Warum der Zweite Weltkrieg mit Atompilzen endete

Washington wollte keinesfalls, dass die Sowjetunion diese Art Einfluss auch im Fernen Osten erhielte. Die Amerikaner standen an der Schwelle eines Sieges über Japan, ihren grossen Rivalen in diesem Teil der Welt.

- von RF  -

V on Jacques R. Pauwels - Am Montag, dem 6. August 1945, wurde um 8.15 Uhr von der “Enola Gay” einem US-Bomber des Typs B-29 – über Hiroshima die Atombombe “Little Boy” abgeworfen. Sie tötete etwa 80.000 Menschen sofort, und bis zum Ende des Jahres 1945 starben insgesamt 90.000 bis 140.000 Opfer an erlittenen Verletzungen und Strahlungsschäden.

Am 9. August 1945 um 11.02 Uhr war Nagasaki das Ziel des zweiten Atombombenabwurfs, den die Welt bisher erlebt hat. Die Bombe mit dem Spitznamen “Fat Man” zerstörte den Nordteil der Stadt und tötete etwa 40.000 Menschen sofort.
Die Gesamtzahl der Todesopfer stieg in den nächsten Monaten auf 73.884, weitere 74.909 Einwohner wurden verletzt; in den darauffolgenden Jahren erkrankten mehrere hunderttausend Menschen und starben an der radioaktiven Verstrahlung oder an Folgeerkrankungen.

Auf dem europäischen Kriegsschauplatz hatte der Zweite Weltkrieg Anfang Mai 1945 mit der Kapitulation Nazi-Deutschlands geendet (Anm. Red.: 1945 kapitulierte nicht Deutschland, sondern die deutsche Wehrmacht, das ist völkerrechtlich ein Unterschied).
Die “Grossen Drei” unter den Siegermächten – Grossbritannien, die USA und die Sowjetunion – standen nun vor dem komplizierten Problem, das Nachkriegs-Europa neu zu organisieren. Die USA waren ziemlich spät – erst im Dezember 1941 – in den Krieg eingetreten, und hatten ein knappes Jahr vor Ende der Feindseligkeiten – mit der Landung in der Normandie im Juni 1944 – eigentlich nur einen wichtigen militärischen Beitrag zum Sieg der Alliierten über Deutschland geleistet.
Als der Krieg gegen Deutschland endete, sass Washington jedoch unangefochten und selbstbewusst am Tisch der Sieger und war fest entschlossen, seine so genannten “Kriegsziele” durchzusetzen.

Weil die Sowjetunion die grössten Lasten getragen und die weitaus grössten Verluste in dem Konflikt mit dem gemeinsamen Nazi-Feind erlitten hatte, forderte sie bedeutende Reparationszahlungen von Deutschland und Sicherheit vor potenziellen künftigen Angriffen – durch die Einsetzung von Regierungen in Deutschland, Polen und anderen osteuropäischen Ländern, die den Sowjets nicht so feindlich gesinnt sein dürften, wie das vor dem Krieg der Fall war.

Moskau verlangte auch Entschädigung für die Landverluste, die es nach der Revolution und während des Bürgerkriegs hinnehmen musste. Ausserdem erwarteten die Sowjets, nach dem schrecklichen Martyrium des Krieges, den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft ungestört fortsetzen zu können.
Die Führungen der USA und Grossbritanniens kannten diese sowjetischen Ziele und hatten sie zum Beispiel auf den Konferenzen der “Grossen Drei” in Teheran und Jalta ausdrücklich oder stillschweigend als legitim anerkannt. Das bedeutete nicht, dass Washington und London begeistert darüber waren, dass die Sowjetunion ihre grossen Kriegsanstrengungen auch entsprechend belohnt sehen wollte; Moskau beschwor damit zweifellos einen Konflikt mit Washingtons eigenem Hauptziel herauf, nämlich der Schaffung einer “offenen Tür” für US-Exporte und Investitionen in Westeuropa, im besiegten Deutschland und natürlich auch in den anderen Ländern Mittel- und Osteuropas, die von der Sowjetunion befreit worden waren.

