Historische Forschung: Geheimakte Heß
Prof. Dr. Michael Friedrich Vogt: Geheimakte Heß -
Gedankenverbrechen im 21. Jahrhundert
Als ich 2004 die zunächst für n-tv vorgesehene, zweiteilige Dokumentation über den bis heute mysteriösen Englandflug des „Führerstellvertreters“ Rudolf Heß drehte und diese dann insgesamt siebenmal auf n-tv ausgestrahlt wurde, hatte ich gleich gegen mehrere BRD-Denkverbote verstoßen:
Die Kriegsschuld am und im 2. Weltkrieg ist klar disloziert: Die Schuld am Ausbruch und an den Stufen der Ausweitung liegt bei den Deutschen. Punkt. Hier andere Aspekte anzubringen und die Kriegstreiberei der Politik Churchills anzusprechen, ist ein solches Tabu.
Gleichermaßen klar hat das Bild bei den Kriegsverbrechen zu sein: eine deutsche Spezialität, allenfalls bei deren Verbündeten noch zu finden. Punkt. Daß wir es bei Churchill mit einem ganz Großen in der Riege der Kriegsverbrecher des 20. Jahrhunderts zu tun haben, verstößt gegen geltende Lehre.
Rassismus während der Kriegsjahre ist ein deutsches Phänomen und allenfalls bei den Verbündeten des Deutschen Reiches zu finden. Die Alliierten haben für Freiheit und Demokratie und Menschenrechte gefochten. Punkt. Daß Churchill und sein Chefdenker Vansittart in einer Weise antideutsch waren, die nur als chauvinistisch oder rassistisch bezeichnet werden, stört das gewohnte Bild.
Die Nazis wollten Krieg. Ihre Gegner wollten Frieden. Punkt. Daß der britischen Regierung gleich ein ganzes Bündel von Friedensvorschlägen über mehrere Jahre verteilt vorlagen und Churchill gemäß seines „bon mot“, England werde den europäischen Krieg verlieren aber den Weltkrieg gewinnen, unbedingt letzteren, also das Einbeziehen der USA und der UdSSR betrieb, paßt nicht zum wohlgehüteten Image des späteren Nobelpreisträgers, dessen Namen viele deutsche Straßenschilder ziert.
England ging es 1939 um den Beistand für das überfallene Polen und dessen Freiheit. Daher die Kriegserklärung an Deutschland. Punkt. Daß Churchill die Polen, als er die komplette Räumung der durch die Wehrmacht besetzten Gebiete angeboten bekam, verriet und ihm die Polen und deren Freiheit und Unabhängigkeit komplett gleichgültig waren, will man nicht hören.
Der greise Heß hat in Spandau seinem Leben ein Ende gesetzt und sich erhängt. Punkt. Daß weder die Autopsie dies bestätigt noch der vermeintliche Selbstmord technisch und medizinisch möglich war und vieles für ein britisches Nachhelfen spricht, darf man hierzulande nicht einmal denken, geschweige denn sagen.
Auch wenn diese Gedankenverbrechen an sich verwerflich genug sind, das Schlimmste war, daß mit den TV-Ausstrahlungen das Getto, in dem solche mentalen Übeltäter verbannt sind, verlassen wurde und plötzlich eine breite, eine mit einem solchen Thema „unbeleckte“ Öffentlichkeit erreicht wurde. Und damit hatte ich das Faß zum Überlaufen gebracht.
Warum ist das alles so entscheidend? Denn ob nun der Heßflug vor 70 Jahren mit einer Friedensofferte Hitlers einherging oder nicht – könnte das heute nicht komplett egal sein?
Geschichtsdeutung ist ein Herrschaftsinstrument. Die herrschende Geschichtsschreibung ist nicht nur die Geschichtsschreibung der Herrschenden, sie ist damit zugleich ein Instrument zum Herrschen und Beherrschen. Und umgekehrt: Solange die deutsche Geschichte als Herrschaftsinstrument mißbraucht wird, kann auch keine Emanzipation deutscher Politik von den sie beherrschenden Kräften erfolgen.
Beteiligung am Aggressionskrieg auf dem Balkan, Kriegseinsatz in Afghanistan (wenn es nach Merkel gegangen wäre auch gegen den Irak und auf Pfiff natürlich gegen den Iran), Euro und EU-Mitgliedschaft, Verschweigen westlicher Kriegsverbrechen, bedingungslose USA-Hörigkeit – all das in deutschem Namen ist nur denkbar, weil deutsche Politik Vasallenpolitik ist, weil Inferiorität Staatsräson der BRD ist und weil all dies aus dem Schuldkult einer herrschenden Gesichtsschreibung resultiert, die von 1933 bis 1945 bzw. zumindest von 1939 bis 1945 nur einen einzigen Verbrecher und nur eine einzige Verbrechernation kennen.
