Berlin: Rat für die Künste beklagt gebrochene Wahlversprechen

Anderes war versprochen: Zu den katastrophalen Sparvorhaben im Bezirk Pankow

- von Presseticker  -

D er Rat für die Künste prangert in einen offen Brief an, dass die Wahlversprechen der Ende 2011 gewählten Berliner Politiker nichts weiter waren, als wohlklingender Schall, der sich nach der Wahl zu Rauch verflüchtigt hat.
Berlin profitiert massiv von seinem Ruf als Kunststandort, kürzt aber die bezirkliche Kulturarbeit zu Tode. Der Rat für die Künste ist ein Gremium aus 20 Berliner Kulturschaffenden. Im März 2012 wird der Rat neu gewählt, bis zum 18. Februar können Kandidaten vorgeschlagen werden!

Anderes war versprochen: Zu den katastrophalen Sparvorhaben im Bezirk Pankow

Offener Brief des Rats für die Künste

Die katastrophalen Verlautbarungen aus dem Bezirk Pankow über paradigmatisch zu nennende Abwicklungsabsichten öffentlich finanzierter und geförderter Kultur und Bildungsangebote sind ein Alarmsignal für die ganze Stadt.
Noch vor der Berliner Wahl im September 2011 sahen sich angetretene Parteien in einer Gesamtverantwortung für die Kultur in der Stadt. Auf Anfragen des Deutschen Kulturrates war man mit Antworten nicht verlegen.

Beispiele: „Kultur fördert Kreativität, vermittelt gesellschaftliche Werte und Zielvorstellungen, schafft Identität und ermöglicht Identifikation. Kulturpolitik ist daher für die SPD Berlin keine Subvention, sondern eine Investition in die Zukunft.
Ziel ist es, Berlins einzigartige Kulturlandschaft zu erhalten und zu pflegen. Dazu gehört eine gezielte Infrastrukturförderung auf Landes- und auf Bezirksebene…“

Auch Bündnis 90/Die Grünen Berlin sahen sich „…in der Verantwortung für die Kultur in der ganzen Stadt, von Spandau bis Köpenick und von Pankow bis Neukölln. Die kommunalen Kultureinrichtungen in den Bezirken sind integraler Bestandteil der städtischen Kulturlandschaft Berlins. Ihren Erhalt und ihre Weiterentwicklung betrachten wir als gesamtstädtische Aufgabe, die nur in enger Abstimmung mit den Bezirken entwickelt werden können…“

Die “Linke” Berlin sah einen Schwerpunkt in der Sicherung der kulturellen Angebote der Bezirke: „…Die Kulturarbeit in den Bezirken ist ein wichtiger Bestandteil der gesamtstädtischen Kulturpolitik…“

Und auch die CDU Berlin fand gute Worte für die Bedeutung der Kultur in dieser Stadt, schätzt die kulturelle Vielfalt, auch die bezirkliche, bleibt aber etwas gebremst, wenn sie bedauert: „Die Bezirke in Berlin haben leider einen anderen rechtlichen Status als Gemeinden und Kommunen in den Flächenländern.
Die Berliner CDU will an den Globalzuweisungen an die Bezirke festhalten. Wir meinen auch, die Auseinandersetzung darüber, wie viel Kultur sich in einem Bezirk ereignet, muss Gegenstand der politischen Auseinandersetzung in den jeweiligen Bezirken sein…“

Inzwischen steht nicht nur das Berliner Wahlergebnis fest, sondern auch die Koalition zwischen SPD und CDU zum Wohle des Landes. Im vorletzten Kapitel der Koalitionsvereinbarung wird nicht nur in vielfältigsten Bezügen „Berlin als eine globale Kulturmetropole“ beschworen, Kunst, Kultur und die Kreativszene zu den zentralen Grundressourcen der Stadt gezählt.
Es steht ebenso geschrieben: „Zum Reichtum gehört auch die Vielfalt der bezirklichen Kultureinrichtungen wie die kommunalen Galerien, Bibliotheken und Musikschulen.“

Alle diese Worte wurden und sind gesprochen mit dem Wissen darum, dass das Land Berlin mehr als 60 Milliarden Schulden hat und die nun beginnende Legislaturperiode angesichts Konsolidierungsdruck, Schuldenbremse und absehbaren Kostensteigerungen mit Einsparungen und Umschichtungen im Haushalt verbunden sein wird.
Dabei ist bekannt, dass der Anteil der Ausgaben für Kultur in den Bezirkshaushalten nur gering ist, insbesondere wenn es um die freie Szene geht und um die Sicherung qualifizierter kultureller Infrastruktur.

