D ie Obama-Regierung und der US-amerikanische Militär- und Geheimdienstapparat führen eine zunehmend aggressivere Kampagne zur Ergreifung von Edward Snowden. Gleichzeitig – und zweifellos aufgrund des zunehmenden Druckes von Washington – signalisieren die russischen Behörden immer deutlicher, dass ihnen daran liegt, den ehemaligen Mitarbeiter der National Security Agency vom internationalen Flughafen in Moskau abreisen zu lassen, wo er seit zwei Wochen festsitzt.
Snowdens Leben befindet sich in großer Gefahr. Je mehr von den verfassungswidrigen und illegalen Überwachungsaktivitäten ungeheuren Ausmaßes gegen sowohl die amerikanische als auch die weltweite Bevölkerung und ihre Regierungen, von Westeuropa bis Brasilien, enthüllt wird, desto stärker tritt auch der rachsüchtige Charakter der von Washington betriebenen weltweit ausufernden Menschenjagd auf Snowden hervor.
Mit ihrer sich über den ganzen Globus erstreckenden Einschüchterung und ihrem Gangstertum hat die Obama-Regierung nur die Überzeugung wachsen lassen, dass Edward Snowden unbedingt das Recht auf Asyl wegen politischer Verfolgung zusteht.
Unmissverständlich deutlich wurde dies, als in der vergangenen Woche das aus Moskau kommende Flugzeug des bolivianischen Präsidenten Evo Morales zur Landung gezwungen wurde, nachdem verschiedene europäische Mächte auf Geheiß der amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) tätig geworden waren.
Rational erklärt werden kann dieser außerordentliche Akt – gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung – nur damit, dass vermutet wurde, Snowden sei an Bord des Flugzeugs gewesen.
Es bleibt unklar, ob solche Vermutungen tatsächlich existierten, oder ob Washington entschied, an Morales, ein Exempel zu statuieren und damit an alle anderen Staatsoberhäupter ein Signal zu senden, sich diesen Schritt gut zu überlegen. Morales hatte gesagt, Snowden verdiene Asyl und Bolivien sei bereit, es ihm zu gewähren.
Eine Sache hingegen ist sicher: Wenn die US-Regierung bereit war, das Leben des bolivianischen Präsidenten aufs Spiel zu setzen, indem sie seinen Flug unterbrach, als sein Flugzeug sich in der Luft befand und das Benzin zur Neige ging, so ist sie offensichtlich willens, Snowden selbst zu töten, um seine Enthüllungen aufzuhalten.
Das politische Establishment der Vereinigten Staaten startete nach der empörenden Behandlung von Präsident Morales eine Droh- und Einschüchterungskampagne in der Sache Snowden gegen andere Regierungen.
Bei der Hetzjagd auf Snowden demonstrierten am Sonntag führende Vertreter beider Parteien in Interviews mit TV-Nachrichtensendern parteiübergreifende Einmütigkeit. Sie entfachten ein Säbelrasseln gen Lateinamerika, das die lange kriminelle Geschichte imperialistischer Aggression in dieser Region wieder anklingen ließ.
Der Kongressabgeordnete Mike Rogers, republikanischer Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, erklärte: „Das ist eine ernste Angelegenheit. Einige lateinamerikanische Staaten genießen bestimmte Handelsvorteile seitens die Vereinigten Staaten. Wir sollten uns das genauer anschauen und eine klare Botschaft aussenden, dass wir diese Verhaltensweisen nicht hinnehmen.“
Ähnlich äußerte sich Senator Robert Menendez, der demokratische Vorsitzende des Außenpolitischen Ausschusses des Senats, indem er drohte, dass die Gewährung von Asyl für Snowden durch irgend ein Land „dieses direkt gegen die Vereinigten Staaten positioniert, und sie sollten das wissen.“
Das Gangstertum der amerikanischen Regierung steht in krassem Gegensatz zu den prinzipientreuen Handlungen Snowdens. Im zweiten Teil eines Interviews mit Snowden, das vergangenen Monat aufgenommen und vom Guardian veröffentlicht wurde, erklärt der ehemalige NSA-Mitarbeiter sein Tun vom Standpunkt seiner persönlichen politischen Entwicklung.
