D ie Ärzteorganisation IPPNW fordert die deutsche Bundesregierung auf, mäßigend auf den türkischen Ministerpräsidenten Erdoğan einzuwirken. Er sollte sicher stellen, dass ärztliches Personal ungehindert und ohne Strafandrohung verletzten Demonstranten Hilfe leisten kann.
Das Recht auf medizinische Versorgung ist ein elementares Grundrecht. Ärzte sind verpflichtet, Patienten ohne Ansehen der Person zu helfen. Ebenso stellen die brutalen polizeilichen Übergriffe einen gravierenden Eingriff in die Menschen- und Bürgerrechte dar.
Die Polizisten haben bei der Auseinandersetzung mit den Demonstranten Tränengasgeschosse gezielt auf die Köpfe der Menschen gerichtet und nicht etwa in die Luft geschossen. Teilweise schossen die Polizisten sogar mit Pistolen, wodurch ein Demonstrant in Ankara getötet wurde.
Seit den ersten Tagen der Demonstrationen, allen voran in Istanbul und Ankara, leisteten viele Ärzte, Medizinstudenten und Pflegepersonal freiwillig mobile medizinische Hilfe und organisierten provisorische Lazarette für verletzte Demonstranten. Sogar in einer Moschee nahe dem Dolmabahce-Palast, wo Demonstranten und medizinisches Personal Schutz gesucht hatten, entstand ein Lazarett.
In der Nacht des 12. Juni 2013 wurden um 3 Uhr fünf Tränengasgeschosse in ein Lazarett am Taksim-Platz geworfen, wo sich medizinisches Personal und zahlreiche Verletzte befanden. Auch das traditionsreiche deutsche Krankenhaus nahe dem Taksim-Platz blieb nicht von exzessiver Polizeigewalt und exzessivem Tränengaseinsatz verschont.
Es kam zu Festnamen vom Personal in den Lazaretten, u.a. Dr. Savas Cömlek und drei weiteren Krankenschwestern in Tarlabasi bei Taksim. Dr. Cömlek wurde zusammengeschlagen und dann freigelassen.
Das Gesundheitsministerium hat eine verwaltungstechnische Untersuchung gegen die bei den Demonstrationen helfenden Ärzte und das medizinische Personal eingeleitet. Die freiwilligen Helfer sollen bestraft werden.
Die Bedeutung der medizinischen Hilfe wird deutlich, wenn man sich das Ausmaß der Gewalt vor Augen führt: Nach Angaben der türkischen Ärztekammer wurden bei den Demonstrationen bis zum 17. Juni 2013 7.822 Menschen verletzt.
59 Menschen wurden schwer verletzt, 6 von ihnen schweben in Lebensgefahr, ausserdem verloren 11 Personen ein Auge. Vier Demonstranten wurden getötet und ein Polizist starb durch einen Sturz von einer Brücke. Nur 5% der Verletzten suchten medizinische Hilfe in den Krankenhäusern.
„Ärzte brauchen keine Erlaubnis um medizinische Hilfe zu leisten. Nicht die freiwilligen Kollegen, sondern das türkische Gesundheitsministerium muss sich verantworten, da es vor Ort keine ausreichende Hilfe bereitgestellt hat“, erklärt der IPPNW-Arzt Alper Öktem, der bis gestern in der Türkei war.
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