Die Rote Fahne ruft Beirat zum Parteibildungsprozess an

Unklarheit über politischen Kurs der PDS - Parteivorstand missachtet Beschlüsse des Dresdner Parteitags

- von RF  -

I n den vergangenen Monaten führten Die Rote Fahne und der Parteivorstand der PDS eine Korrespondenz bezüglich der Einbindung der Roten Fahne in eine erweiterte Medienstrategie für die künftige neue, gesamtdeutsche sozialistische Partei.
Nachfolgend dokumentieren wir die jüngsten Schreiben des PDS Parteivorstands und der Roten Fahne, in welchen die Abweichung der PDS von den eigenen Parteitagsbeschlüssen deutlich wird.
Diese widersprüchliche Haltung des PDS-Parteivorstands erzeugt Unklarheit bezüglich der tatsächlichen politischen Absichten der PDS, steht diese doch im Gegensatz zum öffentlich kommunizierten und auf dem Parteitag beschlossenen politischen Kurs der PDS.

Die Rote Fahne hat deshalb offiziell den Beirat zum Parteibildungs-prozess angerufen.

Da dieser Vorgang keineswegs nur die Rote Fahne betrifft, sondern vielmehr exemplarisch den derzeitigen Umgang der PDS mit der Linken im Lande dokumentiert, halten wir eine breite Diskussion zu diesem Thema – Beteiligung der demokratischen Linken und der Basis am Projekt der neuen Partei – für unerlässlich. Geht es letztlich doch um die Perspektiven für das neue Projekt der Linken in ihrer Gesamtheit.

Die Linke ist aufgerufen diese Thematisierung aus den isolierten Nischen lokaler Zusammenhänge herauszuführen und auf eine gemeinsame und koordinierte Ebene zu tragen.
Das Projekt der demokratischen neuen Linken muss das Projekt aller Sozialisten sein, muss unter breiter, demokratischer Beteiligung der Basis erfolgen, soll es sich vital und erfolgreich entwickeln können.
Die Linke, die Basis, wird sich in diesem Prozess aber nur dann nachhaltiges Gehör verschaffen und Einfluss geltend machen können, wenn sie diese Diskussion gemeinsam und koordiniert führt. Die Rote Fahne stellt hier den medialen Raum für eine solche Diskussion zur Verfügung.

 

Schreiben des Parteivorstands der Linkspartei.PDS
an Die Rote Fahne vom 18.01.2006

Die Linkspartei.PDS
Parteivorstand
Berlin, 18. Januar 2006

Lieber Stephan Steins,

ich möchte dir beiliegend ein Informationsmaterial zum jüngsten Bundesparteitag der Linkspartei.PDS übergeben. Dort ist auch über den Fortgang des Parteibildungsprozesses zwischen unserer Partei und der WASG beraten und beschlossen worden.
Beide Parteien stimmen darin überein, in den komplizierten Prozess des Zusammenwachsens zunächst keine weiteren Partner im Sinne von Parteien, Organisationen und dgl. einzubeziehen.
Insofern hat unser Dresdner Parteitag, der zu den zahlreichen Adressaten deines Offenen Briefes zählte, darauf auch eine Antwort gegeben.

Mit freundlichen Grüßen
Georg Fehst
Leiter der Bundesgeschäftsstelle

Anlage: Doppelheft DISPUT/Pressedienst 50/51 zum Dresdner Parteitag

 

Schreiben der Roten Fahne (Antwort)
an den Parteivorstand der PDS vom 20.01.2006

Die Rote Fahne
Berlin, 20. Januar 2006

Liebe Genossinnen & Genossen,

Georg Fehst schreibt in seiner Antwort des Parteivorstands: „Beide Parteien stimmen darin überein, in den komplizierten Prozess des Zusammenwachsens zunächst keine weiteren Partner im Sinne von Parteien, Organisationen und dgl. einzubeziehen.“

Die Rote Fahne ist aber keine Partei / Organisation / dgl. und auch nicht an eine solche gebunden. Die Rote Fahne ist ein Medienprojekt getragen durch Beiträge linker Intellektueller und für die gesamte demokratische Linke offen.
Die Diskussion um das Projekt einer neuen, gemeinsamen Linken wurde auch in der Roten Fahne bereits seit 15 Jahren geführt und der heutige politische Prozess um dieses Projekt ist das Ergebnis u.a. dieser Diskussion.

Die Rote Fahne definiert sich in diesem Kontext als ein Baustein in der Entwicklung einer mit dem Parteibildungsprozess korrespondierenden erweiterten Medienstrategie.

Daher bitte ich nochmals, unter Würdigung des realen Sachverhalts, um Beantwortung meiner Schreiben vom 09.12.05 und 20.12.05.