Auf jeden Fall hatten die führenden Politiker und Industriellen der USA – einschliesslich Harry Trumans, der Franklin D. Roosevelt im Frühjahr 1945 als Präsident nachfolgte – wenig Verständnis und noch weniger Sympathie für die elementarsten Erwartungen der Sowjets. Die US-Führung verabscheute den Gedanken, die Sowjetunion könnte beträchtliche Reparationen von Deutschland erhalten, weil ein solcher Aderlass Deutschland als äusserst gewinnbringenden Markt für US-Exporte und Investitionen ausgeblutet hätte.
Möglicherweise würden hohe Reparationen aus Deutschland die Sowjetunion auch in die Lage versetzen, ihr Projekt einer kommunistischen Gesellschaft als “Gegenmodell” zum internationalen kapitalistischen System, von dem die USA am meisten profitierten, erfolgreich weiterzuentwickeln.
Amerikas politische und wirtschaftliche Elite hatte zweifellos auch Angst, dass im Fall deutscher Reparationen die deutschen Zweigwerke der US-Konzerne Ford und General Motors (Opel), die während des Krieges gut an der Rüstungsproduktion für die Nazis verdient hatten, künftig für der Sowjets produzieren müssten, anstatt die US-Eigentümer und die US-Aktionäre zu bereichern.

In den Verhandlungen der “Grossen Drei” war der Abzug der Roten Armee aus Deutschland und Osteuropa offensichtlich nicht zu erreichen, wenn die sowjetischen Forderungen nach Schadensersatz und Sicherheit vor weiteren Überfällen nicht wenigstens teilweise erfüllt würden.
Am 25. April 1945 erfuhr Truman dann allerdings, dass die USA sehr bald über eine gewaltige neue Waffe, die Atombombe, verfügen würden. Der Besitz dieser Waffe eröffnete den USA alle möglichen, vorher undenkbaren, aber äusserst günstigen Perspektiven, und es ist kaum überraschend, dass der neue Präsident und seine Berater der Verführung erlagen, die der berühmte US-Historiker William Appleman Williams eine “Vision der Allmacht” genannt hat.
Es schien nun nicht mehr länger notwendig zu sein, sich auf langwierige Verhandlungen mit den Sowjets einzulassen: Truman dachte, dank der Atombombe sei es möglich, Stalin trotz früherer Abmachungen dazu zu zwingen, die Rote Armee aus Deutschland abzuziehen und ihm ein Mitspracherecht im Umgang mit Nachkriegs-Deutschland zu verweigern; er hoffte, auch in Polen und anderen osteuropäischen Staaten “pro-westliche” Regierungen installieren und sogar die Sowjetunion selbst für US-Investitionen öffnen und durch politischen und wirtschaftlichen Einfluss der USA diesen kommunistischen Ketzer an den Busen der universalen kapitalistischen Kirche zurückholen zu können.

Als Deutschland im Mai 1945 kapitulierte war die Bombe fast, aber noch nicht ganz fertig. Truman hat deshalb seine Zustimmung zum Besuch der Konferenz der “Grossen Drei” in Potsdam im Sommer 1945, auf der über das weitere Schicksal Europas nach dem Krieg entschieden werden sollte, so lange wie möglich hinausgezögert.
Der Präsident war informiert worden, dass die Bombe bis zum Beginn dieser Konferenz wahrscheinlich fertiggestellt sein werde, also als “Hammer” zu verwenden sei, den er, wie er selbst einmal gesagt hatte, „über den Köpfen der Boys im Kreml schwingen“ wollte.

Auf der Potsdam Konferenz, die vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 dauerte, erhielt Truman tatsächlich die lang erwartete Nachricht, die Atombombe sei am 16. Juli in New Mexiko erfolgreich getestet worden.
Ab diesem Zeitpunkt, hielt er sich nicht mehr damit auf, Stalin irgendwelche Vorschläge zu präsentieren, sondern stellte stattdessen selbst jeden Menge Forderungen; gleichzeitig wies er postwendend alle Vorschläge der Sowjets zurück – zum Beispiel deutsche Reparationszahlungen an die Sowjetunion und sonstige angemessene Forderungen, die auf früheren Vereinbarungen der Alliierten beruhten.

