I nsgesamt 7 grossformatige Farbphotographien zeigen eigentümliche Artefakte, die sich erst auf den zweiten Blick als Spielmaschinen zu erkennen geben: als jene verkapselten Simulatoren, in denen der “Benutzer” sich mit Lenkrad, Schalthebel und Gaspedal der Illusion hingeben soll, Pilot eines Rennwagens oder Fluggeräts zu sein.
Die Schnittstellen der Fiktion jedoch – die Bildschirme – sind erloschen und, wie Sitze und Armaturen, von Staub überzogen: auch diese Relikte einer kurzen historischen Epoche, die den Übergang vom Analogen zum Digitalen noch nicht ganz gemeistert hatte, sind wie alle Artefakte in Ricarda Roggans Werk “zurückgelassen” und fristen eine Nischenexistenz in den Leerräumen der Geschichte.
Im Gegensatz jedoch zum Mobiliar aus Tisch, Stuhl und Bett, den Imaginationsbühnen aus Attika oder den Unfallwagen der Garage war die funktionale Verfallszeit dieser Apparate weitaus kürzer als ihre physische Existenz: sie waren schon überholt, als sie ins Rennen geschickt wurden.
Die reale Zeit, die sie mit der Simulation von Geschwindigkeit zum Stehen gebracht hatten, ist fast spurlos an ihnen vorübergegangen. Von Anfang an waren sie, im Wortsinn, unzeitgemäß, denn ihre Aufgabe bestand in der Ausschaltung von Zeit.
Folgerichtig haben sie auch keinen Raum; die gewählten photographischen Ausschnitte, unterstützt durch die bruchlose, an eine Filmsequenz erinnernde Hängung der Bilder, gibt weder darüber Aufschluss, wo diese Objekte sich befinden und in welchem Verhältnis sie zu ihrem Raum stehen, noch wie sie ihrer Natur nach beschaffen sind.
Funktionsunfähig, ohne Programm, erscheinen sie – mit dem Titel einer wegweisenden Arbeit von Ricarda Roggans Lehrer Timm Rautert aus den frühen 80er Jahren – in doppelter Hinsicht als “Gehäuse des Unsichtbaren”.
Während aber die zeitgenössischen Behälter des Digitalen, vom Telephon bis zum Hochleistungsrechner, ihre Funktionsweise vollständig dissimulieren, lässt sich an diesen handfesten Simulationsmaschinen noch ablesen, wozu sie einst dienten. Sie sind nach menschlichem (Körper-)Maß konstruiert, ohne doch dem Menschlichen angemessen zu sein.
Die Art körperlicher Erfahrung, die sie zugleich gewährten und vorenthielten, bleibt folgenlos: RESET, zurück auf Start.
Die drei Photographien der Reihe SET, ebenfalls mit der 8×10-Kamera aufgenommen, drehen die Perspektive um. Sie öffnen den Raum, der in RESET ausgeschlossen wurde – einen Raum, dessen Ordnung allerdings so undurchschaubar ist wie die Ordnung der Undinge in RESET.
Erscheinen diese wie vergessene Requisiten eines 60er-Jahre-Science-Fiction, als die Zukunft noch eine technologische Verheissung war, wirken die Räume von SET dagegen wie Stills aus einer düsteren 80er-Jahre-Dystopie.
Historisch sind sie beide.
Galerie EIGEN + ART
bis 10.03.2012
Auguststr. 26
10117 Berlin
Dienstag bis Samstag 11.00 bis 18.00 Uhr