R usslands Generalstab schliesst im Falle einer Verschärfung der Situation einen vorbeugenden Schlag gegen das geplante neue NATO-Raketenabwehrsystem in Europa nicht aus, betrachtet einen solchen jedoch als die äusserste Maßnahme.
„Eine Stationierung neuer Angriffswaffen im Süden und im Nordwesten Russlands für die Bekämpfung von Teilen des Raketenabwehrsystems, einschliesslich einer Stationierung von Iskander-Raketen im Gebiet Kaliningrad an der Ostsee, stellt eine der möglichen Varianten der Zerstörung der Raketenschild-Infrastruktur in Europa dar“, sagte Generalstabschef Nikolai Makarow heute bei der internationalen Raketenschild-Konferenz in Moskau.
„Angesichts des destabilisierenden Charakters des Raketenabwehrsystems, der konkret in der Schaffung der Illusion besteht, ein unbestrafter entwaffnender Schlag sei möglich, wird der Beschluss zu einer Anwendung der bestehenden Waffen in der Periode einer Zuspitzung der Lage gefasst“, fügte Armeegeneral Makarow hinzu.
Die imperiale NATO begründet den Aufbau ihres neuen Raketenschilds mit der angeblich vom Iran ausgehenden Gefahr. Russland hingegen weist darauf hin, dass das neue NATO-Raketenabwehrsystem allein Teil einer Offensivstrategie gegen Russland darstellt.
„Heute gibt es keine Bedrohungen von Seiten des Irans und Nordkoreas“, sagte der russische Premier Wladimir Putin im Februar. „Nach dem heutigen Stand ist das Raketenabwehrsystem zweifellos darauf gerichtet, das Kernraketenpotenzial Russlands zu neutralisieren.“
Putin verwies darauf, dass die Radars, die in der Nähe Russlands stationiert werden und die Raketenabwehrsysteme das russische Territorium bis hin zum Ural erfassen und auf diese Weise die Stationierungsorte von Kernwaffen Russlands abdecken werden.
„Dies wird technisch möglich, während die NATO nicht einmal schriftliche Garantien geben will, dass der Raketenschild nicht gegen Russland eingesetzt werde.“
Die USA, die die Aufstellung des Raketenschilds initiiert hatten, seien das einzige Land in der Geschichte, das Kernwaffen eingesetzt habe, und zwar gegen ein Land, das keine Kernwaffen besessen habe, nämlich 1945 gegen Japan.
„Haben wir das etwa einfach aus dem Gedächtnis gelöscht? Nein, wir können das nicht löschen. Und wir werden stets auf Bedrohungen reagieren, die vor unseren Grenzen entstehen.“
Als Antwort auf den entstehenden imperialen US-NATO-Raketenschild in Europa fusionierte Russland seine Luftabwehr und Weltraumtruppen zu einer neuen Waffengattung:
Luft- und Weltraumverteidigung, die in den nächsten Jahren rund 100 Militärsatelliten bekommen soll, aber auch die neusten Raketenabwehr-Systeme S-400 und S-500.
Darüber hinaus wurden sieben grosse Luftwaffenstützpunkte eingerichtet, 28 Militärflugplätze wurden modernisiert. Die Luftwaffe soll bis zum Jahr 2020 mehr als 600 moderne Kampfjets, darunter auch 60 Jäger der 5. Generation T-50 sowie über 1.000 Hubschrauber bekommen, und darüber hinaus 38 Luftabwehr-Raketensysteme Witjas sowie zehn Systeme Panzir-S1.
Bereits im November gab Russlands Staatschef Dmitri Medwedew eine Reihe von militärischen Maßnahmen bekannt, um den entstehenden US-Raketenschild in Europa zu neutralisieren.
Das Paket reicht von der Aufstellung neuer Angriffswaffen über die Entwicklung von Atomsprengköpfen mit grossem Durchschlagvermögen bis zu einem möglichen Ausstieg aus den Abrüstungsverträgen.
Unter anderem soll eine 100 Tonnen schwere Interkontinentalrakete entwickelt werden, die in der Lage sein soll, den künftigen US-Raketenschild zu durchbrechen.