Stalin verweigerte allerdings das erhoffte Nachgeben, selbst als Truman ihn einzuschüchtern versuchte, indem er ihm unheilverkündend ins Ohr flüsterte, die USA verfügten jetzt über eine unglaublich wirkungsvolle neue Waffe.
Die sowjetische Sphinx, die sicher bereits über die amerikanische Atombombe informiert worden war, hörte nur eisern schweigend zu. Leicht verwirrt schloss Truman daraus, dass nur ein tatsächlicher Abwurf der Atombombe die Sowjets zum Nachgeben zwingen werde. Deshalb konnte in Potsdam auch keine Einigkeit erzielt werden.
Tatsächlich wurden dort auch keine substanziellen Entscheidungen getroffen. Der Historiker Gar Alperovitz schrieb dazu: „Das Hauptergebnis der Konferenz war die Feststellung, in wichtigen Fragen bis zu einer Folgekonferenz keine Übereinstimmung erzielen zu können.“

Inzwischen kämpften die Japaner im Fernen Osten weiter, obwohl auch ihre Situation völlig hoffnungslos war. Sie waren zwar bereit, sich zu ergeben, aber nur unter den Bedingung, dass ihrem Kaiser Hirohito Immunität gewährt würde.
Diese Bitte verstieß gegen die amerikanische Forderung nach einer bedingungslosen Kapitulation. Natürlich wäre es möglich gewesen, den Krieg auf der Grundlage des japanischen Vorschlages zu beenden. Auch die deutsche Kapitulation in Reims drei Monate vorher war ja nicht völlig bedingungslos erfolgt.
Die Amerikaner hatten auch einer deutschen Bedingung zugestimmt, nämlich das Inkrafttreten des Waffenstillstandes um 45 Stunden zu verzögern, um so vielen deutsche Armeeeinheiten wie möglich den geordneten Rückzug von der Ostfront zu ermöglichen, damit sie sich den Amerikanern oder den Briten ergeben konnten; viele dieser Einheiten wurden tatsächlich bereitgehalten – in Uniform, voll bewaffnet und unter dem Befehl ihrer eigenen Offiziere – um für einen erneuten Kampf gegen die Rote Armee zur Verfügung zu stehen, den Churchill, wie er nach dem Krieg zugab, tatsächlich gefordert hatte.

Verglichen damit war Tokios einzige Bedingung völlig unerheblich. Als die Japaner nämlich zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen worden waren, haben sich die Amerikaner überhaupt nicht um Hirohito gekümmert, und auf Washingtons Betreiben konnte er noch viele Jahrzehnte Kaiser bleiben.

Die Japaner glaubten, sich den Luxus dieser Bedingung zu ihrem Kapitulationsangebot leisten zu können, weil die Hauptmacht ihrer Landarmee noch intakt in China stand, wo sie den grössten Teil des Krieges verbracht hatte.
Tokio hatte geplant, diese Armee zur Verteidigung Japans einzusetzen und die Amerikaner somit ihren erwarteten Endsieg teuer bezahlen zu lassen. Dieser Plan würde aber nur aufgehen, wenn sich die Sowjetunion auch weiterhin aus dem Krieg im Fernen Osten heraushielte; ein Eintritt der Sowjetunion in den Krieg bände die japanischen Truppen aber unvermeidlich auf dem chinesischen Festland.
Die Neutralität der Sowjets hätte Tokio also einen kleinen Hoffnungsschimmer gelassen – zwar nicht auf einen Sieg, aber auf die Annahme ihrer Bedingung in Bezug auf den Kaiser. Deshalb zog sich der Krieg zwischen Japan und den USA immer noch in die Länge, weil die Sowjetunion noch nicht daran beteiligt war.
Bereits auf der Konferenz der “Grossen Drei” in Teheran im Jahr 1943 hatte Stalin versprochen, innerhalb von drei Monaten nach der Kapitulation Deutschlands auch Japan den Krieg zu erklären, und er hatte diese Absicht noch am 17. Juli 1945 in Potsdam bekräftigt. Deshalb rechnete Washington fest mit einem sowjetischen Angriff auf Japan bis Mitte August und wusste nur zu gut, dass die Situation der Japaner dann hoffnungslos war.
„Die Japse sind fertig, wenn das geschieht“, vertraute Truman seinem Tagebuch an und bezog sich damit auf den erwarteten Eintritt der Sowjets in den Krieg im Fernen Osten.

