D er Neokolonialismus der Vereinigten Staaten von Amerika unterscheidet sich in vielfacher Beziehung nicht besonders vom alten europäischen Kolonialismus. Das Ziel der US-amerikanischen Politik in Afrika ist es, afrikanische Staaten zu schwarzen Gunga-Dins zu machen, welche „in den kommenden kolonialen Kriegen gegen Afrika für die Interessen des Westens kämpfen und sterben“.
Das Afrika-Kommando der USA hat bereits immensen Einfluss auf afrikanische Militärs. Vierzehn grössere gemeinsame militärische Übungen zwischen AFRICOM und afrikanischen Staaten sollen heuer noch stattfinden.
„Die Mächte des Westens greifen zu militärischer Gewalt, um den Einfluss zurückzugewinnen, den sie seinerzeit durch das finanzielle Monopol errungen hatten.
Je weniger sie von uns sehen, desto weniger werden sie uns ablehnen.” Das sagte Frederick Roberts, britischer General im Anglo-Afghanischen Krieg 1878-80, in dem er eine Politik in die Wege leitete, welche afghanische Anführer kooptierte, um die Kontrolle über ihre Leute im Interesse des Empires auszuüben.
„Indirekte Herrschaft“, wie das genannt wurde, wurde lange als Angelpunkt des britischen imperialen Erfolgs betrachtet und riesige Landstriche dieses Reichs wurden nicht von britischen Soldaten erobert, sondern von Soldaten, die anderswo im Empire rekrutiert worden waren.
Es wurde immer gehofft, dass die dreckige Arbeit der imperialen Herrschaft geleistet werden konnte, ohne zu viel Blut des weissen Mannes zu vergiessen.
Das ist eine Lektion, die in den letzten Jahren wieder gelernt wurde. Die ständig steigenden westlichen Opfer in Irak und Afghanistan haben die Politiker daran erinnert, dass koloniale Kriege, in denen ihre eigenen Soldaten getötet werden, ihnen zuhause keine Popularität bringen.
In beiden Fällen hofft man, die Soldaten der USA und des Vereinigten Königreichs sicher abziehen zu können und eine Stellvertretermacht von Alliierten zurückzulassen, die die Gegner des neuen Regimes in unserem Interesse tötet.
Und so soll es auch in Afrika sein.
Um ihrem schwindenden Einfluss auf dem Kontinent angesichts wachsender steigender chinesischer Investitionen wieder Geltung zu verschaffen, gründeten die USA im Oktober 2008 AFRICOM – das Afrika-Kommando des Militärs der USA.
AFRICOM koordiniert alle militärischen Aktivitäten der Vereinigten Staaten von Amerika in Afrika und, laut seinem Gründungsstatut, „wirkt mit bei der Steigerung von Sicherheit und Stabilität in Afrika – indem es afrikanischen Staaten und regionalen Organisationen gestattet, die Demokratie zu fördern, die Entwicklung auszuweiten, für ihre gemeinsame Verteidigung zu sorgen und ihren Völkern besser zu dienen“.
„Es wurde immer gehofft, dass die dreckige Arbeit der imperialen Herrschaft geleistet werden konnte, ohne zu viel Blut des weissen Mannes zu vergiessen.“
Wie auch immer, in unbewachten Situationen waren Funktionäre gesprächiger: Vizeadmiral Robert Moeller erklärte 2008 auf einer Konferenz, dass AFRICOM dazu da sei, „den freien Fluss natürlicher Ressourcen von Afrika auf den globalen Markt“ sicher zu stellen, und zwei Jahre später schrieb er in einem Artikel in Foreign Policy Magazine:
„Niemand soll sich täuschen. AFRICOM hat die Aufgabe, amerikanisches Leben zu schützen und amerikanische Interessen zu fördern.“
Durch diese Organisation greifen Mächte des Westens zu militärischer Gewalt, um die Vorteile zurückzugewinnen, die sie seinerzeit durch das finanzielle Monopol errungen hatten.
Die kleine Anzahl des US-Personals, das für AFRICOM arbeitet – etwa 2.000 – täuscht in Hinblick auf die Zielsetzungen des Projekts und die Bedrohung, die es für wirkliche afrikanische Unabhängigkeit darstellt.
Wieder einmal geht man von der Vorstellung aus, dass es nicht Streitkräfte der USA oder Europas sein werden, die für die Interessen des Westens in den kommenden Kolonialkriegen gegen Afrika kämpfen und sterben werden, sondern Afrikaner. Die US-Soldaten, die bei AFRICOM Dienst machen, sind nicht dort, um zu kämpfen, sondern um zu führen; die grosse Hoffnung besteht, dass die Streitkräfte der Afrikanischen Union in eine Befehlskette unter der Führung von AFRICOM eingegliedert werden können.
