A ls der Erstsemestler Wang Xiaoyan an der Beijing Communication University of China ankommt, trägt er einen kleinen Koffer. Er reiht sich in eine lange Warteschlange ein, um auf das Willkommenspaket mit Waren des täglichen Bedarfs und Unterstützung der Universität zu warten.
Einer seiner künftigen Kollegen, Zhu Ling, steigt in der Zwischenzeit aus seinem Mercedes-Benz und beauftragt drei Träger damit, seine insgesamt 12 Koffer in das Studentenwohnheim zu tragen.
Solche Szenen sind in den letzten Tagen zu einem vertrauten Bild geworden und die neuen und zurückkehrenden Studenten spiegeln die soziale Wirklichkeit in China wider.
Die Interviews, welche die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua mit jungen Studenten in der chinesischen Hauptstadt Beijing führte, verdeutlichen den eklatanten Kontrast zwischen den wirtschaftlichen Situationen verschiedener sozialer Schichten.
Es gilt als unwahrscheinlich, dass sich dies während der Studienzeit ändert, denn ein Studium kostet viel Geld.
Nach einer Studie, die 2011 unter 1.700 Studenten durchgeführt wurde, geben die meisten Studierenden zwischen 800 und 1.200 Yuan (100-150 Euro) pro Monat aus.
Chen Zhijian, ein Student an der Renmin University of China in Beijing sagte, einer seiner besser situierten Freunde hätte ihn zu einem französischen Buffet eingeladen, das 1.000 Yuan pro Person kostete.
Seit Jahren konstatieren Untersuchungen immer grössere Unterschiede im Budget der Studenten, die von 300 bis 10.000 Yuan schwanken. Die Schere zwischen den Einkommen bei armen und reichen Chinesen ist in den letzten Dekaden deutlich auseinander gegangen.
Die wirtschaftlichen Unterschiede auf dem Campus sind nur die Reflexion eines weit grösseres Phänomens der heutigen Gesellschaft, sagt Zheng Lu, Professor für Soziologie an der Tsinghua University. Er fügt hinzu, dass der Mangel an finanzieller Unabhängigkeit unter chinesischen Studenten oft bereits in der Familie liegt:
„US-amerikanische Eltern legen grossen Wert darauf, dass ihre Kinder so rasch wie möglich unabhängig werden. Chinesische Eltern ziehen es vor, ihre Kinder am eigenen Einkommen teilhaben zu lassen, so lange sie in der Schule sind.“
Fang Li, die an der China University of Geosciences studiert, sagte, obwohl die Mädchen in ihrem Wohnheim höchst unterschiedliche soziale Hintergründe vorweisen würden, kämen sie gut miteinander aus: „Bei Geburtstagsfeiern laden uns die Mädchen aus reicheren Familien zu einem Essen ein, während die ärmeren selbst ein grosses Festmahl kochen. Wir freuen uns über beides!“
Eine andere Studentin, die ihren Namen nicht nennen möchte, gab an, Studenten aus privilegierten Familien hätten einen besseren Zugang zu höheren sozialen Kreisen und besseren Lebensbedingungen, aber ihr wahrer Vorteil sei vor allem finanzielle Selbständigkeit und dadurch eine grössere mentale Stärke, um Schwierigkeiten zu bewältigen.
Chinesische Universitäten haben daher Programme ausgearbeitet, um den weniger privilegierten Studenten finanzielle Hilfe zu gewähren. Chinesische Studenten bekamen im Jahr 2011 knapp 98,6 Milliarden Yuan an Unterstützungen, wie das Ministeriums für Bildung betont.
Ob diese Maßnahmen ausreichen, den wachsenden Klassenunterschied im kapitalistischen China auszugleichen, darf bezweifelt werden. Immer stärker bildet sich eine superreiche Bourgeoisie heraus, während breite Teile der Gesellschaft eine erhebliche soziale Deklassierung erfahren.