Ausserdem hatte die US-Navy Washington versichert, dass sie die Japaner auf jeden Fall daran hindern könnte, ihre Armee von China nach Japan zu schaffen, um das Heimatland gegen eine amerikanische Invasion zu verteidigen.
Da die US-Navy zweifellos auch dazu im Stande war, Japan durch eine Blockade in die Knie zu zwingen, war eine Invasion sogar noch nicht einmal notwendig.

USA Atombombenabwurf Hiroshima, Japan 1945

US-Kriegsverbrechen: Atombombenabwurf auf die Stadt Hiroshima, Japan 06. August 1945

Ohne den Import dringend benötigter Güter wie Nahrungsmittel und Treibstoff hätte Japan früher oder später auch eine bedingungslose Kapitulation annehmen müssen. Um den Krieg gegen Japan zu beenden, hatte Truman also mehrere sehr attraktive Optionen. Er hätte die bedeutungslose Kapitulationsbedingung der Japaner annehmen und ihrem Kaiser Immunität gewähren können; er hätte auch warten können, bis die Rote Armee die Japaner in China angriff und sie damit zu einer bedingungslosen Kapitulation zwang, oder er hätte Japan durch eine Seeblockade aushungern können, die Tokio früher oder später gezwungen hätte, um Frieden zu bitten.

Truman und seine Berater wählten jedoch keine dieser Optionen; statt dessen entschieden sie sich dafür, Japan mit der Atombombe den K.O.-Schlag zu versetzen.
Diese schicksalhafte Entscheidung, die Hunderttausende Menschen – hauptsächlich Frauen und Kinder – das Leben kostete, brachte den Amerikanern beträchtliche Vorteile. Zunächst bot die Bombe die Chance, Tokio zur Kapitulation zu zwingen, bevor die Sowjets in den Krieg in Asien eintraten; in diesem Fall hätte man Moskau auch kein Mitspracherecht in den kommenden Entscheidungen über die Behandlung Japans nach dem Krieg und über Territorien wie Korea und die Mandschurei einräumen müssen, die Japan besetzt hatte – auch nicht über den Fernen Osten und die pazifische Region im Allgemeinen.
Die USA hätten sich über die unangefochtene Vorherrschaft über diesen Teil der Welt freuen können, was unausgesprochen wohl auch das eigentliche Kriegsziel Washingtons im Konflikt mit Japan gewesen ist. Im Licht dieser Betrachtungen wurde die Strategie, Japan einfach zu blockieren, verworfen, weil die Kapitulation erst einige Zeit nach dem Eintritt der Sowjetunion in den Krieg erfolgt wäre.
Nach dem Krieg stellte das Strategische Bomberkommando der USA dann fest, dass „Japan sicher auch dann vor dem am 31. Dezember 1945 kapituliert hätte, wenn die Atombomben nicht gefallen wären“.

Die US-Führung wollte vermeiden, dass die Sowjets durch ihr Eingreifen in den Krieg im Fernen Osten den gleichen Vorteil erzielten, den sich die Yankees trotz ihres relativ späten Eintretens in den Krieg in Europa gesichert hatten, nämlich einen Platz am runden Tisch der Sieger, die dem besiegten Feind ihren Willen aufzwingen, sein Territorium in Besatzungszonen aufteilen, neue Grenzen ziehen, sozialökonomische und politische Nachkriegsstrukturen festlegen und dadurch selbst enorme Vorteile und grosses Prestige einheimsen konnten.

