G uantánamo tauchte kurz aus dem Schatten am Mittwoch, 29. Februar, als Majid Khan, ein pakistanischer Staatsbürger, bezeichnet als einer von 14 “besonders wertvollen Gefangenen”, als er in Guantánamo im September 2006 nach dreieinhalb Jahren in geheimen CIA-Gefängnissen eintraf, das erste Mal nach seiner Gefangennahme vor fast neun Jahren in der Öffentlichkeit erschien.
Khan, jetzt 32, bekannte sich schuldig zu fünf Anklagepunkten – Verschwörung, Mord und versuchter Mord in Verletzung des Kriegsrechts, materielle Unterstützung des Terrorismus und Spionage – im Rahmen eines Urteilskuhhandels, was ihm helfen sollte, nicht den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen zu müssen und den Behörden der USA helfen sollte, andere “besonders wertvolle Gefangene” zu verfolgen, die ebenfalls in Guantánamo eingesperrt sind.
Nachdem er seit 1996 in Baltimore gelebt hatte, wurde Khan 1998 Asyl gewährt, er schloss die High School 1999 ab und arbeitete im Computerbereich. Im Januar 2002 reiste er nach Pakistan und wurde mit Khalid Sheikh Mohammed bekanntgemacht, dem “besonders wertvollen Gefangenen”, der in seiner “Gerichtsverhandlung” in Guantánamo 2007 erklärt hatte, er sei der Drahtzieher hinter den Attacken des 9/11 gewesen (nach umfangreichen Folterungen, unter anderem 182-maligem waterboarding, d.Ü.) und anscheinend mit al-Qaeda bis zu seiner Festnahme in seinem Haus in Karachi am 05. März 2003 in Beziehung stand.
Seine Anklageschrift besagt, dass er mit Khalid Sheikh Mohammed konspirierte, um Treibstofftanks in den USA zu sprengen und den pakistanischen Präsidenten Pervez Musharraf zu ermorden, obwohl aus keiner dieser Verschwörungen etwas wurde.
Im Gegensatz dazu überbrachte Khan anscheinend $50.000 von Pakistan nach Thailand, als Finanzspritze für die terroristische Gruppe Jemaah Islamiyah, deren Angriff auf ein Hotel in Jakarta, Indonesien, im August 2003 elf Menschen das Leben kostete.
Jedenfalls war er zur Zeit dieses Angriffs bereits in US-Händen – in einem geheimen CIA-Gefängnis, wie er bei seiner Anhörung am Mittwoch in Guantánamo erklärte. Er wurde „illegal“ festgehalten, sagte er, und fügte hinzu: „ich wurde entführt“.
Obwohl Carol Rosenberg im Miami Herald berichtete, dass er im Gerichtssaal „zustimmte, dass er den Urteilshandel freiwillig eingegangen sei“, hielt sie doch auch fest, dass er „verwirrt zu sein schien durch die Verschwörungspunkte in der Anklage“.
„Obwohl ich das Geld überbrachte“, sagte er, „wusste ich nicht, wohin das Geld gehen würde. Ich wusste nichts von der Verschwörung“.
Was seine angebliche Bedeutung weiter herabmindert, „schien er auch verblüfft zu sein durch den Teil seines Geständnisses, der besagte, dass er mit Osama bin Laden konspiriert habe, indem er mit al-Qaeda in Verbindung gestanden sei“.
Seine Bedenken bezüglich dieses besonderen Anklagepunktes erläuternd sagte er: „Ich traf ihn nie, offenkundig“.
Es wird berichtet, dass im Austausch für seine Kooperation Khans Urteil mit 19 Jahren begrenzt werden soll, obwohl er das bis in vier Jahren nicht sicher wissen wird, wenn das Urteil offiziell gefällt werden wird – was ihm die Zeit gibt, seine Bereitschaft unter Beweis zu stellen, gegen andere Gefangene auszusagen – darunter vermutlich Khalid Sheikh Mohammed.
Vielleicht ist das fair, aber es scheint eher wieder ein neues Beispiel zu sein für die Art von schöpferischer Justiz, die für die militärischen Kommissionen typisch ist, besonders wenn man andere Umstände mit einbezieht – zum Beispiel Khans Folterung in den 42 Monaten in geheimer Anhaltung, über die er günstigerweise für die Behörden zugestimmt hat, bis zu seiner Entlassung nicht reden.
