N ach mehr als 30 Jahren erwägen die USA den Bau von neuen Atomkraftwerken, schreibt die Zeitung RBC Daily am Freitag. Die zuständige Kommission (Nuclear Regulatory Commission, NRC) wird demnächst zwei AKW-Projekte im Bundesstaat Georgia erörtern.
Neue Kraftwerke wurden in den USA seit einem Unglück in der Anlage Three Mile Island im Jahr 1979 nicht mehr gebaut. Washington will seine Abhängigkeit von dem Import von Kohlenwasserstoffen verringern und auf die Kohlekraftwerke verzichten.
Das Projekt zum Bau von zwei neuen Kernkraftwerken hat einen Wert von schätzungsweise 14 Milliarden Dollar. Einen beträchtlichen Teil davon wird die Firma Southern bereitstellen, die für die Vorbereitungsarbeiten bereits vier Milliarden Dollar ausgegeben hat.
Laut einer Southern-Mitteilung werden die neuen Energieblöcke mit japanischen Meilern Toshiba AP1000 ausgerüstet und eine Gesamtkapazität von 2,2 Gigawatt haben (das würde für die Stromversorgung von etwa einer Million Haushalte reichen).
Für die guten Perspektiven der Atomenergie sprechen neben der positiven Einstellung der NRC auch die Politik der US-Regierung auf diesem Gebiet: Präsident Barack Obama hat bereits 8,3 Milliarden Dollar für den Bau von zwei neuen Energieblöcken bereitgestellt.
Derzeit sind in den USA 104 Reaktoren in 64 AKW in Betrieb. Sie produzieren etwa 20 Prozent der gesamten Stromenergie im Land. Mehr als 50 Reaktoren wurden vor mehr als 30 Jahren gebaut und sollen durch neue und leistungsstärkere ersetzt werden.
Deshalb vermuten viele Branchenkenner, dass die NRC-Entscheidung einen neuen Boom im AKW-Bau zur Folge haben wird.
Der BP-Chefökonom in Russland, Wladimir Drebenzow, ist von diesem Trend in den USA nicht überrascht: “Bei der jüngsten Präsentation unserer Prognose in Bezug auf die Entwicklung der globalen Energie bis 2030 verwiesen wir darauf, dass der so genannte Fukushima-Effekt nur vorübergehend ist, so dass der Anteil der Atomenergie an der globalen Energiebilanz bis 2030 nicht zurückgeht. In Nordamerika wird die Atomenergie-Produktion nach Einschätzung der BP-Experten von 213,8 Millionen Tonnen Erdöläquivalent 2010 auf 227,8 Millionen Tonnen 2030 zulegen.”
Ein weiterer Faktor für den Ausbau der Atomenergie in den USA könnten die strikten Umweltanforderungen an die Kohlekraftwerke werden, die immer noch 46 Prozent des gesamten Stroms im Land herstellen.
Zum Vergleich: 2000 hatte diese Zahl noch bei 52 Prozent gelegen.
“Eine der billigsten Energiequellen in den USA ist die Kohle. Man sollte allerdings den Umweltfaktor berücksichtigen: Die Anforderungen an neue Kohlekraftwerke sind äusserst streng, was ihren Bau enorm teuer macht”, findet der HSBC-Analyst Dmitri Konowalow.
“Teilweise wird die Kohle durch billiges Gas ersetzt, aber in der Perspektive genügt das nicht für eine erfolgreiche Diversifizierung. Deshalb könnte die Atomenergie in den USA bald einen neuen Aufschwung erleben.”