E in Elefant und eine Ameise werden sich am Montag in Washington zu einem entscheidenden Gipfel treffen. Doch Moment mal! Wer ist hier der Elefant und wer die Ameise? Wer ist die Supermacht und wer ist der Klientelstaat?
Ein neues Kapitel ist in der Geschichte der Nationen geschrieben worden. Niemals vorher hat ein kleines Land einer Supermacht diktiert, (was sie machen soll). Niemals vorher hat das Zirpen einer Grille wie eine Brüllen geklungen; niemals hat der Elefant einer Ameise geähnelt – oder umgekehrt.
Keine römische Provinz wagte, Julius Caesar zu sagen, was er tun müsse, kein Stamm träumte jemals davon, Dschingis Khan zu zwingen, nach den Interessen des eigenen Stammes zu handeln. Nur Israel tut dies.
Wenn am Montag Barack Obama und Benjamin Netanjahu sich im Weissen Haus treffen, wird es schwierig sein, zu sagen, wer der wirkliche Führer der Welt ist.
Während der letzten paar Jahre hat die israelische Grille “Iran gezirpt”, und die Welt antwortete mit einem gedämpften Echo. Es ist nicht so, dass der Iran nur ein israelisches Problem ist, Nordkorea könnte Japan genau so gefährden, wie der Iran Israel gefährdet – und die Welt ist nicht an Japans Seite geeilt.
Netanjahus Israel hat der globalen Agenda diktiert, wie es kein kleiner Staat vorher getan hat, gerade als seine internationale Stellung an einem Tiefpunkt angelangt und seine Abhängigkeit von den USA auf seinem Höhepunkt ist.
Zu den Wundern der Wiedergeburt der hebräischen Sprache nach zweitausend Jahren, die Errichtung eines blühenden Landes voller Immigranten im Lande Israel in solch kurzer Zeitspanne und die Erfindung des Kibbuz müssen wir noch anderes hinzufügen , das eher noch einen Platz auf der Liste der sieben Weltwunder verdient, als die Statue von Christus dem Erlöser in Rio de Janeiro, als das römische Kollosseum oder die grosse Chinesische Mauer: Israels unglaubliche Macht vor den USA. Dafür gibt es keine rationale Erklärung.
Israel spielt in der amerikanischen Präsidentenwahlkampagne eine Rolle wie kein anderes fremdes Land, mit Kandidaten im Konkurrenzkampf um den Spitznamen “grösster Israel-Liebhaber” bis zu dem Punkt, wo es oft so scheint, als wäre das der Hauptpunkt.
Reiche Juden wie Sheldon Adelson geben enorme Summen an Kandidaten allein für den Zweck, dass sie Israel unterstützen, während der Präsident der US, der mit der Botschaft des Wandels die Wahl gewann, gezwungen wurde, mit Lichtgeschwindigkeit die Friedensflagge für den Nahen Osten zusammenzufalten, weil Israel „nein!“ sagte.
Als letzte Woche ein Mitglied des britischen Oberhauses zum Rücktritt gezwungen wurde, nachdem es gewagt hatte, Israel zu kritisieren, würde es in den USA nicht einmal in Betracht ziehen, seine Ansichten bekannt zu machen.
Israel lehrt die Welt eine Lektion über internationale Beziehungen: Grösse ist irrelevant. Im Hinblick auf die Aussenpolitik richtet sich Europa nach der US-Linie, mehr noch als das winzige Israel.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu lehrte auch die Welt, dass es möglich sei, dem amerikanischen Präsidenten ein „Nein!“ zu sagen, und zwar unverblümt und eindeutig und dabei nicht nur am Leben zu bleiben, sondern an Stärke noch zu gewinnen.
Als Obama um das Einfrieren des Siedlungsbaues bat – was geschah dann? Netanjahu wolle sich darum kümmern und nahm das Problem von der Tagesordnung.
Wenn er am Montag zum Weissen Haus geht, wird er eine neue Forderung stellen: Entweder ihr oder wir greifen den Iran an und setzte damit den Führer der freien Welt in die Klemme. Obama will sein Land nicht in noch einen Krieg führen oder in eine Energiekrise, aber als Netanjahu forderte, wer wird da nicht klein beigeben.
Dies scheint ein guter Grund zu sein, den Ministerpräsident zu bewundern. Eine Katze schaut zum König hoch. Aber dies endet nicht immer gut. Eines Tages wird auch das gehirngewaschene US-Amerika anfangen, Fragen zu stellen: Noch ein Krieg?
Ist es richtig, noch mehr amerikanische Soldaten in Gefahr zu bringen, um Interessen willen, die eher israelische als amerikanische sind? Und vielleicht sollten wir auch Forderungen an den kleinen Günstling stellen.
Jetzt mag Obama erst einmal nicht in der Lage sein, Israel ein militärisches Abenteuer im Iran zu untersagen, ohne ihm eine ernsthafte Gegenleistung anzubieten.
Schliesslich sprechen wir über den Ministerpräsidenten von Israel. Aber eines Tages könnte die Verbindung reissen und die ganze Sache mitten im Gesicht des machttrunkenen Israel explodieren.
Israel weiss nicht, wann es aufhören muss, und so könnte es teuer für die Folgen bezahlen.
Gideon Levy (geb. 1955) ist israelischer Journalist aus Tel Aviv und arbeitet für die Tageszeitung Ha’aretz unter anderem als Chefredakteur der Wochenendbeilage. Er gehört zu den wenigen israelischen Journalisten, die über das Leben der Palästinenser unter der israelischen Besatzung berichten, und ist wegen seiner kritischen Berichte, Angriffen seitens der israelischen Leser und Kollegen ausgesetzt.
Auf die Zeitung Ha’aretz wird Druck ausgeübt, Gideon Levy nicht mehr zu Wort kommen zu lassen.
Für seine kritische Berichterstattung und seinen Einsatz für einen Frieden im Nahen Osten, wurde Levy mit dem “Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien 2003″ der Leipziger Medienstiftung ausgezeichnet.