Libyen war ein Test. Der erste Krieg, der unter dem Befehl von AFRICOM stand, erwies sich als bemerkenswert erfolgreich – eine bedeutende regionale Macht wurde zerstört ohne den Verlust eines einzigen US-amerikanischen oder europäischen Soldaten.
Die Bedeutung dieses Krieges für AFRICOM ging allerdings viel tiefer, denn durch die Ausschaltung Muammar Gaddafis eliminierte AFRICOM den entschiedensten Gegner des Projekts.
„Die grosse Hoffnung besteht, dass die Streitkräfte der Afrikanischen Union in eine Befehlskette unter der Führung von AFRICOM eingegliedert werden können.“
Gaddafi endete sein politisches Leben als ein entschiedener Pan-Afrikaner und was immer man von dem Mann hielt, so ist es klar, dass seine Vision von Afrika ganz anders war als die des untergeordneten Versorgers mit billigen Arbeitskräften und Rohstoffen, den beizubehalten AFRICOM geschaffen wurde.
Er war nicht nur die treibende Kraft hinter der Schaffung der Afrikanischen Union 2002, sondern diente dieser als gewählter Vorsitzender und machte Libyen zu ihrem grössten Geldgeber.
Zum Missbehagen einiger seiner afrikanischen Kollegen benutzte er seine Zeit als Vorsitzender, um für „Vereinigte Staaten von Afrika“ zu kämpfen mit einer gemeinsamen Währung, einer gemeinsamen Armee und gemeinsamem Pass.
Konkret hatte Gaddafis Libyen geschätzte $150 Milliarden in Afrika investiert – oft in Projekte für soziale Infrastruktur und Entwicklung, und diese Freigiebigkeit brachte ihm viele Freunde, besonders in den kleineren Ländern. So lange Gaddafi seinen Einfluss in Afrika aufrecht hielt, hatte AFRICOM keine Chance.
Nach seiner Ausschaltung jedoch bewegte sich die Organisation mit Volldampf vorwärts. Es ist kein Zufall, dass innerhalb von Monaten nach dem Fall von Tripolis – und noch im gleichen Monat wie Gaddafis Abschlachtung – US-Präsident Barack Obama die Entsendung von 100 Spezialkräften in vier verschiedene afrikanische Länder, darunter Uganda, ankündigte.
Angeblich als Hilfe bei der „Jagd nach Joseph Kony“ bilden sie indes Afrikaner aus, um den Stellvertreterkrieg der USA gegen Somalia zu führen – wohin weitere 2.000 ugandische Soldaten im letzten Monat geschickt wurden.
„Gaddafis Libyen diente nicht nur als Bollwerk gegen militärische Pläne der USA auf dem Kontinent, sondern auch als entscheidende Brücke zwischen dem Schwarzen Afrika südlich der Sahara und dem Arabischen Afrika im Norden.“
Vierzehn grössere gemeinsame Militärübungen zwischen AFRICOM und afrikanischen Staaten sind für dieses Jahr angesetzt, und eine vor kurzem herausgegebene Pressemitteilung der Afrika Partnership Station – AFRICOMs Marine-Ausbildungsprogramm – erklärte, dass die Operationen im Jahr 2013 sich „weg von einem ausbildungsintensiven Programm“ und in den Bereich von „Operationen in der realen Welt“ bewegen werden.
Da ist schon weit entfernt vom Afrika des Jahres 2007, das sich weigerte, AFRICOM einen Stützpunkt auf afrikanischem Boden zu genehmigen und es zwang, sein Hauptquartier in Stuttgart in Deutschland einzurichten.
Gaddafis Libyen hatte nicht nur als Bollwerk gegen militärische Pläne der USA auf dem Kontinent gedient, sondern auch als entscheidende Brücke zwischen den Schwarzen Afrika südlich der Sahara und dem Arabischen Afrika im Norden.
Der Rassismus des von der NATO installierten neuen libyschen Regimes, das derzeit ein nahezu landesweites Pogrom gegen die schwarze Bevölkerung des Landes unterstützt, dient dazu, diese Brücke niederzureissen und die Aussichten auf eine afrikanische Einheit noch weiter in die Ferne zu verschieben.
Mit AFRICOM auf dem Vormarsch und dem Fehlen von dessen stärkstem Gegner steht die Afrikanische Union jetzt vor der schwerwiegendsten Entscheidung ihrer Geschichte: soll sie eine Macht für regionale Integration und Unabhängigkeit werden, oder bloss ein Vehikel für anhaltende militärische Aggression des Westens gegen den Kontinent?