Insofern impliziert das Deutungsmonopol über 33/45 zugleich das Lenkungsmonopol über deutsche Politik von heute. Und die rückhaltlose Aufarbeitung der kompletten Ereignisse während WK II mit Licht und Schatten auf allen Seiten erst ermöglicht eine Emanzipation deutscher Politik von den (westlichen) Siegermächten von damals.
Um die ganze Aufregung um die n-tv-Filme, aus denen dann eine Langfassung auf DVD und ein Hörbuch entstand, zu verstehen, muß man wissen, worum es eigentlich ging und was das Besondere an diesem Film war und ist.
In der Dokumentation berichte ich anhand neuster, im britischen National Archive (ehemals Public Record Office) vom britischen Junghistoriker Martin Allen gefundenen diversen deutschen Friedensvorschlägen an England, wonach Deutschland bereit war, u.a. alle besetzten Länder zu räumen, Reparationszahlungen für entstandene Beschädigungen an diese Länder zu zahlen, sowie einen polnischen Staat wiederherzustellen.
Dadurch wären mit einem Schlag all die Gründe weggefallen, die am 3. September 1939 den britischen Kriegseintritt rechtfertigten. Die zum Durchkämpfen des Krieges entschlossene britische Regierung hätte aber ihrem Volk und der Öffentlichkeit nicht verständlich machen können, daß, während alle Kriegsziele durch Verhandlungen zu erreichen gewesen wären, man trotzdem weiterkämpfen sollte.
Heß wurde – das zeigen die im Film erstmals gezeigten Dokumente – vom britischen Geheimdienst SO1 in eine Falle gelockt: Die komplette Korrespondenz, die Heß über seinen Vertrauten, Prof. Haushofer, mit dem Duke of Hamliton zu führen glaubte, führten sie in Wirklichkeit mit dem SO1.
In der Tat gab es eine ganze Reihe von Friedensinitiativen in Richtung England von ganz unterschiedlichen Adressaten in und außerhalb des Deutschen Reiches. So gibt es z. B. ein eigenes Dossier des Foreign Office, in dem auf ca. 20 Seiten ein ganzes Bündel von Friedensvorschlägen zusammengefaßt wird.
Ein Exemplar der Dossiers, das nur einem ganz kleinen Kreis zur Verfügung gestellt wurde, liegt im Public Record Office und wird im Film gezeigt.
Der Film erwähnt einen konkreten Mehrpunktefriedensplan eines Dr. Weissauer, den dieser dem britischen Botschafter in Schweden, Mallet, unterbreitet (siehe Dokument). Auch dieser Plan sieht neben dem kompletten Rückzug aller deutscher Truppen aus den westlichen Kriegsschauplätzen, dem Angebot, für die entstanden Kriegsschäden Entschädigungen zu leisten auch den Punkt “Wiederherstellung des polnischen Staates” vor.
Dieser Friedensvorschlag stammte direkt von Hitler: Dr. Weissauer war eine Art persönlicher Rechtsanwalt Hitlers. Insofern liegt es durchaus nahe, daß Hitler auch von den Plänen von Heß wußte bzw. diesen persönlich nach England geschickt hat. Inzwischen ist der Bericht eines Augenzeugen aufgetaucht, der von einer Sitzung unmittelbar von dem Englandflug bei Hitler berichtet, bei der sämtliche Details der Heß-Mission im Fall eines Erfolgs und im Fall eines Mißerfolgs von Hitler persönlich festgelegt wurden.
Sämtliche dieser Friedensinitiativen wurden von Churchill und seinem Außenamtsstaatssekretär Vansittart kategorisch abgelehnt. Churchill erklärte, England könne den europäischen Krieg nicht gewinnen, sondern nur einen Weltkrieg. Daher ging es ihm um eine Politik der unbedingten Kriegsausweitung.
Im übrigen sei es ihm egal, ob Deutschland von den Nazis oder einem Jesuitenpater regiert werde. Und Vansittart, sein Chefdenker und Chefstratege, machte in einer Notiz an den Außenminister Eden deutlich, daß es um die „Vernichtung Deutschlands, nicht um Nazi-Deutschlands“ ginge und von daher sämtliche Friedensangebote abzulehnen seien. Man habe – so Vansittart weiter – „genug von Angeboten von Weissauer, Dahlerus, Goerdeler und Konsorten“ (siehe Dokument).