Washington wollte keinesfalls, dass die Sowjetunion diese Art Einfluss auch im Fernen Osten erhielte. Die Amerikaner standen an der Schwelle eines Sieges über Japan, ihren grossen Rivalen in diesem Teil der Welt. Sie waren nicht daran interessiert, sich einem neuen potenziellen Rivalen aufzuhalsen, dessen verabscheute kommunistische Ideologie ihnen durch das Übergreifen auf weitere asiatische Länder gefährlich werden konnte.
Durch den Abwurf der Atombomben hofften die Amerikaner, Japan sofort in die Knie zwingen und im Fernen Osten als alleiniger Sieger sofort an die Arbeit gehen zu können, ohne sich ihren Sieg durch unerwünschte sowjetische Eindringlinge schmälern zu lassen. Vom Einsatz der Atombombe erhoffte sich Washington einen zweiten wichtigen Vorteil.
Truman glaubte in Potsdam erkannt zu haben, dass Stalin nur mit einer machtvollen Demonstration dieser neuen Waffe zum Einlenken gezwungen werden konnte. Die atomare Zerstörung einer Stadt der “Japse” – am besten einer “jungfräulichen”, bisher nicht bombardierten, in der die angerichteten Schäden besonders eindrucksvoll wären – schien das geeignete Mittel zu sein, um die Sowjets einzuschüchtern und zu Zugeständnissen in Bezug auf Deutschland, Polen und den Rest Mittel- und Osteuropas zu zwingen.

Kurz bevor die Sowjets im Fernen Osten eingriffen, war die Atombombe einsatzbereit. Trotzdem kam der Atombombenabwurf auf Hiroshimas am 6. August 1945 zu spät, um die Sowjets noch davon abzuhalten, in den Krieg gegen Japan einzutreten.
Tokio warf nicht sofort das Handtuch, wie es die Amerikaner gehofft hatten, und am 8. August 1945 – genau drei Monate nach der deutschen Kapitulation in Berlin – erklärten die Sowjets Japan den Krieg. Am nächsten Tag, dem 9. August, griff die Rote Armee die japanischen Truppen im Norden Chinas an. Washington selbst hatte lange um das sowjetische Eingreifen gebeten, als aber dieses Eingreifen schliesslich erfolgte, waren Truman und seine Berater keineswegs begeistert darüber, dass Stalin Wort gehalten hatte.

Dass die japanische Regierung nicht sofort nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima mit der bedingungslosen Kapitulation reagierte, kann daran gelegen haben, dass sie die angerichteten grossen Zerstörungen nicht sofort als das Werk eines einzigen Flugzeuges mit einer einzigen Bombe erkannte.
Viele konventionelle Bombenangriffe hatten ähnlich katastrophale Folgen gehabt; die Luftangriffe mit Tausenden von Bombern auf der japanischen Hauptstadt am 9. und 10. März 1945 hatten zum Beispiel höhere Verluste verursacht, als der Abwurf der Atombombe auf Hiroshima. Deshalb dauerte es noch einige Tage, bis Japan zur bedingungslosen Kapitulation bereit war, und wegen dieser Verzögerung trat die UdSSR doch noch in den Krieg gegen Japan ein.
Washington reagierte äusserst ungeduldig: Am Tag nach der sowjetischen Kriegserklärung, am 9. August 1945, erfolgte deshalb der zweite Atombombenabwurf auf die Stadt Nagasaki. Ein ehemaliger amerikanischer Armeegeistlicher stellte später fest: „Ich bin der Meinung, dass einer der Gründe für den Abwurf der zweiten Bombe der grosse Zeitdruck war. Sie wollten die Japaner dazu bringen, zu kapitulieren, bevor die Russen auftauchten.“

Es ist nicht bekannt, ob der Geistliche wusste, dass unter den 75.000 Menschen, die in Nagasaki sofort “verbrannt, verkohlt und verdampft” sind, viele japanische Katholiken und eine unbekannte Anzahl von US-Kriegsgefangenen waren, über deren Anwesenheit das Oberkommando der Air Force vergeblich unterrichtet worden war.
Erst fünf Tage danach, am 14. August, waren die Japaner bereit, zu kapitulieren. Inzwischen konnte die Rote Armee zum grossen Ärger Trumans und seiner Berater beträchtliche Erfolge erzielen.