Das Schreiben des Parteivorstands der Linkspartei.PDS vom 18.01.06 wirft aber darüber hinaus einige für die Linke und für die Öffentlichkeit wichtige Fragen auf, denn es steht in krassem Widerspruch zu den durch die Linkspartei.PDS kommunizierten politischen Absichten und Projekte.

Wir alle, die demokratische Linke, sind uns darin einig, dass Stalinisten und ähnliche Sektierer und Dogmatiker kein Teil des Projekts einer neuen, gesamtdeutschen Linken Partei sein können. Insofern ist eine Abgrenzung nach dieser Richtung ein klares politisches Statement.

Eine Abgrenzung gegenüber der demokratischen Linken im Lande, ausserhalb der PDS, würde hingegen das ganze Projekt einer neuen, gesamtdeutschen Linken konterkarieren.

Was bliebe wäre allein eine umbenannte PDS plus die Gruppe um Oskar Lafontaine. Grosse Teile der Linken, der sozialen, demokratischen und emanzipatorischen Bewegungen und der Intellektuellen aus Kunst, Kultur und Publizistik blieben von diesem Projekt ausgesperrt, von einer „neuen, gemeinsamen, gesamtdeutschen Linken“ könnte dann keine Rede mehr sein.

In eurem Schreiben heisst es weiter: „Insofern hat unser Dresdner Parteitag … darauf auch eine Antwort gegeben.“
Stimmt, aber eine ganz andere, als in eurem Schreiben vermittelt. Insofern stimmt der Geist des Schreibens des Parteivorstands der Linkspartei.PDS vom 18.01.06 nicht überein mit der Beschlusslage des eigenen Parteitags.

Der Parteitag der Linkspartei.PDS am 10./11.12.2005 in Dresden hat u.a. folgendes beschlossen, Zitat:

„Für eine neue soziale Idee: Gemeinsam!
Beschluss der 3. Tagung des 9. Parteitages der Linkspartei.PDS

II. Die nächsten Aufgaben der Linkspartei.PDS
1. Bildung einer neuen Linkspartei voranbringen

Die Wählerinnen und Wähler haben bei ihrer Stimmabgabe für die Linkspartei bereits auf eine künftig vereinigte Linke gesetzt.

Darüber hinaus sind wir offen für weitere demokratische Linke Kräfte. Die durch alle Beteiligten eingebrachten politischen und kulturellen Erfahrungen werden uns bereichern und uns neue Horizonte im Denken und Handeln eröffnen.
Wir werden in diesem Prozess jene politische Kultur der Toleranz, der wechselseitigen Lernbereitschaft, der sachlichen Argumentation, des Zuhörens und der Priorität für das Gemeinsame entwickeln, die in der Geschichte der Linken häufig fehlte und die dem herrschenden Zeitgeist fremd ist.“

Lothar Bisky führt in der Presseerklärung der ersten gemeinsamen Beratungen der Steuerungsgruppe vom 12.01.2006 weiter aus:
“Diese Parteibildung wird ein Prozess mit unseren Mitgliedern und mit den weiteren Interessenten sein, weil wir sie brauchen.”

Euer Schreiben steht also in direktem Widerspruch zur Beschlusslage der Partei.

Im Beschluss des Parteitags zum “Kooperationsabkommen III” 5. wurde weiter festgelegt:

„Zur Begleitung des Parteibildungsprozesses bilden beide Parteien … einen Beirat, dem vorwiegend externe Vertreter/innen – zum Beispiel aus Wissenschaft, Kunst und Kultur – angehören.
Der Beirat soll den Parteibildungsprozess beratend begleiten, sowie im Konfliktfall angerufen werden können.“

Damit korrespondierend stelle ich hiermit den Antrag an den Parteivorstand der Linkspartei.PDS:

- Aufnahme meiner Person in diesen Beirat (ja ich bin so frei).

Den Beirat rufe ich hiermit offiziell wie folgt an:

Aufgrund des negativen Schreibens des Parteivorstands der Linkspartei.PDS vom 18.01.06, welches offenbar nicht im Einklang mit den Beschlüssen des Parteitags der Linkspartei.PDS vom 10./11.12.2005 in Dresden erfolgte, stelle ich an den Beirat folgenden Antrag:

- Befassung und weitere Anhörung durch den Beirat mit den Kooperationsvorschlägen der Roten Fahne bzw. ihres Herausgebers zur Medienarbeit und Erarbeitung einer Empfehlung zur Einbindung der Roten Fahne in die Medienstrategie der künftigen gemeinsamen linken Partei

Einer aussagekräftigen Antwort sehe ich bis 10.02.2006 entgegen.

Mit sozialistischem Gruss
Stephan Steins
Herausgeber

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