U nfassbar, aber kein verspäteter Aprilscherz: Die Deutsche Telekom, neben der Deutschen Bahn als kundenfeindlichstes Unternehmen in der deutschen Nachkriegsgeschichte bekannt, will ab Mai wieder zurück in die Internet-Steinzeit.
Die Telekom macht ihre Drohung für eine Drosselung der DSL-Internetzugänge wahr. Das gab das Unternehmen heute bekannt.
In einer Zeit, in der andere technologisch fortschrittliche Länder am Ausbau schneller Glasfasernetze bis zum Endnutzer arbeiten, schlägt die Deutsche Telekom den entgegengesetzten Weg ein. Offenbar ist man bei der Telekom der Meinung, dass es das Internet der 90er Jahre auch getan hat.
Der Imageschaden dürfte für das Unternehmen enorm und kaum zu beziffern sein. Vor allem aber werden die Kunden massenweise fern bleiben und sich jenen Firmen zuwenden, welche den Titel Technologievorreiter zu recht tragen.
Man kann sich jetzt schon ausmalen, wie Telekom-Angestellte gegen Massenentlassungen protestieren werden – dann natürlich zu spät.
Ist die Volumengrenze erreicht, sehen die neuen, ab Mai geltenden Leistungsbeschreibungen eine einheitliche Reduzierung der Internetbandbreite auf 384 KBit/s vor – womit die Nutzung des Internet nach heutigem Standard unmöglich ist.
Zunächst werden lediglich die Leistungsbeschreibungen angepasst, sobald die Limitierung technisch umgesetzt wird, müssen Kunden für eine Zubuchoption zahlen, gab die Telekom bekannt.
Michael Hagspihl, Geschäftsführer Marketing der Telekom Deutschland, erklärte: „Wir gehen bisher davon aus, dass wir die Limitierung technisch nicht vor 2016 umsetzen.“
Allerdings sind bereits alle neuen Verträge ab Mai 2013 betroffen, diese enthalten schon die neuen Internet-Beschränkungen. Die Preise für die Zubuchoptionen werde die Telekom „rechtzeitig bekanntgeben“, hiess es weiter.
Ab dem 02. Mai 2013 werden folgende Volumina in den DSL-Festnetztarifen integriert:
• Bei Tarifen mit Geschwindigkeiten bis zu 16 MBit/s liegt die Grenze bei 75 GByte im Monat
• 50 MBit/s-Zugänge werden bei 200 GByte Datenvolumen gedrosselt
• 100 MBit/s bei 300 GByte
• 200 MBit/s bei 400 GByte
Nach dem Erreichen der gebuchten Datenmenge wird der DSL-Zugang auf 384 Kbit/s beschränkt. Bestehende Verträge seien von der neuen Tarifstruktur vorerst nicht betroffen – gleichwohl erhält ja jeder Kunde, der Änderungen an seinem Tarif bucht, dann auch einen neuen Vertrag.
Eine Umsetzung dieser Grenzen sei ersteinmal nicht vorgesehen, vorerst gehe es nur um die Einbringung in die Verträge, erklärte die Telekom.
Aufgrund unklarer Rechtslage in Deutschland dürfen Internet-Anbieter (ISP) hierzulande auch derart beschränkte Internet-Zugänge als “Flatrates” vermarkten und verkaufen, obwohl mit Flatrate eigentlich ein nicht limitierter Zugang gemeint ist.
Angriff auf Netzneutralität
Der Telekom-Service “Entertain”, der Fernsehen und Video-Dienste der Telekom über die DSL-Leitung überträgt, soll nicht betroffen sein. Diese Entscheidung rief heftige Kritik hervor: Die Bevorzugung von Telekom-eigenen Digital-Diensten sei ein Verstoß gegen die Netzneutralität.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert neben anderen Institutionen eine gesetzliche Verankerung eines nicht-diskriminierenden, gleichberechtigten Flusses von Daten aus dem Internet.
Die Deutsche Telekom verletze mit ihren Planungen zur Datendrosselung im Festnetz die Netzneutralität, so Michael Spehr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Die mögliche Drosselung gelte nicht für das eigene IP-TV der Telekom oder Kooperationspartner, somit wird der freie Wettbewerb verletzt.
Die Verbraucherzentrale Bundesverband fordert dagegen: Verbraucher sollten Anspruch haben auf eine Internetverbindung, die ihnen ermöglicht, Inhalte ihrer Wahl zu senden und zu empfangen, Dienstleistungen und Anwendungen nach ihren Wünschen zu nutzen sowie Hardware ihrer Wahl anzuschließen und Software nach ihren Vorstellungen zu verwenden, solange diese dem Netzwerk keinen Schaden zufügt.
mehr Nachrichten zum Thema
→ Bundesnetzagentur prüft Telekom-Pläne zur Internet-Drosselung, 30.04.2013
→ Internet-Drosselung: Telekom macht Familien Angst, 26.04.2013
→ Internet-Drosselung: Telekom belügt die Öffentlichkeit, 24.04.2013