D erzeit wird wieder verstärkt Stimmung gegen Hartz IV-Betroffene seitens der Politik und Medien betrieben. So schreibt beispielsweise die BILD von „Drückebergern“ und andere Medien stimmen das Lied vom ewig vorgetragenen „Missbrauch von Sozialleistungen“ mit ein.
Meldungen von Statistiken verhängter Sanktionen werden dazu verwendet, um Stimmung gegen Menschen zu betreiben, die sich oftmals sowieso schon als die „Abgehängten“ dieser Gesellschaft fühlen.
Der überwiegende Teil der verhängten Hartz IV-Sanktionen geht aber auf sogenannte Meldeversäumnisse zurück, wie beispielsweise die Nichtwahrnehmung eines Termins im Jobcenter.
Dieser Zusammenhang geht aber regelmäßig in der wahrnehmbaren Berichterstattung immer wieder unter. Gleichzeitig aber sind beruflichen Förderungen oder die Förderungen von Existenzgründungen überhaupt nicht adäquat, um tatsächlich eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Vielmehr werden die Menschen in die Zeitarbeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse gedrängt, wo sie trotz Arbeit oftmals weiterhin in Armut und aufstockenden ALG-II-Leistungen leben müssen.
Thorsten Hild von der journalistischen Plattform Wirtschaft und Gesellschaft hat einen parteiübergreifenden Aufruf mit dem Titel „Farbe bekennen – gegen entwürdigende Hartz IV Praxis und für berufliche Förderung“ gestartet.
„Mit diesem Aufruf wollen wir erreichen, dass die Politik Farbe bekennt und den Wählerinnen und Wählern sagt, ob sie bereit ist, die häufig entwürdigende Hartz IV-Praxis abzuschaffen und die berufliche Förderung in den Mittelpunkt zu stellen“, schreibt der Initiator auf seiner Webseite.
Zahlreiche namenhafte Politiker, Gewerkschafter, Wissenschaftler und Kulturschaffende haben den Aufruf bereits unterzeichnet. Zu ihnen gehören beispielsweise Prof. Dr. Joseph Dehler, Franziska Drohsel (ehem. Juso-Bundesvorsitzende), Dr. Ursula Engelen-Kefer, Thomas Gutsche (Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Geschäftsführung Parlamentarische Linke in der SPD-Bundestagsfraktion), Katja Kipping (MdB, Die Linke), Dr. Matthias Kollatz-Ahnen (Physiker und Volkswirt, von 2006 bis Anfang 2012 Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank), Markus Kurth (MdB, Bündnis 90 Die Grünen), Hilde Mattheis (MdB, SPD), Dr. Manfred Maurenbrecher (Texter, Komponist und Sänger), Achim Meerkamp (ver.di-Vorstandsmitglied), Beate Müller-Gemmeke (MdB, Bündnis 90 Die Grünen), Wolfgang Neskovic (MdB, Bundesrichter a.D. Die Linke) und Rüdiger Veit (MdB SPD).
In dem Aufruf heisst es, „Eine der schärfsten Bestrafungen ist es, Menschen auszugrenzen, sie zu isolieren und nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Zahlreiche gesellschaftliche Beziehungen ergeben sich in Arbeitszusammenhängen.
Das gesellschaftliche Leben ist aber mehr als Arbeit: Bildung, Kultur, Sport, Hobbies, sich in ein Kaffee zu setzen, abends in der Kneipe ein Bier mit Freunden zu trinken, in den Urlaub zu fahren. Das aber können sich hierzulande seit langem viele Menschen nicht mehr leisten, vor allem diejenigen nicht, die ohne Arbeit sind, und erst recht Menschen nicht, die Hartz IV beziehen.
Hartz IV-Beziehende sind so schon bereits gestraft genug, könnte man meinen, ohne Arbeit und ohne genügend Geld. Das Gesetz (§ 31 SGB II) aber sieht das anders.
Es sieht vor, das Strafmaß noch zu erhöhen, wenn der Arbeitslose nicht spurt, nicht zu einem vorgegeben Termin bei der Bundesagentur für Arbeit vorspricht oder eine Stelle ablehnt, weil sie nicht seiner Qualifikation entspricht oder keine faire Entlohnung bietet.“
Durch Sanktionsdrohungen werden die Menschen dazu genötigt, im Niedriglohnsektor zu arbeiten. Auch diejenigen, die (noch) eine Arbeitsstelle haben, haben Angst in Hartz IV zu rutschen und üben daher „Lohnzurückhaltung“ aus. Damit verbunden sucht auch die Altersarmut immer mehr Menschen heim, weil die schlechte Lohnentwicklung die Renten drückt.
Wer den Aufruf zur Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV unterstützt, kann eine eMail an redaktion@wirtschaftundgesellschaft.de schreiben.
Wichtig ist dabei den Namen, Ort und eventuelle Funktion mit zusenden.
→ Aufruf (PDF)