S echs von 100.000 Beschäftigte in Europa kommen im Jahr bei Arbeitsunfällen ums Leben.Verantwortlich dafür sind oft übersehene Materialschäden in industriellen Fertigungsprozessen.
Diese Schwachstellen zu entdecken,- das ist die Herausforderung, da sie meist unsichtbar für das menschliche Auge sind. Wie kann man also künftige Unfälle zuverlässig vermeiden? Das wollte euronews genauer wissen und begeben uns zuerst nach Madrid in Spanien.
Hier versuchen die Forscher gerade kleinste, nur wenige Millimeter große Materialfehler an dem Modell einer Düse aufzuspüren, die normalerweise in Kernreaktoren Verwendung findet. Die Düse kontrolliert darin die Kühlwasserzufuhr.
Dimos Liaptsis, Koordinator, Düsen-Inspektionsprojekt:
“Hier sieht man die Innenseite des Tanks, dahinter liegt der Nuklearreaktor. Diese Öffnung, die Düse müssen wir jetzt genauer untersuchen, weil diese Schweißnaht hier einige Fehler aufweißt. Die sind aber soo klein, das man sie mit bloßem Auge nicht sehen kann oder sie als Einschlüsse im Material verborgen liegen.”
Im norddeutschen Hamburg arbeiten Wissenschaftler eines anderen EU-Proojektes an ähnlichen Problemen: in dieser Werft müssen unsichtbare Materialfehler in wichtigen Schiffsbaustoffen sichtbar gemacht werden.
Uwe Ewert, Röntgen-Ingenieur, BAM:
“Hier sehen Sie einen sogenannten Finstabilizer, eine große Flosse, die in Fahrgastschiffen verwendet wird, um die Bewegungen auf hoher See zu reduzieren, damit die Reise für die Passagiere angenehmer wird.”
In Madrid glauben die Forscher derweil eine Lösung gefunden zu haben, wie sie IN die tieferen Stahlschichten des Düsenmodells hineinsehen können: mit Hilfe eines Ultraschall-Roboterarmes.
Dimos Liaptsis, Koordinator, Düsen-Inspektionsprojekt:
“Wir wollen einen Roboter dafür benutzen, weil die originale Düse, die wir später untersuchen wollen, hoch radioaktiv verstrahlt sein wird.”
Giannis Roditis, Mechaniker, CERETETH:
“Die Arbeiter brauchen nur 2-3 Minuten, um den Roboter an der Düse anzubringen. Danach können sie von Außen, aus dem Beobachtungsraum der automatischen Inspektion zusehen, ohne sich der Strahlung des Reaktors auszusetzen.”
Auf der Werft in Hamburg haben sie andere Probleme – und andere Lösungen. Die Techniker hier verwenden erstmals hochenergie Röntgenaufnahmen….um zu sehen, was sonst nicht zu sehen ist.
Uwe Ewert, Röntgen-Ingenieur, BAM:
“Die Frage ist, ob es hier irgendwelche Lufteinschlüsse geben könnte, im Inneren der Flosse. Luftblasen könnten später vielleicht einmal die Stabilität und die Funktion des Teils beeinträchtigen. Die Flosse könnte sogar brechen. Um diese Blasen also zu finden, machen wir eine 7,5-Elektrovolt Röntgenaufnahme davon.”
In Madrid schickt der Roboterarm unterdessen Ultraschall durch den Stahl. So können Materialschäden sofort erfasst und klassifiziert werden.
Dimos Liaptsis, Koordinator, Düsen-Inspektionsprojekt:
“Wenn wir diese Daten dann auswerten, können wir die vorhandenen Fehler identifizieren,- ob es sich dabei um Risse, Lufteinschlüsse oder andere Schäden handelt. Hier haben wir zum Beispiel einen Riss, der 21 mm hoch und 44 mm lang ist,- ein ganz schön großes Teil also! Diese Informationen geben wir dann an unsere Techniker weiter, die darüber zu entscheiden haben, was dann zu tun ist. Ob man ihn sofort reparieren muss oder noch bis zur nächsten Inspektion damit warten kann (und ihn beobachtet, ob er größer wird).”
In Hamburg zeigt man uns dagegen, wie das digitale Röntgenverfahren im praktischen Einsatz funktioniert. Hier wird nun die Flosse untersucht:
Uwe Ewert, Röntgen-Ingenieur, BAM:
“Wir senden jetzt Röntgenstrahlen durch den Finstabilizer. Auf der Rückseite befinden sich digitale Speicherplattensysteme – etwas komplett Neues auf dem Markt. Sie sind hochsensitiv, es dauert damit nicht mehr so lange, um ein klares Bild des geröngten Teils zu erhalten. Digitales Röntgen ist dabei viel effektiver als die klassische Röntgenfilm-Methode.”
Die Testergebnisse werden dann in Berlin von Wissenschaftlern ausgewertet. Die Bundesanstalt für Materialforschung half bei der Entwicklung des Röntgen-Prototypen. Ein weiterer Vorteil der Technik ist deren gute Umweltbilanz:
Subash Sood, CIT:
“Durch die Anwendung der digitalen Röntgen-Methode konnten wir den Einsatz von Chemikalien deutlich reduzieren, die das klassische Verfahren normalerweise mit sich bringt. Es gibt also dadurch keine größeren Umweltbelastungen mehr, als in normalen Büros, wo alle Daten elektronisch gespeichert werden.”
Beide Methoden wurden also erfolgreich getestet. Was aber denken die Kunden? In Madrid überwacht Carlos Gavilán die Inspektion der Düsenkomponente des Reaktors.
Carlos Julián Gavilán, Ingenieur, Iberdrola:
“Wir haben mit dieser Methode die Kontrolle unserer Reaktorteile verbessern können. Dadurch können wir auch realistischere Aussagen über die Lebensdauer zum Beispiel dieser Düsen machen.
Da auch die Installation des Roboters weit weniger Zeit in Anspruch nimmt, sind unsere Techniker auch kürzer der radioaktiven Strahlung ausgesetzt als bisher.”
Giannis Roditis, Mechaniker, CERETETH:
“Vielleicht können wir den Arbeitern die Installation bald komplett ersparen. Das wäre unser ultimatives Ziel.”
Auch der Direktor der Werft in Hamburg hat schon einige Ideen, wie man die digitale Röntgenmethode künftig noch einsetzen könnte:
Uwe Cohrs, General Direktor, BIS Werft:
“Nehmen wir zum Beispiel diesen Kran hier hinter uns. Früher konnte man nur Schäden an dessen Oberfläche entdecken. Nun, mit der digitalen Röntgenmethode können wir auch in sein Inneres hineinspähen um risse zu entdecken. Das ist ein großer Vorteil! Früher konnte man nur die Verschleißerscheinungen sehen.Dank der digitalen Röntgenmethode können wir solchen Schäden schon bei der Konstruktion vorbeugen. Diese Schäden vorherzusehen, kann hohe Wartungskosten einsparen helfen.”
All diese Entwicklungen sind den Ingenieuren zufolge erst Vorläufer künftiger Methoden, die uns erlauben werden, Dinge zu sehen, die bisher unsichtbar waren.
Und das, NOCH zuverlässiger und weitaus umweltfreundlicher.