E in “Kunde” des Jobcenter Landkreis Harz musste – wie die Hartz IV-Plattform erfuhr – letzte Woche Strafanzeige gegen eine Mitarbeiterin der “Rechtsstelle” der Kommunale Beschäftigungsagentur Landkreis Harz erstatten wegen des Verstoßes gegen die „Verletzung von Privatgeheimnissen“ und „Übler Nachrede“.
Gleichzeitig reichte er Eilklage beim Sozialgericht ein wegen Verletzung des „Sozialgeheimnisses“ und des „Schutzes der Sozialdaten“.
Der Kleinunternehmer, der überbrückend aufstockt, erlebt gerade das, was es nach vollmundigen Bekundungen von Politik und Bundesagentur für Arbeit eigentlich überhaupt nicht gibt: eine öffentliche, ungeschützte Verbreitung von Sozialdaten durch die Hartz IV-Behörde.
Im Rahmen massiver Schikanen – die das offensichtliche Ziel haben, seine mehr als 20-jährige Selbständigkeit zur Strecke zu bringen – schickte ihm jetzt eine Mitarbeiterin der “Rechtsstelle” der „Eigenbetrieb Kommunale Beschäftigungsagentur Jobcenter Landkreis Harz“ (KoBa) im Rahmen eines Gerichtsverfahrens den vollständigen, nicht anonymisierten Wortlaut eines Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg mit namentlicher Nennung der in der Region und ihm selber als seine Kunden bekannten Kläger sowie der Information, dass diese „Leistungen nach dem SGB II (…) ergänzend zu den Einnahmen bezogen“.
Damit machte die KoBa-Mitarbeiterin öffentlich, was sie nach Grundgesetz, Sozialgesetz und Strafgesetz als persönliche Daten hätte schützen müssen.
Der Betroffene hat in der Nach-Wende-Zeit – als in seiner Region in Sachsen-Anhalt alles zusammenbrach – seit Anfang der Neunziger ein existenzsicherndes kleines Dienstleistungsunternehmen mit mittlerweile grossem Kundenstamm aufgebaut.
Nach guten Jahren folgten mit der Finanzkrise leichte Umsatzrückgänge. Die wurden durch Aufstockung beim Jobcenter überbrückt, um die Firma zu erhalten.
Und genau in dem Moment, wo aktuell die Geschäftsentwicklung mit 14%iger Gewinnsteigerung wieder aussichtsreichen Aufwind spürt, unternimmt das Jobcenter Quedlinburg jetzt alle Anstrengungen, um den über 60-Jährigen per Eingliederungsvereinbarung zur Aufgabe seines Unternehmens und zu Bewerbungen auf dem Arbeitsmarkt zu verpflichten.
Bei diesem Ziel des Jobcenters scheint offensichtlich nicht einmal Geld eine Rolle zu spielen. Denn der Unternehmer würde selbst bei weniger guter Geschäftsentwicklung durch den Erhalt seiner Firma mit Renteneintritt in drei Jahren, den Steuerzahler endgültig von Leistungen befreien können.
Rente und kleiner selbständiger Zuverdienst könnten seine Familie im Ruhestand ausreichend ernähren. Zwar hat er dem Jobcenter genau vorgerechnet, dass bis zum Renteneintritt höchstens noch Aufstockungsleistungen von 31.398,32 Euro anfallen würden – während bei Zerstörung der Selbständigkeit und damit zwangsweise lebenslangem Leistungsbezug voraussichtlich 156.668,40 Euro auf den Steuerzahler zukämen.
Doch der viel zitierte „sparsame Umgang mit Steuergeldern“ scheint selbst angesichts der damit möglichen Einsparsumme von 125.270 Euro die Behörde nicht zu interessieren.
Inzwischen werden dem Unternehmer sogar Sanktionen angedroht, weil er alle Arbeitskraft in seine Firma stecken und die Gesellschaft nicht mit Dauer-Leistungsbezug belasten will.
Selbst vor mutmaßlich strafbewährten Handlungen gegen die Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB) sowie ausdrücklichen Verstößen gegen den Schutz von Sozialgeheimnis und Sozialdaten des Sozialgesetzbuchs (§ 35 SGB I i.V.m. §§ 67 und 67b SGB X) scheint die Behörde nicht zurückzuschrecken.
Auch die jüngste unmissverständliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zugunsten des Sozialdatenschutzes (B 14 AS 65/11 R, 25. Januar 2012) scheint ihr egal.
Denn um seine Firma schliesslich doch zu Fall zu bringen, wurde dem Unternehmer im Rahmen eines Sozialgerichtsverfahrens als Beweis gegen sein Anliegen – seine Firma weiterführen zu können – ein Sozialgerichtsbeschluss im vollen Wortlaut und ohne Anonymisierung der Namen der Kläger zugestellt.
Dieser Verstoß gegen den Schutz der Sozialdaten Dritter ist umso schwerwiegender als es sich bei den Klägern um seine Kunden aus einem Nachbarort handelt, die ihm dies aus guten Gründen bislang nicht offenbart haben.
Wie die Hartz4-Plattform erfuhr, war das Jobcenter Landkreis Harz auch gegenüber „anderen nicht eben zimperlich bei der Wahl seiner Methoden, um Selbständige platt zu machen“.
Es wurde berichtet von Aufforderungen, Leistungsverzicht-Erklärungen zu unterschreiben. Ebenso war zu hören, dass ein vom Jobcenter beauftragtes Coaching-Unternehmen mal eben mit nicht offen gelegten Zahlen den Leistungsbedarf gegen Null gerechnet haben soll.
Dorthin vom Jobcenter mit Eingliederungsvereinbarung Zwangsverpflichtete berichteten wiederholt, dass sie auch keinerlei unternehmerische Anregungen erhielten, sondern ihnen lediglich entweder die Unternehmensaufgabe oder ein Leistungsverzicht nahe gelegt worden wäre.
Wie zu erfahren war, arbeitet das Jobcenter Landkreis Harz aufs engste mit dieser Coaching-Beraterin zusammen – und verweigert gleichzeitig beharrlich Nachweise zu liefern über deren zahlreich angezweifelte Qualifikation.
Der Hartz4-Plattform entsteht so der Eindruck, dass das Gefühl zahlreicher Kunden dieser Beraterin nicht täuscht, ihr Einsatz könne alleine dem Zweck dienen, Selbständige “platt zu machen”.
Auch bei Terminen mit Mitarbeiter des Jobcenters hatten viele um ihre Existenz kämpfende Kleinunternehmer mit geringen Aufstockungsleistungen das Gefühl, dass mutmaßlich ihre angebliche Konkurrenz zu anderen örtlichen Anbietern der Behörde nicht ins Konzept passe.
„Dass dafür das Jobcenter nicht einmal vor mutmaßlichem Konflikt mit dem Strafgesetzbuch zurückschreckt, empfinden wir als zutiefst erschreckenden Skandal“, so Hartz4-Plattform-Sprecherin Brigitte Vallenthin.
„Wir erwarten deshalb, dass die Behörde hier lückenlos aufklärt. Bleibt nur zu hoffen, dass es sich nur um einen Einzelfall handelt und die Leitung der KoBa diesen Rechtsbrüchen im eigenen Hause einen deutlichen Riegel vorschiebt.“