Damit scheiterte an der antideutschen Haltung der britischen Regierung auch die Chancen, gemeinsam mit Vertretern des Deutschen Widerstandes eine politische Veränderung im Deutschen Reich und ein Ende der NS-Herrschaft zu erreichen.
Hier sind nun drei Punkte bemerkenswert: Zum einen kann hier – fachlich zulässig und wissenschaftlich untermauert – die Politik Churchills kritisiert werden. Hier stellt sich die Frage an die Kritiker, wo das Problem ist.
Eine Politik der Kriegsausweitung ist nichts, was man nicht kritisieren dürfte – auch dann nicht, wenn sie von Deutschlands Kriegsgegnern betrieben wurde. Im Übrigen befinde ich mich aber mit meiner Kritik in bester Gesellschaft: Churchill wurde von seinem eigenen Kabinettskollegen und Minister Hugh Dalton (Chef der Geheimdienste und Labourmitglied) ob dieser Politik der Kriegsausweitung aufs Heftigste kritisiert.
Dalton unterstellte (wie man heute weiß: zu recht), daß sie Millionen von Menschleben kosten würde. Dalton wurde wegen dieser Kritik an Churchill seines Ministeramtes enthoben. Auch diese Kritik wir in einem Dokument im Film gezeigt und belegt (siehe Dokument unten).
Der zweite Punkt bezieht sich auf Churchills und Vansittarts Motive. Sie sind, da es ihnen ganz eindeutig nicht um die Nazis, sondern um die Deutschen an sich geht, chauvinistisch bzw. ihr Position wurde sogar als rassistisch bezeichnet. Nicht die Nazis waren aus der Sicht dieser Herren das Problem, sondern in ihrem blinden Deutschenhaß die Deutschen als Ethnie.
Auch dies ist – ebenso wie andere rassistische und chauvinistische Positionen – ein zulässiger Gegenstand kritischer Anmerkungen.
Der dritte Punkt macht aber die ganze Tragik der Haltung der britischen Regierung und ihre fatalen Konsequenzen deutlich: „Weissauer, Dahlerus, Goerdeler und Konsorten“, heißt es bei Vansittart. Mit diesen Personen und ihren Friedensangeboten möchte er nichts zu tun haben. Nun muß man, wenn man in Sachen Heß keine Expertise aufweisen kann, Weissauer und Dahlerus nicht zwingend kennen. Aber bei dem dritten Namen müßte es klingeln, zumindest bei Historikern.
Daß Vansittart mit Goerdeler einen der führenden Repräsentanten des deutschen Widerstandes und damit des anderen, des besseren Deutschlands unter die Rubrik der “Konsorten” subsumiert, mit denen er, Vansittart, nicht über Frieden verhandeln will, ist historisch mehr als tragisch und kann man nur seinem blinden Deutschenhaß zuschreiben.
Die historische Alternative hätte 1941 nämlich sein können: Die britische Regierung unterstützt den deutschen Widerstand in dessen Umsturz- und Attentatsplänen gegen die NS-Machthaber und beendet mit einem Reichskanzler Goerdeler an der Spitze den Krieg. Kein Barbarossa, kein Rußlandfeldzug mit Millionen Toten, keine massenhaften KZ-Verbrechen, kein Bombenterror gegen die deutsche Zivilbevölkerung.
Auch hier gestehe ich, daß ich einer solchen Weichenstellung 1941 angesichts des tatsächlichen Verlaufs der Geschichte sehr viel Positives abgewinnen kann. Daß sie wahrscheinlich auch am Chauvinismus der britischen Führung, an deren Deutschenhass und dem fanatischen Vernichtungswillen Churchills gegenüber Deutschland scheiterte, darf aus politischer wie historischer Sicht angemerkt und kritisiert werden.
Daß diese höchst kritikwürdige Politik der Regierung Churchill an der deutschen Verantwortung der weiteren Ereignisse natürlich nicht das Geringste ändert, steht außer Frage und ist – im Gegensatz zu den in den Medien geäußerten Verdächtigungen – von mir nie bestritten worden.
