euro will, sattelt das falsche Pferd und reitet allein in den Horizont. Links ist europäisch und solidarisch“.
Dies bezog sich auf Positionen von Oskar Lafontaine.
Und der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, nahm Bezug auf die Debatte über die Bewertung der “Alternative für Deutschland” (AfD) und erklärte, die neue Partei sage „Nein zum Euro und Ja zur Austerität“, dagegen sage die Linke ein „Nein zur Austerität und Ja zum Euro“.
„Die Alternative ist rechts, wir links“, so Riexinger.
Besonders bemerkenswert und infam ist an diesen Äusserungen, dass hier einmal mehr Geschichtsfälschung betrieben wird. Riexinger und Liebich verdrehen die Realität durch folgende Behauptungen bzw. Suggestionen:
1. Die Institution EU (Europäische Union) sei dasselbe wie (ein solidarisches) Europa.
2. Kritik an der EU und dem EURO sei nicht originär sozialistische, antikapitalistische und antiimperialistische Politik,
3. sondern rechte Politik, wie diese auch in der AfD (Alternative für Deutschland) zum Ausdruck komme.
4. Wer sich gegen die EU stellt ist rechts.
Sahra Wagenknecht widerspricht nun deutlich solchen Positionen und dieser politischen Linie in ihrer Partei.
Da unsere Leser grösstenteils die sozialdemokratische Zeitung Neues Deutschland nicht lesen, dokumentieren wir nachstehend Auszüge aus Wagenknechts Artikel „Kein bedingungsloses Bekenntnis zum Euro“. [1]
Kein bedingungsloses Bekenntnis zum Euro
Sahra Wagenknecht zur Debatte der Linken über AfD und Europa (Auszug)
In der letzten Woche wurde mir, auch in “Neues Deutschland”, unterstellt, ich würde mich nicht hinreichend von der Alternative für Deutschland (AfD) abgrenzen. Zum anderen wurden Positionen, die die Zukunft des Euros skeptisch sehen, in die Nähe der AfD gerückt. Beides ist falsch.
Zunächst zur AfD: Es besteht kein Zweifel, dass die AfD eine rechtskonservative Parteigründung mit knallhartem neoliberalen Profil ist.
Viele ihrer Gründer haben schon vor Jahren für Niedriglöhne und Sozialabbau in Deutschland geworben. Statt höherer Steuern für Millionäre will die AfD weitere Steuersenkungen für Reiche. (…)
Aus all diesen Gründen ist die AfD für Menschen mit einem Minimum an sozialem Anspruch unwählbar.
Genau das habe ich in meinem ntv-Interview, das leider sehr selektiv zitiert wurde, gesagt.
Es gibt lediglich einen Bereich, in dem die AfD tatsächlich von der Linken abgeschrieben hat: Das ist ihre Kritik an der Europapolitik der Kanzlerin.
Wenn Vertreter der AfD betonen, dass die vorgebliche Eurorettung in Wahrheit eine Bankenrettung ist, wenn sie verlangen, dass private Investoren und nicht die Steuerzahler die Verluste tragen sollen und wenn sie einen Schuldenschnitt für die Krisenländer fordern, dann sind das Positionen, die die Linke seit langem vertritt.
Die Euro-Auflösung wird von der AfD bisher damit begründet, dass der Euro Südeuropa schade, weil er den Ländern die Möglichkeit nimmt, sich gegen die deutsche Exportoffensive mit Währungsabwertung zu verteidigen.
Wenn die AfD suggeriert, dass Wechselkurse, die von den Spekulanten festgesetzt werden, die Situation in Südeuropa verbessern würden, ist das zwar ökonomisch abenteuerlich, “rassistisch” oder “chauvinistisch” ist es nicht.
Die antisozialen Positionen der AfD angreifen
Es gibt für uns keinen Grund, eine neoliberale Partei wie die AfD sanft anzufassen. Aber es gibt sehr viele Gründe, sie dort anzugreifen, wo sie angreifbar ist, nämlich in ihren antisozialen und antidemokratischen Positionen.
Unsachliche Beschimpfungen, die eher als Beleg eigener Verunsicherung ausgelegt werden, helfen der AfD statt ihr zu schaden.
Zur Währungsdebatte: Schon immer wurde der Euro von links kritisiert. „Alle würdigen am Euro, dass sich die Exportchancen Deutschlands erhöhen würden. Wenn das dann so ist, dann müssen doch andere Produktionsunternehmen in anderen Ländern darunter leiden. Anders ginge es doch gar nicht. Das heißt, wir wollen den Export Deutschlands erhöhen und damit die Industrie in Portugal, Spanien und anderen Ländern schwächen.
Es ist ein Euro der Banken und der Exportkonzerne“, so der PDS-Gruppenvorsitzende Gregor Gysi am 23. April 1998 im Bundestag.
In der anschließenden Abstimmung votierte die PDS-Gruppe geschlossen gegen die Einführung des Euro und hielt Schilder mit dem Slogan „Euro – so nicht!“ in die Höhe. (…)
Immer mehr Menschen in den Krisenländern werden sich die Frage stellen, wie lange sie sich solchen Diktaten noch aussetzen wollen. Arbeitslosenraten von über 25 Prozent und eine Jugendarbeitslosigkeit von 50 bis 60 Prozent zeigen, dass es so nicht weitergehen kann.
Mittlerweile 72 Prozent der Spanier begegnen der EU mit Misstrauen. Vor fünf Jahren waren es 23 Prozent. Ein Euro unter diesen Rahmenbedingungen ist antieuropäisch, denn er zerstört jeden Rückhalt für das europäische Projekt.
Euro-Ausstieg? Seit längerem in fortschrittlichen Wissenschaftskreisen diskutiert
In Zypern hat sich die linke ehemalige Regierungspartei AKEL bereits für einen Ausstieg aus dem Euro ausgesprochen.
Die Fünf-Sterne-Bewegung von Beppe Grillo in Italien plädiert dafür, über Verbleib oder Ausstieg die Bevölkerung entscheiden zu lassen.
Angesichts dieser Entwicklungen kann sich DIE LINKE der Frage nicht verweigern, was passiert, wenn sie ihre Krisenlösungskonzepte weiterhin nicht umsetzen kann. (…)
Rosa Luxemburg
Es ist daher nicht verwunderlich, dass ein kontrollierter Euro-Ausstieg als quasi Notwehrmaßnahme seit längerem in fortschrittlichen Wissen-schaftskreisen diskutiert wird. (…)
In eine ähnliche Richtung argumentieren linke Ökonomen wie Heiner Flassbeck oder der Direktor des Max-Planck-Instituts, Wolfgang Streeck, der keine Perspektive eines sozialen und demokratischen Europa innerhalb des Euro mehr sieht.
Die Linke muss sich diese Sichtweise nicht zu eigen machen, aber es steht ihr nicht gut zu Gesicht, die Sorge um die soziale Katastrophe in Südeuropa als “nationalistisch” und “antieuropäisch” zu denunzieren.
Bei nüchterner Betrachtung könnte sich herausstellen, dass der Slogan „Ja zum Euro um jeden Preis“ weiter rechts im politischen Koordinatensystem zu verorten ist als der Slogan „Euro – so nicht“.
Über ein bedingungsloses Bekenntnis zum Euro freuen sich vor allem diejenigen, die von der Währungsunion bisher am meisten profitiert haben – die Eigentümer der Banken und Exportkonzerne.
- Kein bedingungsloses Bekenntnis zum Euro, Sahra Wagenknecht, Neues Deutschland 05.05.2013 ↩