M it seinem Urteil vom 23.05.2013 unter dem Az. B 4 AS 67/12 R fällte das Bundessozialgericht (BSG) ein sehr wichtiges Urteil für Bedarfsgemeinschaften, in denen mindestens eine Person von einer Hartz IV-Sanktion betroffen ist. In seiner Entscheidung schloss das BSG die Mithaftung der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für das Fehlverhalten eines Angehörigen aus.
Damit muss das Jobcenter die – aufgrund einer hundertprozentigen Sanktion eines Mitglieds – weggefallenen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für den Rest der Bedarfsgemeinschaft übernehmen.
Im vorliegenden Streitfall besteht die Bedarfsgemeinschaft aus einer Mutter und ihren beiden, 1994 und 1987 geborenen, Söhnen. Zusammen mit ihrem jüngeren Sohn klagte die Mutter gegen das Jobcenter Düsseldorf auf Übernahme der KdU in voller Höhe.
Hintergrund ist eine Totalsanktion gegen den den älteren Sohn D. Der damals 22-Jährige weigerte sich wiederholt, an einer Weiterbildungsmaßnahme teilzunehmen. Da unter 25-Jährige eine Sonderstellung im SGB II haben, hatte das Jobcenter eine Sanktion von 100% ausgesprochen – sowohl für den Regelsatz als auch die Unterkunftskosten.
Das Amt legitimierte diese Leistungskürzungen mit § 31 Abs. 5 SGB II a.F., der bei wiederholten Pflichtverstößen einen vollständigen Entzug der Leistungen vorsah.
Höhere KdU durch dreimonatige “Totalsanktion”
Für einen dreimonatigen Zeitraum vom 01. Februar bis 30. April entzog das Amt D. die Leistungen vollständig. Gleichzeitig hatte es für die Bedarfsgemeinschaft einen neuen Bewilligungsbescheid erlassen und die KdU nach dem “Kopfteilprinzip” mit 175,50 Euro (1/3 von 526,50) festgesetzt.
Den Anteil für D, der selbst keinen Widerspruch gegen die Hartz IV-Sanktionen erhob, setzte das Jobcenter auf 0,00 Euro fest.
Wegen der weggefallenen Kostenübernahme legte die Mutter Widerspruch ein, zumal sie ihren Sohn nicht dazu bewegen konnte, selbst gegen die Leistungskürzungen vorzugehen. Diesen Widerspruch lehnte die Behörde ab mit der Begründung, dass die verhängten Sanktionen wegen wiederholter Pflichtverletzungen rechtlich nicht zu beanstanden seien.
Der Entzug auch der KdU sei nach Ansicht des Leistungsträgers rechtmäßig.
Nach fruchtlosem Widerspruch bekam die Mutter vor dem Sozialgericht Düsseldorf (Az. 25 AS 258/10) Recht. Auch im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az. L 6 AS 1589/10) bestätigten die Richter die Auffassung der Klägerin, dass der Rest der Bedarfsgemeinschaft nicht durch die Sanktionen eines Mitglieds bestraft werden können und verurteilten das Jobcenter zur Übernahme der Kosten von monatlich 175,50 Euro für den genannten Zeitraum.
Keine Mithaftung für Fehlverhalten anderer Mitglieder der BG
Das Bundessozialgericht hat die Meinung der Vorinstanzen im Revisionsverfahren bestätigt und den beiden Klägern jeweils 87,75 Euro höhere Kosten der Unterkunft und Heizung zugesprochen, da sich infolge des sanktionsbedingten Wegfalls des Anteils für D die tatsächlichen KdU erhöht haben.
Auch wenn der SGB-II Träger begründet, dass damit das Ziel der Sanktion teilweise ins Leere laufen würde, hätte dies keine Auswirkungen auf die Individualansprüche der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft.
„Zwar ist für den Regelfall davon auszugehen, dass die KdU unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen sind. Dies gilt jedoch ‑ trotz gemeinsamer Nutzung einer Wohnung ‑ ausnahmsweise nicht, wenn bedarfsbezogene Gründe eine Abweichung vom Kopfteilprinzip erforderlich machen“, so die Sozialrichter.
Damit stellte der 4. Senat des BSG klar, dass das SGB II keine faktische “Mithaftung” für ein nach dem Gesetz sanktioniertes Fehlverhalten des volljährigen Kindes vorsieht.
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