Deshalb hätten sich die Amerikaner eigentlich auch im Fernen Osten mit den Sowjets an den Verhandlungstisch setzen müssen. Oder doch nicht?
Truman stellte sicher, dass es nicht geschah, und ignorierte damit die Absprachen zur Zusammenarbeit der “Grossen Drei”, die für Europa getroffen worden waren. Bereits am 15. August 1945 wies Washington die Forderung Stalins nach eine sowjetischen Besatzungszone im Land der aufgehenden Sonne zurück. Und als am 2. September 1945 General MacArthur auf dem amerikanischen Schlachtschiff “Missouri” in der Bucht von Tokio offiziell die japanische Kapitulation entgegennahm, waren Vertreter der Sowjetunion und der anderen Verbündeten im Fernen Osten, zu denen neben Grossbritannien, Frankreich und Australien auch die Niederlande gehörten, nur als unbedeutende Anhängsel und Zuschauer anwesend.
Anders als Deutschland wurde Japan nicht in Besatzungszonen zerstückelt. Amerikas geschlagener Rivale wurde nur von US-Truppen besetzt, und der als amerikanischer “Vizekönig” in Tokio einziehende General MacArthur stellte sicher, dass – unabhängig von den Beiträgen, die andere Staaten zu dem gemeinsamen Sieg geleistet hatten – nur die USA im Nachkriegs-Japan das Sagen hatten.

Truman hätte vor 65 Jahren nicht die Atombombe einsetzen müssen, um Japan in die Knie zu zwingen, aber er hatte Gründe dafür.
Die Atombombe ermöglichte es den Amerikanern, Tokio zur bedingungslosen Kapitulation zu zwingen, die Sowjets aus dem Fernen Osten herauszuhalten und – was besonders wichtig war – dem Kreml auch in Europa Washingtons Willen aufzuzwingen.
Hiroshima und Nagasaki wurden aus diesen Gründen ausgelöscht, und viele US-Historiker begreifen das nur zu gut; Sean Dennis Cashman schrieb zum Beispiel:
„Im Lauf der Zeit haben viele Historiker erkannt, dass die Bombe vor allem aus politischen Gründen eingesetzt wurde … . Vannevar Bush, der Chef des American Center for Scientific Research (des Amerikanischen Zentrums für wissenschaftliche Forschung) stellte fest, die Bombe sei ‘damals auch deshalb abgeworfen worden, damit es am Ende des Krieges keine Notwendigkeit für irgendwelche Zugeständnisse an Russland gab’. 
Trumans Aussenminister James F. Byrnes bestritt niemals, die zu ihm zugeschriebene Äusserung, die Bombe sei eingesetzt worden, um der Sowjetunion die Macht der USA zu demonstrieren und um sie in Europa nachgiebiger zu machen.“

Truman selbst erklärte damals jedoch heuchlerisch, die zwei Atombomben seien abgeworfen worden, damit er „die Jungs früher nach Hause holen“, d.h. den Krieg ohne zusätzliche grosse Verluste auf US-Seite beenden konnte.
Diese Erklärung wurde von den US-Medien kritiklos verbreitet und entwickelte sich zu einem Mythos, den die Mehrheit der Historiker und der Medien der westlichen Welt bis heute propagieren.

Dass dieser Mythos, der übrigens auch dazu dient, potenzielle zukünftige Atomschläge auf Ziele im Iran und in Nordkorea zu rechtfertigen, noch sehr lebendig ist, konnte man am 6. und 9. August den wichtigsten Medien entnehmen.

Jacques R. Pauwels ist der Autor des Buches “The Myth of the Good War: America in the Second World War”, erschienen bei James Lorimer, Toronto, 2002.
Eine deutsche Übersetzung mit dem Titel “Der Mythos vom guten Krieg – Die USA und der 2. Weltkrieg” erschien 2006 bei PapyRossa, Köln.

RF/globalresearch – Übersetzung luftpost-kl.de

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