Lafontaines Wählertäuschung

Lafontaine fürchtet, dass diese offen rechte Politik zu Stimmenverlusten bei der Bundestagswahl führt - von Ulrich Rippert

- von Presseticker  -

D er ehemalige Vorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine warnt seine Partei vor einer zu großen Anpassung an SPD und Grüne. In einem Artikel der Jungen Welt betont er, die Linke könne sich nur behaupten, „wenn sie nicht zu einem weiteren Flügel der deutschen Einheitspartei“ werde, worunter er CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne versteht.

Lafontaines Warnung hat guten Grund.

Seit dem Wechsel an der Parteispitze bemühen sich die neuen Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, die Linkspartei als zuverlässigen Regierungspartner anzupreisen. Anfang des Jahres wurde ein “internes Reformpapier” der beiden Vorsitzenden bekannt.
Es befasst sich mit der „Machtperspektive für ein Linksbündnis im Bund“ und tritt „für eine handfeste Zusammenarbeit“ mit SPD und Grünen ein. Bemerkenswert sei, schrieb die Osnabrücker Zeitung im Januar, dass „für eine Koalition auf Bundesebene keine Bedingungen mehr“ gestellt würden.

Bisher hatte die Linkspartei eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen offiziell noch an vier Voraussetzungen geknüpft:
Keine Militäreinsätze im Ausland, Verbot von Rüstungsexporten, 1.000 Euro Mindesteinkommen für alle und stärkere Besteuerung von Reichtum.

Nun haben die beiden Vorsitzenden diese Voraussetzungen fallen lassen und behaupten, SPD und Grüne hätten die Standpunkte der Linken zum Teil übernommen, seit sie im Bund in der Opposition sind.
„Ihre Andeutungen zu sozialer Grundsicherung, Mindestlohn, Rente und Schutz vor Altersarmut oder zur Bankenregulierung weisen in die Richtung, die auch die Linke vertritt“, heißt es in dem internen Papier.

Damit nicht genug. Parallel zu den Feierlichkeiten der SPD zum Jahrestag der Agenda 2010 und ihrer Lobhudelei über die unsoziale Agenda-Politik kündigte Kipping an, bei der Bundestagswahl den Slogan „Hartz 4 muss weg“ nicht mehr zu plakatieren.

Gegenüber dem Politmagazin Cicero, erklärte sie ihre auf Livestyle ausgerichtete Politik. Die Linke wolle zwar weiterhin „prekarisierte Gesellschaftsgruppen zurückgewinnen“ und integrieren, zugleich wolle sie sich aber öffnen:
„Neben Linkspopulismus brauchen wir eine gezielte Ansprache des kreativ-ökologischen Milieus.“

Katja Kipping und Bernd Riexinger - Wer nicht hören will, muss fühlen, 20.01.2013

Katja Kipping und Bernd Riexinger – Wer nicht hören will, muss fühlen, 20.01.2013

Auch in der Kriegsfrage leitete Kipping eine Änderung ein. Gemeinsam mit ihrem Stellvertreter Jan Van Aken unterschrieb sie im Dezember den Aufruf „Syrien: Freiheit braucht Beistand“, der zur Intervention in Syrien aufruft.
Zu den Erstunterzeichnern dieser Kriegspropaganda im Namen der Menschenrechte und Humanität gehören neben Kipping und Van Aken auch die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, und der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU).

Lafontaine fürchtet, dass diese offen rechte Politik zu Stimmenverlusten bei der Bundestagswahl führt. Das könnte dann zur Folge haben, dass sie die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt und nicht in der Lage wäre, eine rot-grüne Regierung zu unterstützen, was auch er anstrebt.
Daher bemüht sich Lafontaine um ein linkes Facelifting. Er benutzt dazu seine bekannten Taschenspielertricks.

Es fällt ihm nicht schwer, den unsozialen und undemokratischen Charakter der Gesellschaft und des politischen Systems wortreich zu geißeln. Er zitiert den amerikanischen Schriftsteller Gore Vidal mit den Worten, Demokratie sei „ganz offensichtlich ein Ort, wo unzählige Wahlen abgehalten werden, zu immensen Kosten ohne Themen und mit austauschbaren Kandidaten“.
In den USA gäbe es ein „Einparteiensystem mit zwei rechten Flügeln“, die für die Interessen der Großkonzerne einträten, so Lafontaine. Die Amerikanisierung der deutschen Politik habe dazu geführt, „dass wir hier ein Einparteiensystem mit vier Flügeln haben“.