Daß Heß sehr wahrscheinlich mit einem konkreten Friedensvorschlag nach England flog, sollte (und soll bis heute) nicht bekannt werden. Daher durfte im Nürnberger Prozeß Prof. Karl Haushofer, der die Pläne Heß’ kannte, in seinem Auftrag den Flug plante und die komplette Korrespondenz von Heß mit dem Duke of Hamilton führte, auf keinen Fall zugunsten von Heß aussagen.
Und so erhielten Haushofer und seine Frau vor seiner geplanten Zeugenaussage Besuch von zwei britischen Geheimdienstagenten. Die Herren müssen so überzeugend gewesen sein, daß Haushofer sich selbigen Tages zusammen mit seiner Frau im Wald erhängte.
Die beiden Geheimagenten konnten ihrem Auftraggeber, dem späteren britischen Hochkommissar in der BRD, anschließend erleichtert nach England melden, daß „das Problem diesen Mann und den Nürnberger Prozeß betreffend beseitigt wurde“ (siehe Dokument). Auch dieses Dokument zeige ich in meinem Film, und es berechtigt, wie man es juristische formulieren würde, einen “berechtigten Anfangsverdacht”, daß es bei dem “Selbstmord” vielleicht nicht ganz mit rechten Dingen zuging. In jedem Fall starb Haushofer für das IMT zur rechten Zeit und konnte für Heß und über den Englandflug keine Aussage mehr machen.
Auch daß Heß 1987 schließlich angeblich spontan Selbstmord verübte, als Gorbatschow laut Radio Moskau verkünden ließ, Heß noch vor Weihnachten nach Hause zu entlassen, kann nun hinterfragt werden.
Keine der seitens der Engländer am Todestag veröffentlichten, gleich mehreren Todesursachen (Selbstmord durch Erschießen, durch Erdrosseln oder schließlich durch Erhängen) stimmen, können stimmen, und vieles spricht hier für Mord und nur wenig für Selbstmord.
Auch hier sprechen meine im Film zu Worte gekommenen Experten und Augenzeugen, der amerikanische Gefängnisdirektor in Spandau („Es war Mord. Das muß einmal gesagt werden.“) und Heß’ tunesischer Krankenpfleger sowie der deutsche Gerichtsmediziner, der die zweite Obduktion machte, eine absolut eindeutige Sprache.
Alle gehen von Mord aus und stellen heraus, daß die mehreren Todesursachen, die die Briten am Todestag von Hess der Öffentlichkeit der Reihe nach mitteilten, in jedem Fall mit dem tatsächlichen Geschehen nichts zu tun haben.
Auch hier Fakten bzw. das, was der Jurist auch hier als einen “berechtigten Anfangsverdacht” bezeichnen würde, um ein Ermittlungsverfahren in Sachen Mord zu eröffnen. Erkenntnisse, die wissenschaftlich zulässig und abgedeckt sind durch die Rede-, Meinungs- und vor allem die Wissenschaftsfreiheit unseres Grundgesetzes.
Die eigentliche Heß-Akte ist noch auf Jahre geschlossen. Ich habe Dossiers mit dem Hinweis “closed until 2019″ oder “closed until 2021″ gefunden. Konkret bedeutete das, daß 2021, also 80 Jahre (!) nach dem Englandflug die Briten die Dokumente über dieses Ereignis sich immer noch nicht trauen (oder eben dann erst), die Akten freizugeben.
Dies säht zumindest ein berechtigtes Mißtrauen, ob hier nicht jemand etwas zu verbergen hat. Und ob dann 2019 oder 2021 die Akten wirklich freigegeben werden, wissen die Götter.
Das Besondere an den Dokumentenfunden von Martin Allen war, daß er als Experte der Dokumente des Foreign Office auf nicht gesperrte Nebenakten des britischen Geheimdienstes stieß, in denen sich die für Heß aufgestellte Falle detailliert nachweisen ließ. An der Veröffentlichung dieser Dokumente, die wohl versehentlich nicht gesperrt wurden, hatte in UK keiner ein Interesse.
Und als Allen dann auch noch für sein nächstes Buch Dokumente fand, die die Ermordung Heinrich Himmlers belegten, begannen merkwürdige Aktivitäten. Die Schlüsseldokumente verschwanden für eine gewisse Zeit aus dem Archiv und wurden an eine Privatperson ausgehändigt – ein wissenschaftlich Unding und absolutes Fehlverhalten eines staatlichen Archivs.
Und wenn es dann noch stimmt, daß dieses “Ausleihen” an eine Privatperson auf Veranlassung eines verdeckten Mitarbeiters des britischen Geheimdienstes und zugleich “Enthüllungsjournalisten” erfolgte, wird das Ganze zum doppelten Skandal.
