N eben politischen Forderungen müssen die Oppositionellen auch soziale Forderungen erheben, forderte der Vorsitzende der Fraktion der sog. “Kommunistischen Partei der Russischen Föderation” (KPRF) des Moskauer Stadtparlaments, Andrej Klytschkow, am Samstag vor Teilnehmern des dritten “Marsches der Millionen” in Moskau.
Die mit den Behörden abgestimmte Demonstration der Regierungsgegner begann um 14.00 Uhr vor der zentralen U-Bahnstation Puschkinskaja. Anschliessend zogen die Demonstranten zum Ort der Kundgebung auf dem Sacharow-Prospekt, wo bereits zum dritten Mal eine genehmigte Grosskundgebung der Unzufriedenen stattfindet, an der sich laut Polizeiangaben rund 14.000 und nach Angaben der Veranstalter über 100.000 Menschen beteiligten.
„Es ist der Moment gekommen, neben politischen auch sozialwirtschaftliche Forderungen zu stellen“, so Klytschkow. Ihm zufolge plant die KPRF am 22. September eine Aktion gegen die Erhöhung der Kommunaltarife und die „Vernichtung des Bildungswesens“.
Der namhafte Schriftsteller Dmitri Bykow rief auf der Kundgebung seine Mitbürger auf, sich „ohne Angst“ der Opposition anzuschliessen. Derzeit gebe es in Russland drei Kräfte, so Bykow.
„Die erste Kraft ist das Regime, aber es ist sinnlos, sich an dieses zu wenden. Man muss ihm wohl danken. Denn ohne dieses Regime hätten sich solch diverse politische Kräfte niemals zusammengeschlossen“, hiess es.
Ein Appell an die Teilnehmer des “Marsches der Millionen”, die die zweite Kraft verkörpern würden, sei unnötig, denn sie, führte Bykow weiter aus, begreifen ohnehin alles.
„Ich möchte mich an die dritte Kraft wenden – an die noch feige Mehrheit, die sich mit Popcorn versorgt hat und nun das Geschehen beobachtet. Ich will sagen: Sobald Russland frei ist, und das ist unvermeidlich, werdet ihr euch schämen, dass das beste Ereignis der Geschichte an euch vorübergegangen ist.“
Auf der Kundgebung sprach auch der Ex-Abgeordnete der Staatsduma (Parlamentsunterhaus) Gennadi Gudkow, dem am Freitag sein Abgeordnetenmandat entzogen wurde.
„Russland hat keine Verfassung und auch kein Recht und kein Parlament mehr, das Respekt verdienen würde. Eine solche Regierung und ebensolche Mächtigen sollten sich schämen“, so Gudkow.
Die oppositionellen Kräfte würden dem Regime noch etwas Zeit einräumen, sich zu besinnen und den Forderungen der Opposition Gehör zu schenken, hiess es. Wenn es sich aber über die Meinung des Volkes hinwegsetzen würde, werde ihm die Antwort der Opposition kaum gefallen.
Nach dem offiziellen Ende der Kundgebung am späten Abend nahm die Polizei einen der Oppositionsführer, Sergej Udalzow, fest. Der Politiker der ausserparlamentarischen Linken Front habe unerlaubt einen Protestmarsch organisieren wollen und den Verkehr behindert, teilte die Polizei der Agentur Interfax mit.
Trotz nicht geringer Beteiligung an der Demonstration und einem breiten Spektrum politischer Organisationen war man doch von einem “Marsch der Millionen” weit entfernt. Auf eine Mehrheit in der Bevölkerung kann sich bislang keine Oppositionsgruppe ernsthaft berufen.