W enn eine Strassengang vorhätte, einen Anwohner zusammenzuschlagen, weil sie fürchtet, er wolle sich eine Waffe besorgen, um seine Familie schützen zu können, sind wir doch wohl alle der Meinung, dass die Polizei berechtigt wäre, diese Gang zu inhaftieren und sie wegen beabsichtigter schwerer Körperverletzung anzuklagen. Wenn sie ihren Plan umsetzen und den Nachbarn angreifen, verletzen oder sogar töten würde, wären wir sicher alle damit einverstanden, wenn die Angreifer wegen schwerer Körperverletzung, Mordversuchs oder – falls der Angegriffene stirbt – sogar wegen vorsätzlichen Mordes angeklagt würden.
In den internationalen Beziehungen und nach dem Völkerrecht gelten die gleichen Regeln. Nach den Grundsätzen des Nürnberger Urteils (gegen führende Nazis), die später auch in die Charta der Vereinten Nationen einflossen, die von den USA mitunterzeichnet wurde, sind die Planung, die Vorbereitung, die Anzettelung oder die Führung eines Angriffskrieges schwerste Kriegsverbrechen und die Verursacher können dafür zum Tod verurteilt werden; ein Angriffskrieg ist als Krieg gegen einen Staat definiert, der den oder die Angreifer nicht selbst mit einem unmittelbar bevorstehenden Angriff bedroht hat.
Warum dürfen dann zivile und militärische Führer der USA und Israels unbehelligt immer wieder offen mit einem Angriff auf den Iran drohen?
Als Casus Belli, also als Rechtfertigung für einen solchen Angriff, wird angegeben, der Iran, der in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht völlig legal Uran für einen neuen Kernreaktor anreichert, wolle insgeheim zusätzliches Uran für den Bau einer Atombombe anreichern.
Dabei würde dieses Vorgehen, wenn es denn tatsächlich stattfände, nicht zwangsläufig den Bau einer Bombe ermöglichen, die innerhalb eines Jahres getestet und einsatzfähig gemacht werden könnte.
Die US-Geheimdienste haben gerade festgestellt, dass der Iran derzeit überhaupt nicht versucht, eine Bombe zu bauen. [1]
Die angeblich vom Iran ausgehende Bedrohung steht – selbst wenn sie tatsächlich einmal eintreten sollte – keinesfalls “unmittelbar bevor”; deshalb ist auch kein Präventivschlag gegen den Iran zu rechtfertigen, über den die USA und Israel aber trotzdem öffentlich nachdenken und mit dem sie drohen.
Es ist einfach eine Tatsache, dass Barack Obama, der Präsident der USA, und seine Spitzengeneräle und Kabinettsmitglieder jedes Mal ein Kriegsverbrechen begehen, wenn sie dem Iran mit einem Angriff drohen. Der Präsident macht sich ausserdem der Beteiligung an einem Komplott schuldig, wenn er seine Generäle nach Israel entsendet, das mit dem geplanten und angedrohten Angriff auf den Iran ebenfalls ein Kriegsverbrechen begeht.
Dieses Komplott besteht darin, dass Optionen für einen Angriff auf den Iran mit Israel beraten und die Israelis mit den Waffen und Trägersystemen beliefert werden, die sie für einen solchen Angriff brauchen; indem die USA Israel mit extrastarken Bunkerbrecher-Bomben und den für deren Transport notwendigen Flugzeugen versorgen, beteiligen sie sich an einem Komplott.
Es ist absolut unverständlich, dass dieses äusserst kriminelle Verhalten auf der höchsten Ebene der US-Regierung von den Mainstream-Medien der USA total ignoriert wird.
Am 03. Februar war in einem Leitartikel der New York Times zu lesen, es gebe „keinen Beweis“ dafür, dass sich der Iran bereits entschieden hat, „von der Urananreicherung zum Bau einer Bombe überzugehen“.
Und trotzdem berichtet diese Zeitung weiterhin über einen möglichen Angriff Israels und/oder der USA auf den Iran, „wobei sie nur vor den hohen Kosten eines israelischen Militärschlages – mit oder ohne US-Unterstützung – oder einem Fehlschlag warnt“.
Die New York Times oder andere US-Konzernmedien verlieren aber kein einziges Wort über die Tatsache, dass ein solcher Angriff zu den schwerste aller Kriegsverbrechen zu rechnen wäre.
Präsident Barack Obama, Vizepräsident Joe Biden, Aussenministerin Hillary Clinton und Jay Carney, der Pressesekretär des Weissen Hauses, haben alle schon öffentlich verkündet, dass sich die USA „alle Optionen vorbehalten“, um den Iran am angeblich beabsichtigten Bau einer Atombombe zu hindern; damit haben sich auch alle zu einem Angriff auf den Iran bereit erklärt.
Sowohl der Präsident als auch der Verteidigungsminister(!) Leon E. Panetta haben versichert, die USA „würden dem Iran nicht erlauben“, eine Atombombe zu entwickeln; das ist fast schon eine Kriegserklärung, denn Oberbefehlshaber Obama und sein Verteidigungsminister Panetta haben bereits die drei US-Flugzeugträger in den Persischen Golf und ins Arabische Meer beordert, die nach Meinung von Militärexperten für einen Angriff auf den Iran gebraucht würden.
Bei dem ganzen Kriegsgerede und Säbelrasseln in den US-Medien geht es aber nur darum, ob die USA wirklich einen Angriff auf den Iran planen oder sich anschliessen sollen, wenn Israel eine Offensive einleiten sollte; niemand denkt daran, dass jeder Angriff eines oder beider Staaten auf den Iran ein schreckliches Kriegsverbrechen wäre.