Dass CDU/CSU, FDP, SPD und Grüne in allen wichtigen politischen Fragen übereinstimmen und, wie Lafontaine sagt, „ohne Einschränkung eine Wirtschaftsordnung bejahen, in der die ungleiche Reichtums-, Vermögens- und Machtverteilung dadurch zustande kommt, dass eine Minderheit die Mehrheit für sich arbeiten lässt“,

Oskar Lafontaine, Pseudo-Linke

Oskar Lafontaine, Pseudo-Linke

dass es folglich bei den Wahlen unter diesen Parteien nichts zu wählen gibt, dass das Gerede von sozialer Gerechtigkeit in den Wahlprogrammen dieser Parteien ein „schlechter Witz“ ist, all das pfeifen die Spatzen von den Dächern.

Doch dann kommt Lafontaines eigene Wählertäuschung.

Er behauptet, die Linkspartei sei nicht Bestandteil dieser Einheitspartei. Sie habe ein „Alleinstellungsmerkmal“, weil sie eine Wirtschaftsordnung befürworte, „in der jedem der volle Ertrag seiner Arbeit zukommt“.
Diese Wirtschaftsverfassung führe zu „demokratischen Belegschaftsunternehmen und nicht zu autoritären Wirtschaftsstrukturen mit Leiharbeit, Werkverträgen, Niedriglöhnen und Minijobs“.
Was er unter dem „vollen Ertrag der Arbeit“ versteht, erklärt Lafontaine genau so wenig, wie was ein „demokratisches Belegschaftsunternehmen“ ist.

Tatsächlich fließt in jedem Wirtschaftssystem, auch in einem sozialistischen, ein Teil des Arbeitsertrags in die Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben. Um die krasse soziale Ungleichheit zu überwinden, die die heutige Gesellschaft kennzeichnet, um Bildung, Gesundheitsversorgung und den Bau bezahlbarer Wohnungen zu verbessern, muss dieser Teil vergrößert werden.
Das muss auf Kosten der privaten Kapitaleigentümer geschehen, die einen wachsenden Anteil des von den Arbeitern geschaffenen Reichtums in ihre eigenen Taschen stecken. Die Banken und Konzerne müssen enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt, der Kapitalismus gestürzt und eine Arbeiterregierung errichtet werden.

Eine solche Perspektive lehnt Lafontaine entschieden ab. Hinter seinen Floskeln verbirgt sich eine Verteidigung der Gewerkschaften und der Mitbestimmung, die sich längst zu einem Mittel der Unterdrückung der Arbeiter durch eine privilegierte Gewerkschafts- und Betriebsratsbürokratie verwandelt hat.
Seine Lobreden auf eine Humanisierung der kapitalistischen Ausbeutung verbindet er mit einer Glorifizierung der Politik von Willy Brandt. Lafontaine glaubt, er könne mit seinem Gerede vom sozialen Unternehmertum Arbeiter von einer revolutionären, sozialistischen Perspektive abhalten.

Seine Lebensgefährtin und stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht widmete vor zwei Jahren dieser Frage ein ganzes Buch. Sie verherrlicht darin Ludwig Erhard, den CDU-Wirtschaftsminister und Bundeskanzler der Nachkriegszeit, und behauptet, die heutigen Probleme rührten daher, dass Unionsparteien und SPD das Konzept der “sozialen Marktwirtschaft” verraten hätten.
In Wahrheit ist der Ordoliberalismus, auf den Ludwig Erhard sich stützte, eine spezifisch deutsche Form des Neoliberalismus. Er befürwortet Privateigentum und freien Markt, will sie aber durch staatliche Regeln kontrolliert sehen.

Überall dort, wo die Linkspartei politische Macht ausübt, wie in Brandenburg, oder ausgeübt hat, wie zehn Jahre lang im Berliner Senat, beweist sie in der Praxis, was von Lafontaines Konzeptionen zu halten ist.
Sie setzt die unsoziale Politik mit ebenso aggressiven Attacken auf die Bevölkerung durch, wie CDU-geführte Landesregierungen.

Lafontaine veröffentlicht seinen Artikel in der Jungen Welt, einem neostalinistischen Blatt, das seine Rivalen in der Linkspartei gelegentlich auf die Füße tritt.
Arbeiter sollten dem abgehalfterten Chef-Demagogen der Linkspartei und seiner sozialreformistischen Demagogie mit Verachtung entgegen treten.

RF/wsws.org (PSG)

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