Laut dem Befehlshaber der Strategischen Raketentruppen, Sergej Karakajew, ist die Entscheidung über den Bau einer neuen bunkergestützten Flüssigtreibstoffrakete bereits gefallen. Sie solle die weltweit stärkste Interkontinentalrakete R-36M2 Wojewoda (NATO-Code SS-18 Satan) ersetzen.
Zugleich werde an einer neuen Festtreibstoff-Langstreckenrakete gebaut, die bereits 2015 – als Ersatz für die Topol und Jars – den Dienst antreten solle.
In den nächsten zehn Jahren erwarten die russischen Raketentruppen insgesamt mehr als 400 moderne Interkontinentalraketen. Der Anteil der neuen Technik soll bis 2020 von gegenwärtig 30 auf 97 Prozent steigen.
Generalstabschef: Wie Russland die europäische Raketenabwehr überwinden wird
Russland arbeitet Gegenmaßnahmen zur Neutralisierung der potentiellen Gefahr aus, die von der Schaffung eines europäischen Raketenab-wehrsystems ohne Beteiligung Moskaus ausgehen kann.
Das teilte der Generalstabschef der russischen Streitkräfte, Armeegeneral Nikolai Makarow, heute auf einer Konferenz zu Problemen der Raketenabwehr in Moskau mit.
Russland und die NATO hatten sich auf ihrem Gipfel im November 2010 in Lissabon geeinigt, beim Projekt zur Schaffung eines europäischen Raketenabwehrsystems zusammenzuarbeiten. Aber die Verhandlungen gerieten – nicht zuletzt aufgrund der Weigerung der USA, juristische Garantien für die Nichtausrichtung des beabsichtigten Raketenabwehrsystems gegen das russische strategische Potential zu geben – in eine Sackgasse.
Mithilfe der Gegenmaßnahmen, so Makarow, sollen ein grösserer Schutz der Raketenstartanlagen an ihren Stationierungsorten, erschwerte Ortung der mobilen Kernraketenstartanlagen sowie die erhöhte Bereitschaft der Raketenwaffen zum Einsatz erzielt werden.
Ausserdem, hob er hervor, ist es notwendig, als vordringliche Maßnahme die Fähigkeit der russischen ballistischen Raketen zu sichern, jegliche Raketenabwehrsysteme zu überwinden, die benötigte Zeit zum Feststellen der Starts von angreifenden Raketen zu verkürzen und effektive Mittel des Kampfes gegen mobile Raketenabwehrmittel zu nutzen.
Makarow zufolge wird die Aufnahme des Radars Woronesch-DM im Gebiet Kaliningrad (russische Exklave an der Ostsee) in den Kampfbestand die Möglichkeiten für das Feststellen der Starts von ballistischen Raketen erhöhen.
„Im Ergebnis wird es mehr Zeit für Entscheidungen über adäquate Maßnahmen zur Reaktion auf einen möglichen Einsatz der strategischen Kernwaffenkräfte geben. Es werden zusätzliche Möglichkeiten entstehen, die Starts der Abfangraketen bei ihrer Stationierung in Polen und den nordwestlichen Meeren zu kontrollieren“, führte der Generalstabschef aus.
Die militärpolitische Führung Russlands hat die westlichen Partner in den Verhandlungen mehr als einmal gewarnt:
Sollte es nicht gelingen, eine Einigung zu erzielen, so wird eine Reihe von diplomatischen und militärtechnischen Gegenmaßnahmen folgen, darunter auch die Stationierung von operativ-taktischen Raketensystemen Iskander im Gebiet Kaliningrad.
Die internationale Konferenz „Der Faktor der Raketenabwehr bei der Bildung eines neuen Sicherheitsraums“ wird vom russischen Verteidigungsministerium organisiert.
Daran nehmen über 200 Vertreter von Verteidigungsministerien und Experten aus 50 Staaten, darunter aus den 28 NATO-Mitgliedsländern, teil.
An der Arbeit der Konferenz beteiligen sich auch Vertreter Chinas, Südkoreas, Japans, der GUS-Länder und der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit.
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