In jedem Fall tauchten jene Himmlerdokumente nach einigen Tagen in Privatbesitz wieder auf – und stellten sich plötzlich als Fälschung heraus. Honi soit qui mal y pense.
Der Kelch des Skandals, Himmler ermordet zu haben, ist durch diesen, natürlich hier völlig unbekannten Wissenschaftsskandal an England noch einmal vorbei gegangen. Was natürlich breit diskutiert wurde, daß Allen mit gefälschten Dokumenten gearbeitet habe – ja anfänglich wurde ihm die Fälschung sogar unterstellt.
Und weil man so schön dabei war, kamen auch gleich noch ein paar der Heßdokumente mit in den Fälschungstopf, und ein Hobbyhistoriker wurde als Kronzeuge bemüht, eifrig von Wikipedia zitiert, obwohl er weder die Dokumente wissenschaftlich wirklich beurteilen kann noch gar Schriftgutachten oder Papiergutachten zu erstellen in der Lage ist.
Eines jener nun als Fälschung geltenden Dokumente ist das o. g. Telex zweier Secret-Service-Agenten, die von Prof. Haushofers Eliminierung an den späteren britischen Hochkommissar in Deutschland, Kirkpatrick, berichten. Völlig unabhängig aber von der Frage Fälschung oder Fälschung der Fälschung (s. u.) wurden die Haushofers von zwei britischen Agenten besucht, die ihnen alles abnahmen, was Haushofer an Dokumenten zum Heßflug hatte.
Diese Dokumente liegen heute im Public Record Office. Die beiden Agenten sind also die letzten Menschen, die das Ehepaar Haushofer lebend sahen. Haushofer schrieb angeblich (in meinem Film erstmals zu sehen) einen Abschiedsbrief ohne Datum und ohne Unterschrift und mit mehreren Füllern. Er und seine Frau hingen nach dem Besuch an einem Baum im Wald.
Und eine extrem schlecht gemachte Zeichnung (in meinem Film ebenfalls erstmals zu sehen), die angeblich von der aber extrem künstlerisch begabten Frau Haushofer stammt und die dem Sohn den Weg zu den Leichen weisen soll, wurde im Hartschimmelhof, dem Wohnsitz der Haushofers, gefunden. Einen aktuellen Grund für einen Selbstmord gab es nicht. (Die Ermordung des anderen Sohns Albrecht lag schon länger zurück und greift als Argument nicht.)
Und die berühmte cui-bono-Frage ist nur mit „England“ zu beantworten, weil Haushofer nun im Nürnberger Prozeß nicht mehr zugunsten Heß aussagen und über den Englandflug berichten konnte. Haushofer starb also absolut rechtzeitig. Selbst wenn also das Telex eine Fälschung sei, ein verzweifelter Selbstmord des Ehepaars ist unwahrscheinlicher als die Liquidierung durch die Geheimdienstagenten.
Aber auch bei der Frage der vermeintlichen Fälschungen lohnt es sich, gleich zweifach innezuhalten. Zum einen widerlegen die vermeintlichen Fälschungen in keiner Weise den wissenschaftlichen Grundbefund, daß es zahlreiche, umfangreiche und sehr detaillierte und konkrete Friedensangebote an Churchill gab und dieser sie alle abgelehnt hat.
Die Grundaussage, daß es wahrscheinlich ist, daß Heß mit einem Plan und mit Wissen Hitlers nach England flog, ist unverändert wahrscheinlicher als das Gegenteil. Die Kriegstreiberei Vansittarts (sein o. g. Memo an Eden wurde nicht als Fälschung “entlarvt”). Insofern müßte ich, selbst wenn die Fälschungen wirklich Fälschungen sein sollten, nichts revidieren, und die Politik der Vertuschung Londons muß unverändert konstatiert werden.
Zum anderen aber darf mit guten Gründen an den „Fälschungen“ gezweifelt werden. Nach dem Durchbrechen der Kette (die betreffenden Dokumente haben das Nationalarchiv verlassen und waren eine Woche bei einer privaten Institution, und welche Dokumente von dort wieder ins Archiv kamen, kann nicht mehr bewiesen werden) gibt es keinen wissenschaftlich (wie juristisch) klaren Beweis mehr, ob die „Fälschungen“ wirklich aus dem Nationalarchiv kamen oder in jener Woche überhaupt erst hergestellt und gegen die echten ausgetauscht wurden.
