S olche Szenen sind in Spanien heutzutage keine Seltenheit: Diese Menschen wollen eine Zwangsräumung verhindern. Sie wollen, dass Gloria Gallego, ihre Mutter und ihre Tochter in ihrem Haus bei Madrid bleiben können.
Aber Gloria hat ihr Hab und Gut sicherheitshalber in einer Garage untergebracht. Denn wenn die Polizei sie aus dem Haus holt, würden die Türschlösser ausgetauscht.
Gloria kaufte ihr Haus 2005 auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms. Drei Jahre zuvor war sie aus Kolumbien nach Spanien gekommen, mit einem festen Arbeitsvertrag.
Heute ist sie arbeitslos und hat Schulden bei einer Bank, die jüngst für Schlagzeilen sorgte: Bankia braucht Hilfe von der EU. Die Bank hat tausenden Menschen Immobilienkredite gewährt.
„Mehr als 350.000 Euro schulde ich der Bank, mehr als die ursprüngliche Hypothek“, sagt Gloria. „Zuerst zahlt man ja nur die Zinsen, und dann zahlt man langsam das Kapital zurück. Und einige Leute, die das schon durchgemacht haben, und die noch näher an der Zwangsräumung sind als ich, haben mir gesagt, dass man am Ende sogar noch grössere Schulden hat, weil man ja ausserdem die Anwaltskosten tragen muss.
Man hat mehr Schulden als zu Beginn.“
Nun heisst es: warten, zwei Stunden lang. Selbst wenn Gloria der Bank die Hausschlüssel übergibt, bleibt sie verschuldet. Und sie weiss, dass es unmöglich ist, in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise das Haus für 350.000 Euro zu verkaufen.
Doch dann kommt die gute Nachricht: Das Gericht hat die Räumung ausgesetzt, zumindest für heute. Gloria ist erleichtert und dankt ihren Unterstützern.
In den vergangenen drei Jahren kam es in Spanien zu rund 500.000 Zwangsvollstreckungen, und die Zahl nimmt weiter zu.
Miguel Anton, Rechtsanwalt der Organisation PAH, die gegen Zwangsräumungen eintritt, fürchtet, dass das 100 Milliarden Euro schwere Rettungspaket für die Banken die Lage für Menschen wie Gloria eher noch verschlimmern wird:
„Ich denke, die Banken werden auf jeden Fall eine noch härtere Haltung zeigen. Denn sie werden sich auf eine wirtschaftliche Unterstützung verlassen, die sie bisher nicht erhalten haben.
Wären sie hingegen in einer besonders verzweifelten Lage, würden sie sich vielleicht verhandlungsbereiter zeigen. Ich habe grosse Zweifel, dass es jetzt zu Verhandlungen kommen wird, denn diese Geldspritze macht es den Banken möglich, diese vor Jahren geschaffene Blase aufrecht zu erhalten.
Das Problem dieser Familien wird damit überhaupt nicht gelöst.“
Für viele Spanier bedeutet das Wort Bank heutzutage auch Ungerechtigkeit. Während des Immobilienbooms liehen die Banken den Bauherren Geld und gewährten dann Immobilienkredite zu überzogenen Preisen – an Menschen, die nie in der Lage sein würden, ihre Schulden zu tilgen.
Und nun werden diese Banken auch noch auf Kosten der Steuerzahler gerettet, während Schuldner aus ihren Häusern geworfen werden.
Die spanische Immobilienlandschaft bietet heute keinen schönen Anblick. Allein im Boom-Jahr 2007 wurden 800.000 Einheiten errichtet.
Als im folgenden Jahr die Blase platzte, erbten die Banken den Grossteil der Schulden. Spaniens Banken besitzen fast 200 Milliarden Euro an toxischen Immobilen.
Heute werden in Spanien 1,3 Millionen Eigenheime zum Kauf angeboten, viermal mehr als die 350.000 Kaufgesuche.
In Valdeluz sind tausende Wohnungen zu verkaufen. Der Ort liegt in der Nähe von Madrid. Während des Booms galt Valdeluz als neues Vorstadt-Paradies: Schöne Häuser in guter Lage, und der Clou: mit dem Schnellzug ist man in 15 Minuten im Zentrum der Hauptstadt. Mit dem Auto braucht man eine Stunde.
Doch dann kam die Krise, und viele der 9.000 Wohnungen standen leer oder wurden gar nicht fertiggestellt. Der Schnellzug braucht nun hier nicht halten.
Joaquin Ormazabal ist Bürgermeister von Valdeluz. Er zeigt uns den Bahnhof, der 18 Millionen Euro gekostet hat. Nun kann man hier zwar einsteigen, aber nicht in einen Schnellzug nach Madrid.
Der menschenleere Bahnsteig ist für den Bürgermeister ein Monument der Geldverschwendung durch regionale Regierungen und Banken während der Boomjahre.