Er hat auch zugestimmt, niemals den Versuch zu unternehmen, die Verantwortlichen dafür zu verklagen.
Nichtsdestoweniger bleibt die Folterung Khans kaum verborgen und das macht die Behörden ganz eindeutig nervös. Die New York Times berichtete, dass, als er in der Anhörung sagte „Sie sagen, dass ich grundsätzlich die CIA oder irgendeine Agentur nicht für das klagen kann, was mit mir geschehen ist“, die Sicherheitsbeamten kurz die Videoübertragung stoppten und den Ton aus dem Gerichtssaal mit lauten atmosphärischen Störungen blockierten.
Absurderweise sollte Khan auch zur Kenntnis nehmen, dass er „unbefristet als ‚feindlicher Kämpfer für den Rest seines Lebens’ auch nach Ablauf seiner Freiheitsstrafe eingesperrt werden kann“.
Auf die Frage, was er dazu sage, sagte er zum “Richter” Oberst James Pohl „ich gebe hier einen Vertrauensvorschuss, Sir. Das ist alles was ich tun kann“.
Über Majid Khans unmittelbaren Fall hinaus sollten die Vorgänge am Mittwoch diejenigen, welche die Vorgänge in Guantánamo beobachten, daran erinnern, dass 170 weitere Männer noch immer eingesperrt sind, und dass die meisten von diesen keine Möglichkeit bekommen, einen Urteilskuhhandel einzugehen, um aus dem Gefängnis zu kommen, nicht einmal in 19 Jahren.
Der Grund dafür ist nicht, dass sie als besonders wichtig erachtet werden, wie Khan. Es liegt vielmehr daran, dass die abteilungsüberschreitende Guantánamo Review Task Force, die 2009 von Barack Obama eingerichtet wurde, um alle Fälle der Gefangenen zu überprüfen, nur 36 Gefangene für eine Gerichtsverhandlung empfohlen hat – oder für Urteilskuhhandel.
89 weitere Gefangene wurden für die Entlassung freigegeben. Nichtsdestotrotz bleiben sie in Haft, entweder weil es für sie unsicher ist, wenn sie in ihr Heimatland zurückgeschickt werden und sich kein anderes Land findet, das sie nimmt (einschliesslich der USA), oder weil sie Jemeniten sind und Administration und Kongress befinden, dass es sich gehört, für schuldlos befundene Gefangene nicht nach Jemen zu entlassen, wegen Sicherheitsbedenken.
Das läuft auf nicht weniger hinaus als “Schuld durch Nationalität” und sollte inakzeptabel sein in einer angeblich zivilisierten Gesellschaft.
Weitere 46 sind noch unglücklicher dran, denn sie wurden vorgesehen für unbefristete Anhaltung ohne Anklage oder Verhandlung allein auf der dubiosen Grundlage, sie seien zu gefährlich, um entlassen zu werden, aber es gäbe nicht ausreichende Beweise, um sie vor Gericht zu stellen – oder ihnen einen Urteilskuhhandel anzubieten – obwohl die meisten von ihnen offenbar als weniger bedeutsam eingestuft werden als die “besonders wertvollen Gefangenen”.
Nimmt man dazu die Diskussionen in letzter Zeit über die Entlassung einer Handvoll bedeutender eingesperrter Taliban als Teil der Verhandlungen, die dem Rückzug der Streitkräfte der USA aus Afghanistan vorangehen, dann wird klar, dass, obwohl ein gerichtliches Verfahren vielleicht für die als bedeutsam eingestuften in Frage kommt, diese Aussicht komplett für die unbedeutenden Gefangenen verschwunden ist und für diejenigen, die angeblich die Entlassung erwarten, die der Angstmacherei und politischen Berechnung geopfert wurden.
Der letzte Gefangene, der lebend aus Guantánamo entlassen wurde, reiste im Januar 2011 ab. Seit diesem Zeitpunkt sind zwei weitere abgereist – aber in Särgen.
Einer starb beim Training, der andere beging Selbstmord. Ohne den Willen auf Seiten der Machthaber, diesen schrecklichen Zustand zu ändern, werden auch andere – jenseits der Handvoll derjenigen, die einen Urteilskuhhandel aushandeln können im Austausch für die Denunziation ihrer Mitgefangenen – finden, dass die einzige Möglichkeit für sie, Guantánamo zu verlassen, der Tod ist.
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