Wir haben hier unsere Hilfe angeboten: Mit hochauflösenden Film- und Photokameras aufgenommene Dokumente lassen wirklich jede Einzelheit erkennen. Von den Aufnahmen könnte man problemlos eine 18/1-Plakatwand erstellen. Und nun könnte man ja die von uns 2004 gemachten Bilder mit den jetzt als „Fälschungen“ entlarvten Dokumenten vergleichen.
Und wenn es da auch nur die geringste Abweichung gäbe, wären die 2004 im Archiv für den Film aufgenommenen Dokumente nicht dieselben, die jetzt dort liegen.
Das würde den Skandal komplettieren, denn dann hätte man den Beleg, daß die Dokumente ausgetauscht wurden, um die dann mit großem Tamtam als „Fälschungen“ entlarven zu können. Und um hier ganz auf Nummer sicher zugehen, bekamen wir für diesen Vergleich unsere Photos mit den jetzt dort liegen Dokumenten vom Archiv keine Besuchserlaubnis…
Das alles aber zeigt, daß es Fakten zu verbergen gibt, die selbst nach über 70 Jahren nicht an die Öffentlichkeit dürfen.
All das Gesagte erfüllt in den historischen Befunden natürlich den Tatbestand des „Revisionismus“, ebenfalls eines erheblichen Gedankenverbrechens. Auch hier lohnt sich ein kurzes (diesmal wissenschaftstheoretisches) Innehalten: (Geschichts-)Wissenschaft von morgen wird immer die von gestern und heute revidieren. Und so wird es durch neue Akten- und Dokumentenfunde seitens echter Wissenschaft neue Sichtweisen und Interpretationen geben können und geben müssen.
Wissenschaft ist damit eo ipso “revisionistisch”, sonst wäre sie keine Wissenschaft, sondern Dogmenverkündung. Die Erkenntnisse nach volkspädagogisch erwünschten und volkspädagogisch unerwünschten Fakten zu sortieren und die einen zu publizieren und die anderen zu verschweigen, mag politisch korrekt sein, ist aber in jedem Fall das Ende von Wissenschaft.
Aber keine Sorge, das tritt nicht ein, denn man kann eine solche Selektion zwar in Deutschland durchsetzen aber nicht weltweit. Insofern wird – Dank des Internets – jedermann auch in Deutschland an den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in anderen Ländern teilhaben können. (Nach den deutschen Ergebnissen einer PC-”Wissenschaft” zu sehen, würde sich bei einer konsequenten Unterwerfung unter die Political Correctness ohnehin nicht mehr lohnen.)
Wie Geschichtsdeutung sogar über die BRD hinaus herrscht, zeigen die Auswirkungen dessen, was sich nach Ende des Krieges im hochgelobten Nürnberger Tribunal abspielte. Angesichts der verübten Verbrechen auf allen Seiten, wäre es wichtig, diese auch beim Namen zu nennen.
In der Tat hat die Herausnahme der alliierten Verbrechen z. B. aus dem Nürnberger Prozeß genau dazu geführt, daß sich die Alliierten als von keiner Schuld getrübt betrachten – eine Haltung, die z. B. seitens der USA bis heute gilt und trotz zahlreicher Angriffskriege, zahlreicher, millionenfacher Kriegsverbrechen von 1945 bis heute wegen der Nichtanerkennung des Internationalen Gerichtshof US-Amerikaner aus jeder internationalen Strafverfolgung ausnimmt.
Die Botschaft wegen des Siegerrassismus’ à la Nürnberg an die Welt ist: Kriegsverbrechen kann man gefahrlos begehen, wenn man nur den Krieg gewinnt. Verurteilt und verfolgt werden nur die Verlierer.
Und so wird eben Saddam gehenkt, Milosevic vor Gericht gezerrt aber Bush und Blair gehen straffrei aus.
Insofern wollte und will die Geheimakte Heß natürlich die Geschichte nicht umschreiben, sondern nur auf den Umstand hinweisen, daß es vielleicht 1941 die Chance zum Frieden gegeben hat. Und angesichts der Opfer, die nach 1941 noch dem Krieg zum Opfer fielen, darf dieser Punkt durchaus Erwähnung finden – ohne in irgendeiner Form deutsche Schuld und deutsche Verbrechen zu bagatellisieren. Nur die Feststellung, daß an Churchills Händen eben auch millionenfach Blut klebt, sollte zu einer Standarterkenntnis der Historiographie werden.
