D er Streit zwischen Ankara und Paris um das französische Völkermord-Gesetz droht zu eskalieren. Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat Frankreich des Genozids an den Algeriern beschuldigt – seine Antwort auf Frankreichs Vorwürfe, die Türkei habe zwischen 1915 und 1917 Völkermord an der armenischen Minderheit begangen. Ankara weist dies zurück und steht auf dem Standpunkt, dieser fast 100 Jahre zurückliegende Konflikt sei nur etwas für Historiker.
In der Bevölkerung allerdings sind die Meinungen geteilt – und nicht alle unterstützen Erdogans kompromisslose Haltung. “Ich denke nicht, dass ausländische Regierungen über die historischen Dokumente verfügen, die nötig wären, um sich eine unbeeinflusste Meinung zur Armenien-Frage zu bilden”, meint eine junge Frau in Istanbul. “Auf der anderen Seite glaube ich aber, dass unsere Regierung nicht genug tut, um diese Geschichte offenzulegen.” Und ein älterer Mann meint: “In unserem Land gibt es viele Armenier und wir haben jahrelang friedlich zusammengelebt. Aber damals, im Krieg, können schon einige Dinge passiert sein.”
Die türkische Regierung hat die bilateralen Beziehungen zu Frankreich bereits weitgehend auf Eis gelegt. Die militärische Zusammenarbeit wurde abgebrochen, die wirtschaftliche Kooperation eingeschränkt. Der türkische Botschafter Tahsin Burcuoglu verließ Paris am Freitag morgen auf unbestimmte Zeit.
Am Donnerstag hatte die französische Nationalversammlung einem Gesetz zugestimmt, das die Leugnung offiziell anerkannter Völkermorde unter Strafe stellt. Darunter fallen auch die Verbrechen an den Armeniern im Osmanischen Reich.