Vor der Wahl ist nach der Wahl, die Worte aus der Politik sollen an den Handlungen gemessen werden und die Künstlerinnen und Künstler, die wirklichen Kulturakteure in dieser Stadt, fordern nachhaltig ihre Beteiligung an der Gestaltung dieser Stadt ein, zu deren weltweitem Image, mit dem die Politik so gerne wirbt, sie maßgeblich beigetragen hat und beiträgt.
Das gilt sowohl für die Landesebene wie auch für die Bezirksebene und das gilt vor allem dann, wenn es um die Weichenstellungen im Haushalt für die nächsten Jahre geht.

Kunsthalle Krems, Der Künstler als politischer Akteur

Kunsthalle Krems, Der Künstler als politischer Akteur

Die katastrophalen Verlautbarungen aus dem Bezirk Pankow sind ein Alarmsignal für die ganze Stadt.

Gerade der Bezirk, der Teil Berlins, der in den Entwicklungen seit den 90er Jahren zum Kulturimage der Hauptstadt viel beigetragen hat, der von seinem Ruf lebt, einer äusserst lebendigen künstlerischen und kulturellen (wie auch internationalen!) Szene eine Heimat zu bieten, setzt unter den gegeben Sparzwängen die falschen Zeichen.

Gerade dieser Bezirk, der für seine Dichte an Künstlern und Kulturschaffenden bekannt ist, der zugleich von Gentrifizierungsprozessen, Immobilienverwertungen und damit von Anwanderungen derer betroffen ist, die mit ihren lokal wie überregional wirkenden künstlerischen Projekten und Interventionen den Charme des Bezirks ausmachen, insbesondere den Prenzlauer Berg am Leben und in der öffentlichen Aufmerksamkeit halten, wäre zu einer offensiveren Kulturpolitik aufgefordert.

Pankow aber handelt stattdessen gegen seine eigene Interessen und die der ganzen Stadt. Bei gut 1 Mio Euro Einsparvorgaben allein für das Jahr 2012 ist der radikale Einbruch und langfristige Schaden für das kulturelle Leben (nicht nur) in Pankow vorprogrammiert.

Wir fordern daher den Bezirk auf, nicht die verbliebene öffentliche und freie Kunst- und Kulturszene weiter zu schleifen, sondern sie zu stabilisieren und angemessene Rahmenbedingungen für ihre weitere Entwicklung zu sichern, die letzten verbliebenen öffentlichen Kultureinrichtungen wie die bezirklichen Galerien (Pankow und Parterre), das Theater unterm Dach, die Wabe, die breit aufgestellten künstlerischen Werkstätten bis hin zum Kulturzentrum Brotfabrik in ihrer weiteren Arbeit adäquat zu unterstützen, in die vorhandene Infrastruktur zu investieren und nicht zuletzt die Mittel für die freien Projekte auch für die Zukunft sicherzustellen.

Angesichts der Grössenordnung dieses Bezirks und seines auch weiter zu erwartenden Wachstums sowie der anstehenden Zukunftsaufgaben dürfen die Ausgaben für Kultur keinesfalls weiter sinken.

Wir begrüssen zwar die Mahnung des Staatssekretärs für Kultur, André Schmitz, mit der er den Bezirk auffordert, von den geplanten Schliessungen Abstand zu nehmen.

Wir denken aber auch, dass im Sinne einer Gesamtverantwortung für die Kultur Berlins die bezirklichen Haushalte vom Land auch so ausgestattet sein müssen, dass diese ihrer kulturellen Verantwortung nachkommen können.

Welche und wie viel Kultur sich ein Bezirk “leisten” will und kann ist zwar eine Sache der Aushandlung in den Bezirken selbst, aber sie stellt nicht auf Willkür oder Belieben ab und sie funktioniert nicht ohne Handlungsspielräume.

Daher mahnen wir an, die Auseinandersetzungen zwischen Land und Bezirk/en um die Finanzierung des Haushalts nicht auf dem Rücken derjenigen auszutragen, die nach Aussage aller Parteien zur Zukunftsressource der Stadt gehören. Anderes war versprochen.

Rat für die Künste Berlin

2012-01-30 18:05 – kulturticker

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