A m Montag gab die Deutsche Telekom bekannt, ab Mai neue DSL-Internet-Verträge einführen zu wollen, die erhebliche Einschränkungen des freien Internet-Zugangs und eine Abschaffung der DSL-Flatrates beinhalten. [1]
Der Widerstand gegen dieses Vorhaben aus dem Magenta-Narrenhaus durchzieht mittlerweile die ganze Gesellschaft, vom Shitstorm in sozialen Netzwerken, über Fachleute verschiedener Disziplinen, bis hin zur grossen Politik ist die Empörung gross.
Die Telekom argumentiert, dass das stetig steigende Datenvolumen im Internet ihre Netze überlastet und deshalb Milliarden in deren Ausbau investiert werden müsse.
Fachleute widersprechen jedoch und nennen die Telekom-Behauptungen absurd. Ein Hersteller von Routern hat den Konzern gar der Lüge bezichtigt.
Seitens der Firma Viprinet, die Router für den Business-Bereich anbietet, bezeichnete man die Telekom-Argumentation als „hanebüchen“. In Deutschland gebe es gigantische Backbone-Überkapazitäten, hiess es.
Der Datenverkehr im nationalen Rückgrat des Internets sei zu Spottpreisen zu realisieren. „Bei einem DSL-Zugang macht das in der Gesamtkalkulation des Providers (ISP) nur Centbeträge aus.
Die wahren Kosten liegen bei den Zugangsmedien, die DSL-Wettbewerber der Telekom zahlen kräftig an diese, um die vom Steuerzahler bezahlten und längst abgeschriebenen Kupferleitungen mit nutzen zu dürfen“, sagte Viprinet-Geschäftsführer Simon Kissel.
Dadurch schreibe die Telekom Milliardengewinne, die sie aber nicht in einen Ausbau der Zugangsnetze investiert.
Dies reiht sich nach Ansicht des IT-Managers in das Bestreben der Deutschen Telekom ein, wieder zur alten Monopolposition zurückzufinden. Dem dient bspw. auch der Vorstoß der Telekom, statt den Glasfaser-Ausbau bis in die Haushalte voranzutreiben, auf die alte DSL-Vectoring-Technologie zu setzen.
Kissel zeigte sich überzeugt, dass die Telekom über dieses Vehikel die Kontrolle über die letzte Meile zurückbekommen möchte, um Mitbewerber aus dem Markt zu drängen – schliesslich kann Vectoring nur funktionieren, wenn alle DSL-Anschlüsse in einem Kabelverzweiger in der Hand eines einzigen Anbieters liegen.
Die Konsequenz aus dieser Strategie wäre letztlich eine Trennung des Netzbetriebs von den inhaltlichen Angeboten. Dies könnte entweder durch eine Zerschlagung des Konzerns erreicht werden, oder in einer Rücküberführung der Infrastruktur in öffentliche Hand.
Das fordert auch der Berliner Piraten-Abgeordnete Christopher Lauer: „’Netze in Nutzerhand’ ist ja eine alte Forderung der Piraten. Wir sollten in der Tat die Telekom enteignen und den Bürgern ihr Netz zurückgeben“, erklärte er und forderte zudem, die Netzneutralität gesetzlich festzuschreiben.
In den Niederlanden hat das Parlament erst kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das Netzanbietern die Beeinflussung des Datenverkehrs ihrer Nutzer untersagt.
In Frankreich wird derzeit über eine ähnliche Gesetzesinitiative beraten. Und in Grossbritannien haben sich die zehn grössten Internetprovider und Mobilfunker einem freiwilligen Kodex zur Netzneutralität verschrieben.
Auch Unternehmen bestehen auf Netzneutralität
Als ertser Anbieter für TV und Film über Internet (IP-TV) hat die in Berlin ansässige Firma WATCHEVER GmbH deutliche Worte zu dem Vorhaben der Deutschen Telekom gefunden.
„Die Entwicklung des Internet ging immer von langsam zu schnell und von der Beschränkung hin zur kundenfreundlichen Flatrate. Komplizierte Volumentarife mit zahlreichen Einschränkungen im Kleingedruckten haben in der Vergangenheit nicht funktioniert“, sagte die Geschäftsführerin von WATCHEVER, Sabine Anger, der Presseagentur dpa.
WATCHEVER lasse dem Kunden freie Wahl und stelle das Angebot ohne jede Einschränkung bereit. „Das ist der Weg für erfolgreiche Geschäftsmodelle im Internet“, so Anger.
Bei der im Januar gestarteten Tochter des französischen Vivendi-Konzerns gibt es für 8,99 Euro im Monat eine Streaming-Flatrate für Filme und Serien. Nach aktuellem Stand würde die Nutzung von Videodiensten wie WATCHEVER das neue, eingeschränkte Datenvolumen eines Kunden der Telekom verbrauchen.
Dadurch, dass die Telekom ihre eigenen IP-TV Angebote von der Drosselung ausnimmt, verschafft sich das Unternehmen einen unlauteren Wettbewerbsvorteil.
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