Diese verlief vom anfänglichen Glauben an die “edle Gesinnung” der amerikanischen Selbsteinschätzung, “unterdrückte Völker weltweit zu befreien” hin zur Erkenntnis, dass „wir in Wirklichkeit die Öffentlichkeit in die Irre führen (…), um eine bestimmte Denkweise des globalen Bewusstseins herbeizuführen.“
Snowden sprach für Millionen Menschen weltweit, als er sagte: „Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alles was ich sage, alles was ich tue, alle, mit denen ich spreche, jeder Ausdruck von Kreativität oder Liebe oder Freundschaft, aufgezeichnet wird. Dies ist nicht das, was ich erreichen will, und auch nicht etwas, unter dem ich leben will.“
Weiter erklärte er, darauf gewartet zu haben, dass „unsere Führung die Exzesse des Staates korrigiere“, doch er „erkannte, dass das nicht geschieht.
Tatsächlich verschlimmern wir die Exzesse früherer Regierungen, machen diese immer schwerwiegender und greifen immer tiefer in die Privatsphäre ein, wobei niemand dem wirklich entgegentritt, um es aufzuhalten.“
Hier sind nicht nur die Gedanken eines einzelnen Menschen ausgedrückt, sondern vielmehr die Lebenserfahrung einer ganzen Generation, die politisch vor dem Hintergrund von Washingtons “weltweitem Krieg gegen den Terror” erwachsen wurde. Diese Generation erlebte mit, dass Angriffskriege gegen den Iran und Afghanistan entfesselt wurden, deren Opfer in die Millionen gehen.
Und sie erlebte, wie das Weiße Haus Folter anwandte und kriminelles Verhalten an den Tag legte.
Die Verbrechen, die unter der Bush-Regierung verübt wurden, wurden unter Obama nur noch gesteigert. Obama, der als vorgeblicher Hoffnungsträger antrat und Wandel versprach, verantwortet ein weltweit agierendes mörderisches Drohnenprogramm, massive Ausweitung illegaler Spionage und neuentfachte Aggressionskriege gegen Libyen und Syrien.
Die Folge ist, dass Millionen junger Menschen desillusioniert sind und in aktive Gegnerschaft sowohl zu den beiden Parteien des Big Business als auch zu der gesamten politischen und wirtschaftlichen Organisation in den Vereinigten Staaten getreten sind, deren Zweck in der Verteidigung der Interessen der Finanzoligarchie gegen die Interessen der arbeitenden Menschen besteht, der übergroßen Mehrheit der Bevölkerung.
Die Hysterie und Rachgier mit der die Menschenjagd auf Snowden betrieben wird, verrät eine tiefgehende Furcht innerhalb des herrschenden Establishments. Nicht nur Furcht vor Snowden, sondern vor einer weit größeren Anzahl von Arbeitern, Jugendlichen und Studenten, die seine Perspektive teilen.
Es sind gerade diese breiteren Schichten der Bevölkerung, bei denen Snowden die größte Unterstützung genießt, und die sein einziger echter Schutz sind. Dieser Schutz darf nicht den bürgerlichen nationalistischen Regierungen Lateinamerikas überlassen werden, die nach Mitteln Ausschau halten, sich mit dem US-Imperialismus zu arrangieren und die Interessen ihrer eigenen herrschenden Klasse zu stärken, und auch nicht Wladimir Putins korruptem Moskauer Regime der russischen Oligarchie.
Die Arbeiterklasse der Vereinigten Staaten und jeden anderen Landes stellt die einzige authentische Bevölkerungsgruppe dar, die demokratische Rechte verteidigt.
Nur sie kann eine wirkungsvolle Opposition gegen die Polizeistaatsmethoden entfalten, die von den wohlhabenden herrschenden Schichten in den USA und weltweit mit offenen Armen begrüßt werden, um ein System zu verteidigen, das sich durch extreme soziale Ungleichheit, wirtschaftliche Ausbeutung und politische Unterdrückung kennzeichnet.
Es ist erforderlich, unter der Losung “Hände weg von Edward Snowden!” die Unterstützung der Massen in Betrieben, Schulen und in Wohnvierteln in den Vereinigten Staaten und auf der ganzen Welt zu mobilisieren.
Seine Verteidigung muss in Zusammenhang mit derjenigen von Bradley Manning und Julian Assange gebracht werden, die wie er staatlicher Verfolgung ausgesetzt sind, weil sie die Verbrechen des US-Imperialismus enthüllt haben.
Diese Verteidigung muss zur Sturmspitze für die Verteidigung demokratischer Rechte werden und sich gegen das kapitalistische Profitsystem wenden, das Kriege und die Gefahr von Diktaturen hervorruft.
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