B lühende Landschaften hatte Helmut Kohl für die DDR prognostiziert, wenn nun denn endlich die marode DDR-Wirtschaft beseitigt worden wäre. Wie von vielen anderen Prognosen ist auch von dieser nicht so viel übrig geblieben. Das was sich in den Köpfen der Menschen aber festgefressen hat, ist das Bild einer ineffizienten und kaputten DDR-Wirtschaft, die dringend der Hilfe aus dem Westen bedurfte, um ein kapitalistischen System zu etablieren.
Die Wahrheit sah anders aus. Dr. Klaus Blessing, ehemaliger DDR-Industriestaatssekretär, und Katrin Rohnstock, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaftlerin, Publizistin, Autorin und Gründerin der Firma Rohnstock Biografien, sprechen über die Veruntreuung der Treuhand, von einem Ausverkauf einer anders strukturierten, aber durchaus leistungsfähigen Wirtschaft, denn das Kohl’sche Bild ist schief, ist westliche BRD-Propaganda.
Immer wieder ist über die DDR-Wirtschaft zu lesen, ohne den ‘Wendeherbst’ von 1989 wäre unweigerlich ihr baldiger Kollaps eingetreten. Nur wenige stellen diese seit mehr als 20 Jahren kolportierte These in Frage.
Die Anthologie „Was können wir aus der DDR-Wirtschaft lernen?“ rückt die wirklichen Verhältnisse in den Fokus. Wirtschaftstheoretiker wie Christa Luft und Klaus Blessing und Wirtschaftspraktiker, dazu gehören die in diesem Buch versammelten Kombinatsdirektoren, in deren Verantwortungen ehedem zehntausende Beschäftigte arbeiteten, berichten aus ihren Erfahrungen und zeigen die Realität in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit.
Die Fachleute aus der Praxis melden nicht nur begründete Zweifel an der medial kolportierten Kollaps-These an, sondern schildern mit viel Sachverstand, was auch heute noch aus diesem reichen Erfahrungsschatz zu lernen ist.
Dr. Blessing geht auch auf den humanistischen Anspruch einer sozialistischen Volkswirtschaft ein, ebenso wie auf Defizite des Models der zentralen DDR-Planwirtschaft.
Heute gilt es, aufbauend auf der Auswertung der gesammelten historischen Erfahrungen, über die Perspektive einer humanistischen, sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung neu nachzudenken.
Dabei dürfen die gesellschaftliche Macht- und Eigentumsfrage kein Tabu sein, so Dr. Klaus Blessing.
Dr. oec. Klaus Blessing, geb. 1936 in Liegnitz (Schlesien); Diplomwirtschaftler, Ingenieur, Dr. rer. oec.; von 1958 bis 1970 Ökonomische Funktionen in metallurgischen Betrieben der DDR; ab 1970 Abteilungsleiter und ab 1980 Staatssekretär im Ministerium für Erzbergbau, Metallurgie und Kali; 1986/90 Abteilungsleiter Maschinenbau/Metallurgie im ZK der SED.