Drosselkom: Das Märchen vom teuren Internet-Traffic

Deutsche Telekom will das Internet umkrempeln und dominieren

- von RF  -

D ie seit Mai geltenden neuen Internet-DSL-Verträge der Deutschen Telekom beinhalten erhebliche Einschränkungen des freien Internet-Zugangs und eine Abschaffung der DSL-Flatrates. So sollen Internet-Zugänge ab einem bestimmten Datenvolumen gedrosselt werden, mit der Folge, dass der Internetanschluss dann nach heutigem Standard nicht mehr nutzbar ist. [1]

Durch die geplante Internet-Drosselung wird zudem die Netzneutralität verletzt, was zu massivem Widerstand gegen dieses Vorhaben aus dem Magenta-Narrenhaus geführt hat, vom Shitstorm in sozialen Netzwerken, über Fachleute verschiedener Disziplinen, bis hin zur grossen Politik ist die Empörung gross.

Die Telekom argumentiert, dass der stetig steigende Datentraffic, verursacht durch wenige Nutzer(!), die das Internet aufgrund der technischen Entwicklung wie heute üblich intensiv nutzen, bspw. zur Übertragung von Filmen und TV, zu erheblichen Mehrkosten geführt habe.
Fachleute widersprechen jedoch und nennen die Telekom-Behauptungen absurd.

Ist der Datenverkehr im Internet wirklich so teuer, dass Nutzer, die viel Traffic verursachen, gedrosselt werden müssen, um die Preise niedrig zu halten?

Drosselkom: Das Märchen vom teuren Internet-Traffic

Drosselkom: Das Märchen vom teuren Internet-Traffic

Die Kosten für den Traffic sind abhängig von der verfügbaren Kapazität und der Menge des Traffics. Solange die Kapazität ausreicht, fallen die Kosten für jedes übertragene GByte bei wachsender Datenmenge.
Es sind vor allem Festkosten für Leitungen und Netzwerk-Ausstattung, die auf den Preis einwirken. Kommt es im Internet zu Engpässen, steigen die Kosten entsprechend an, da neue Leitungskapazitäten erschlossen werden und neues Equipment installieret werden müssen.

Laut Aussage der grossen Internet-DSL-Provider, verlangt die Telekom von DSL-Anbietern pro GByte nur „wenige Cent“. Ein Verkäufer für Traffic in Content Delivery Networks aus Deutschland bestätigt die Zahlen: „Das Pricing liegt im niedrigen einstelligen Centbereich, das gilt aber nur für sehr grosse Contentanbieter. Kleinere bezahlen deutlich mehr.“
Weiter heisst es, dass die Telekom nicht drosseln will, weil der Traffic zu teuer wird, sondern weil durch den extrem hohen Datentraffic in den Ballungszentren die Peering-Punkte im Netz volllaufen. „Das ist zu merken, wenn man Samstagabend Videos im Internet anschauen will. Hier ist der Anschluss an die Hauptverteilerpunkte das Problem.
Die Punkte, an denen der Traffic im Netz der Telekom ausgetauscht wird, haben nicht die ausreichende Kapazität. Die Telekom will drosseln, um ihr eigenes Netz zu entlasten.“

Dieser Theorie zufolge müsste die Telekom ihre Peering-Punkte ausbauen. Gerade die Telekom tut sich aber mit Peering hierzulande schwer. Sie ist bspw. nicht am grössten deutschen Internetknoten DeCIX in Frankfurt/Main präsent, wo viele Provider Traffic untereinander austauschen.
Geht es nach der Telekom, sollen andere Provider zahlen, wenn sie Traffic ins Telekom-Netz leiten wollen.

Der Ausbau der Peering-Punkte aber kann kaum mehrere Milliarden verschlingen und auch die Aufrüstung der Backbone-Netze kann kaum derart hohe Kosten verursachen. Denn die notwendigen Glasfaserkabel liegen bereits in der Erde, es werden in aller Regel nur zusätzliche Fasern in den Kabeln beleuchtet oder auf bereits genutzte Fasern zusätzliche Wellenlängen aufgeschaltet.

Wenn es bei den Investitionen aber darum geht, die Endkunden mit Glasfaser anzubinden, um deutlich höhere Bandbreiten auf der letzten Meile zu erreichen, erscheint eine Drosselung der Bandbreite wenig sinnvoll. Schliesslich kommt man schon mit den heutigen Endkundenbandbreiten über die von der Telekom festgelegten Traffic-Schwellen, wenn man viele Videoinhalte über das Netz nutzt, beispielsweise auf Youtube, in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender oder bei kostenpflichtigen Video-on-Demand-Anbietern wie iTunes.
Mit Glasfaseranschlüssen mit höherer Bandbreite sollte der Traffic eher deutlich zunehmen.

Die geplante Drosselung erscheint vor diesem Hintergrund nur sinnvoll, wenn es darum geht, die Kostenverteilung zu verschieben, weg von den Endkunden, hin zu den Inhalteanbietern.
Dies bedeutet aber das Ende des Internets, wie wir es heute kennen, denn Inhalteanbieter müssten mit Endkundenprovidern Verträge schliessen, um sicherzustellen, dass ihre Inhalte nicht gedrosselt werden.

Ein entscheidender Erfolgsfaktor des Internets besteht aber gerade darin, dass alle Inhalte gleichberechtigt übertragen werden (Netzneutralität) und kleine Anbieter nicht erst mit vielen Endkundenprovidern Verträge abschliessen müssen, um ihre Inhalte zugänglich zu machen.

RF/golem

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