Und schließlich gibt es den Opferrassismus als einen ebenfalls verwerflichen Aspekt des Rassismus’: Da in der Tat „jede Tötung eines Einzelnen“ Mord ist, sollten wir endlich aufhören, zwischen wertvollen und weniger wertvollen, ja wertlosen Opfern zu unterscheiden.
Die Verlogenheit von Nürnberg regiert mit grausamsten Auswirkungen bis in unsere Tage hinein. Wenn nämlich in einem Land Rohstoffe (insbesondere Öl) oder geostrategische Gründe vorliegen, müssen wirkliche oder vermeintliche Völkerrechtsverletzungen sofort geahndet werden. Da wird eben wie in Afghanistan ein ganzes Land mit Krieg überzogen, weil angeblich in irgendeiner Höhle ein Terrorist vermutet wird. (Niemand wäre auf die Idee gekommen, z. B. London zu bombardieren, hätte sich Bin Laden in der britischen Hauptstadt versteckt.)
Doch wenn in Afrika in einem wirtschaftlich oder strategisch uninteressanten Land ein Genozid stattfindet, ist das allenfalls eine Fußnote Wert, und das weitere Engagement wird humanitären NGOs überlassen.
Da mir in keinem Fall bei meinen historischen Filmen ein Fehler nachgewiesen werden konnte, wobei selbst das im Wissenschaftsbetrieb völlig normal wäre, da Erkenntnisse von gestern morgen überholt sein können, muß es möglich sein, Forschungsergebnisse in einem freiheitlichen Rechtsstaat unter dem Schutz der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit zu publizieren.
Forschungsergebnisse an das politische Postulat einer volkspädagogischen Erwünschtheit zu koppeln oder ihre Veröffentlichung davon abhängig zu machen, wem man auf die Zehen tritt oder wem man politisch nützen könnte, bedeutet einen Rückfall in Zeiten totalitärer Systeme und das Ende von Wissenschaftsfreiheit.
Das, was 2007 in den Medien in meinem Fall “abging”, erinnert in seinen Auswirkungen sehr an eine Beobachtung, die in solchen Fällen Alexandre de Tocqueville 1835, also vor über 170 Jahren machte und schrieb:
„In den demokratischen Republiken geht die Tyrannei anders zu Werk; sie geht unmittelbar auf den Geist los. Der Machthaber sagt hier nicht: “Du denkst wie ich, oder Du stirbst”; er sagt: “Du hast die Freiheit, nicht zu denken wie ich, aber von dem Tag an bist Du ein Fremder unter uns. Du wirst Deine Bürgerrechte behalten, aber es wird Dir nichts mehr nützen. Du wirst unter Menschen wohnen, aber Deine Rechte auf menschlichen Umgang verlieren.
Wenn Du Dich einem unter Deinesgleichen nähern willst, so wird er Dich fliehen wie einen Aussätzigen; sogar wer an Deine Unschuld glaubt, wird Dich verlassen, sonst meidet man auch ihn. Gehe hin in Frieden, ich lasse Dir das Leben, aber es ist schlimmer als der Tod.“
Die Auswirkungen des Diktats der Political Correctness auf den Wissenschaftsbetrieb in unserem Lande sind fatal: Ganze Themenfelder aus unterschiedlichsten Forschungsgebieten liegen brach und dürfen nicht mehr behandelt werden. Dabei geht es bei weitem nicht nur um die Zeitgeschichte, bei der z. B. das Thema Heß aber auch eine differenzierte Betrachtung der juristischen Besonderheit des Nürnberger Prozesses oder die hierzulande z.B. kaum diskutierte Frage der Bewertung und der Berechtigung des alliierten Bombenterrors oder die jüngst aufgekommene Diskussion um den Rußlandfeldzug 1941 und die Rolle Stalins dabei Gegenstände der Forschung sein können müßten.
Auch in zahlreichen anderen Forschungsgebieten (Intelligenzforschung, Hirnforschung mit der Determinationsproblematik, Demoskopie, Kriminalitätsforschung, Ausländerfragen etc., etc.) ist zunehmend sichergestellt, daß nur die politisch richtigen, also politisch korrekten Ergebnisse publiziert und bearbeitet werden und solche Themen, bei denen das nun beim besten Willen nicht funktioniert, erst gar nicht angegangen werden.
Das Ergebnis ist dann allerdings keine “linke Wissenschaft”, sondern gar keine Wissenschaft: Die Erde ist nun einmal keine Scheibe, auch wenn dieses Ergebnis auch schon einmal politisch unkorrekt war.