In einigen Umfragen hat eine Mehrheit der US-Amerikaner einen Angriff der USA auf den Iran befürwortet; die Meinungsforscher haben die US-Bürger bisher aber nicht befragt, ob sie einen solchen Angriff für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit halten.
Dieser bedauerliche Zustand sollte uns nicht überraschen. Schliesslich haben die USA nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem sie als bisher einziger Staat kurz vor dem greifbar nahen Sieg noch schnell zwei japanische Grosstädte mit Atombomben ausgelöscht haben [2], den brutalen – völkerrechtswidrigen – Vietnam-Krieg gegen Nordvietnam, Laos und Kambodscha angezettelt, obwohl von diesen Staaten nicht die geringste Bedrohung für die USA ausging.
Niemand wurde für die darin begangenen Gräueltaten verurteilt, geschweige denn gehängt, obwohl eine ganze Reihe ziviler und militärischer US-Führungspersönlichkeiten dafür in Frage gekommen wären.
Auch die 2003 durchgeführte Invasion des Iraks, der ebenfalls keine denkbare Bedrohung für die USA darstellte, war eindeutig ein Kriegsverbrechen, für das Präsident Bush und sein grimmiger Vizepräsident Dick Cheney am Galgen hätten enden müssen; sie wurden bisher aber noch nicht einmal angeklagt.
Die US-Medien haben auch niemals die Strafverfolgung der für diese Kriegsverbrechen Verantwortlichen gefordert; nur das Repräsentantenhaus hat einmal erwogen, Nixon wegen des Überfalls auf Kambodscha als Kriegsverbrecher anzuklagen.
Warum sollten wir also diesmal ein anderes Verhalten der Medien erwarten? Vielleicht deshalb, weil die Folgen des gerade heraufziehenden neuen Kriegsverbrechens viel schlimmer als die des Vietnam-Krieges und des Irak-Krieges sein könnten – nicht nur für die US-Streitkräfte, sondern für die USA und die ganze Welt.
Der Iran ist nicht mit dem Irak zu vergleichen. Er hat nicht 24 Millionen Einwohner wie Irak, sondern 74 Millionen. Er ist ein Staat mit einer langen Geschichte und einer starken nationalen Identität und keine Ansammlung unterschiedlicher, sich befehdender Stämme und Regionen, die von einer abziehenden Kolonialmacht zusammengewürfelt wurden – wie der Irak.
Ausserdem hat er starke Unterstützer – neben Russland und China auch die benachbarte Türkei und Pakistan – die ihm bei einem Angriff wahrscheinlich zur Hilfe kämen. Auch die ganze islamische Welt geriete wahrscheinlich in Aufruhr, wenn Israel und die USA den Iran angreifen würden.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Krieg auf den Iran zu beschränken wäre, liegt fast bei Null.
Ausserdem würden durch einen Angriff auf den Iran die Öllieferungen nicht nur aus dem Iran, sondern auch aus Saudi-Arabien, aus Kuwait und aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gestoppt, weil auch deren gesamtes Öl durch die schmale Strasse von Hormuz abtransportiert wird.
Selbst wenn es dem Iran, dem dieser Seeweg bis zu seiner Mitte gehört, nicht gelänge, die Strasse ganz zu sperren, würde keine Versicherungsgesellschaft die Tankschiffe versichern, die trotz drohender iranischer Angriffe versuchen sollten, die Strasse zu passieren; die Einstellung des Schiffsverkehrs würde eine Explosion des Ölpreises und den Kollaps der Weltwirtschaft verursachen.
China, das auf das iranische Öl angewiesen ist, müsste (schon aus eigenem Interesse) dem Iran zur Hilfe kommen; das könnte es ganz einfach dadurch tun, dass es die Spannungen zu seiner “abtrünnigen Inselprovinz Taiwan” erhöht, zu deren Verteidigung die USA vertraglich verpflichtet sind.
Man sollte annehmen, dass allein das Ausmaß der unkalkulierbaren und gefährlichen potenziellen Folgen eines kriminellen Angriffs der USA und ihres Satellitenstaates Israel auf den Iran wenigstens einige der US-Nachrichtenmedien dazu bringen würde, nach der Rechtmäßigkeit eines solchen Angriffs zu fragen.
Das geschieht aber nicht. Anscheinend übersteigt schon die Annahme, die Führer der USA könnten Verbrechen begehen, die Vorstellungskraft sämtlicher Lohnschreiber und ihrer Zahlmeister.
Deshalb muss wohl ich darauf hinweisen: Präsident Obama, seine wichtigsten Berater, Vizepräsident Biden, Aussenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Panetta sind schon deshalb Kriegsverbrecher, weil sie dem Iran mit einem Angriff drohen.
Wenn die USA den Iran wirklich allein oder zur Unterstützung eines israelischen Überfalls angreifen, begehen sie das schlimmste aller Kriegsverbrechen (die Auslösung eines Angriffskrieges), und die Verursacher verdienen die gleiche Strafe wie Tojo Hideki, der gleichzeitig Ministerpräsident Japans und Chef der japanischen Armee war, und Joachim von Ribbentrop, der Aussenminister Nazi-Deutschlands und der deutsche Feldmarschall Wilhelm Keitel.
Dave Lindorff ist ein investigativer Journalist, der 2004 und 2011 für zwei seiner Artikel ausgezeichnet wurde.
Er betreibt die Website www.thiscantbehappening.net
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- US-Geheimdienste sehen keine Anzeichen dafür, dass der Iran eine Atombombe bauen will, (PDF) luftpost-kl.de/luftpostarchiv/ ↩
- Warum der Zweite Weltkrieg mit Atompilzen endete, (PDF) luftpost-kl.de/luftpost-archiv/ ↩