D ie Frage der Angemessenheit von Unterkunftskosten der rund 800.000 Bezieher von Hartz IV in Nordrhein-Westfahlen wird am 16. Mai vor dem Bundessozialgericht (BSG) verhandelt. Auf Weisung des NRW-Sozialministeriums wurden diese seit 2010 begrenzt.
Das Bundessozialgericht prüft kommende Woche den Vorgang und wird die Verwaltungspraxis in NRW mit hoher Wahrscheinlichkeit für rechtswidrig erklären. Hartz IV-Beziehende, deren Mieten seit 2010 gekürzt wurden, sollten noch vor der BSG-Entscheidung am 16. Mail einen Überprüfungsantrag stellen.
Nur wer den Antrag vor der BSG-Entscheidung einreicht, erhält bei einem positiven Urteil rückwirkend Geld. In allen anderen Fällen müssen die Jobcenter erst ab der BSG-Entscheidung höhere Unterkunftsleistungen berücksichtigen.
Zur Sicherung von Ansprüchen ist schnelles Handeln jetzt nötig.
Bei der Leistung Grundsicherung für Arbeitssuchende (Hartz IV) sind die Unterkunftskosten nur in “angemessener” Höhe von den Jobcentern zu übernehmen. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist von den örtlichen Jobcentern durch Richtlinien zu zu konkretisieren.
Die Jobcenter in NRW orientieren sich dabei an Richtlinien des Landesministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS).
Das BSG hat bislang entschieden, dass für die Feststellung der angemessenen Wohnungsgrösse für Harz IV-Beziehende die jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen zum Wohnraumbindungsgesetz heranzuziehen seien.
Für NRW hat das BSG im Jahr 2009 festgestellt, das für eine Person von 45 m² auszugehen ist. Die landesrechtlichen Bestimmungen wurden in NRW zum 01.01.2010 von 45 auf 50 m² angehoben.
Seitdem haben verschiedenste nordrhein-westfälische Sozialgerichte entschieden, dass von den um 5 m² erhöhten Wohnungsgrössen auszugehen sei. Dieser Auffassung schloss sich auch eine Kammer des Landessozialgerichts in einer Entscheidung am 16.05.2011 an.
Das zuständige Landesministerium (MAGS) empfahl den Kommunen und Kreisen jedoch, wegen zu erwartender Mehrkosten bis zur endgültigen BSG-Entscheidung an der Wohnungsgrösse von 45 m² festzuhalten.
Diese 5 m²-Differenz bedeuten für betroffene Harz IV-Haushalte, die seit 2010 zur Kostensenkung aufgefordert wurden, ca. 25 EUR weniger für die Grundmiete und ca. 12,50 EUR weniger für Betriebs- und Heizkosten.
Da inzwischen viele Haushalte in NRW von Unterkunftskürzungen betroffen sind, kommt da eine Menge Geld zusammen.
Am 16. Mai wird das BSG mit hoher Wahrscheinlichkeit dieser Praxis der verordneten Wohnraumbegrenzung einen Riegel vorschieben und die Angemessenheit auf die aktuellen Richtlinien zur Wohnraumförderung festschreiben.
„Allerdings ist im Hartz IV-Gesetz für den Fall einer richtungsweisenden BSG-Entscheidung eine Besonderheit vorgesehen“, erläutert Harald Thomé, Vorsitzender von Tacheles e.V.
„Nach einem höchstgerichtlichen Richterspruch bekommen betroffene Hartz IV-Bezieher rückwirkend keine Leistungen erstattet. Das ist nur der Fall, wenn sie vor der Entscheidung Rechtsmittel eingelegt haben.“
Im Klartext bedeutet das, bis zur BSG-Entscheidung am 16. Mai muss gegen aktuelle Bescheide ein Überprüfungsantrag eingelegt werden, nur so sind rückwirkend Ansprüche zu sichern.
Das Stellen eines Überprüfungsantrags ist daher folgenden Leistungsbeziehern aus NRW zu empfehlen:
• Personen, die in einer Wohnung leben, die das Jobcenter als unangemessen ansieht und deren Mietkosten nach 2010 auf die „angemessenen Kosten“ reduziert wurden,
• Leistungsbeziehenden, denen wegen einer Überschreitung der Angemessenheitsgrenze von ca. 30 EUR Umzugskosten, Wohnungsbeschaffungskosten, Kautionen und Genossenschaftsanteile durch das Jobcenter versagt wurden.
Wenn noch vor dem Tag der Verkündung der BSG-Entscheidung, ein Überprüfungsantrag eingelegt wird, müssen Jobcenter vorenthaltene Leistungen für Unterkunftskosten rückwirkend bis max. zum Januar 2011 erstatten.
Wurden deswegen Umzugskosten, Wohnungsbeschaffungskosten oder die Zahlung von Kaution oder Genossenschaftsanteilen abgelehnt, müssen auch diese Beträge rückwirkend erbracht werden.
Beziehende von Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung der Sozialhilfe (SGB XII) müssen vor der BSG-Entscheidung keine Überprüfungsanträge stellen, um nachträglich ihre Ansprüche geltend zu machen.
Medien, Beratungsstellen und Sozialeinrichtungen werden gebeten, Hartz IV-Bezieher in NRW auf diesen Sachverhalt hinzuweisen. Betroffene, deren Leistung für die Unterkunft aufgrund der vermutlich rechtswidrigen Weisung des Ministeriums (MAGS) gekürzt wurde, müssen unverzüglich gegen Bewilligungsbescheide Widerspruch einlegen und entsprechende Überprüfungsanträge.
Ein Musterüberprüfungsantrag kann hier heruntergeladen werden (PDF):
→ harald-thome.de
Beratungsstellen und auch Anwälte, die in solchen Fällen aktiv werden können, sind hier zu finden:
→ my-sozialberatung.de