Daher: Natürlich behandeln meine Filme “heiße Eisen” – und leider führt das in einem zunehmend intoleranter gewordenen Land zu Repressionen. Doch vor Repressionen zu kuschen, ist nicht mein Ding. Wie sagte weiland ein anderer Querkopf und geistiges Vorbild: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“
Für einen Wissenschaftler in einem freien Land sollte es und muß es egal sein, wen seine wissenschaftlichen Erkenntnisse stören oder wem sie gefallen. Wissenschaft an sich ist dem Streben nach Erkenntnis und nach Wahrheit verpflichtet. Nach Beifall zu schielen oder vor Beifall Angst zu haben, ist das Ende von Wissenschaft.
„Volkspädagogisch unerwünschte Wahrheiten“ zu scheuen oder gar zu verschweigen, führt zu einer politisierten „Wissenschaft“, die zur Hure des jeweiligen politischen Systems wird. Eine solche Haltung ließe – so der immer wieder sofort erhobene Vorwurf – die Verantwortung des Wissenschaftlers außer acht.
Das ist Unsinn: Eine Verantwortung des Wissenschaftlers für Fakten, für die Wahrheit kann es nicht geben. Das wäre so, als wolle man denjenigen, der die Schwerkraft erstmals beschrieben hat für sämtliche seit dem erfolgten Unfälle aufgrund von Stürzen zur Verantwortung ziehen.
In meinem konkreten Fall: Wenn die Akten eine chauvinistische, deutsch- und damit ausländerfeindliche Einstellung britischer Spitzenpolitiker belegen und damit jede Chance auf ein Ende des Krieges 1941 belegen, dann kann ich das nicht ändern. Und dieses Faktum wird nicht aus der Welt geschaffen, wenn man es verschweigt – schon gar nicht im Internetzeitalter.
Ja, politisch habe ich mit meinem Film gegen Zeitgeist, Mainstream und PC verstoßen – dazu stehe ich. Ich weiß nicht, ob, wie mir oft vorgeworfen wurde, meinem Film eine Partei “Beifall gezollt” hat. Ich habe es nicht mitbekommen, und es interessiert mich ebensowenig, wie wenn eine andere Partei ob meines Filmes Schaum vor dem Mund bekommt.
Volkspädagogisch unerwünschte Wahrheiten darf man also nicht verbreiten. Soviel zur Freiheit der Wissenschaft unter dem Kuratel deutscher, bewährter Blockwartmentalität.
Nur sollen sich die, die heute in Deutschland wissenschaftlich Unbequeme mundtot machen, nicht wundern, daß wissenschaftliche Ergebnisse z. B. aus der Zeitspanne 1933-1945, die Teile des bisherigen Bildes modifizieren, neue Erkenntnisse bringen, die bisher weiße Westen beflecken, Verbrechen der anderen aufdecken oder kommunizieren (siehe z. B. die jüngste Katyndebatte in Polen durch den Film des großen Andrzej Wajda über den sowjetischen Massenmord an Tausenden von Polen oder siehe die jüngst von einem britischen Moralphilosophen “losgetretene” Debatte in UK um ein britisches Kriegsverbrechen größten Ausmaßes, nämlich die Beteiligung am Massenmord in Form des alliierten Bombenterrors gegen die deutsche Zivilbevölkerung) dazu führen, daß solche Themen in ganz besonderer Weise durch ihre Tabuisierung von der offiziellen Wissenschaft mit “falschem Beifall” versehen werden.
Grade weil die deutsche Wissenschaft PC-korrekte Lücken und weiße Felder hinterläßt, wird sich dann dort jeder ungestört und ungehindert tummeln können, die Lücken mit der eigenen Ideologie füllen und solche wissenschaftlichen Ergebnisse politisch ausschlachten und/oder mißbrauchen.
Die Tabuaufsteller und Faktenignoranten hierzulande arbeiten also direkt jenen politischen Kreisen in der BRD in die Hände, die sie am meisten verabscheuen, da sie ihnen als Konsequenz von politisch korrekter “Wissenschaft” auf diesen Feldern die alleinige Deutungsmacht überlassen. Anstatt also unbequeme Wissenschaftler und deren Themen politisch korrekt auszugrenzen, sollten diese Unbequemen lieber zum Wissenschaftsalltag gehören, die Aufgeregtheiten darüber einfach ignoriert und statt dessen dem unverändert weisen Grundsatz gefolgt werden: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“
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