L aut einer neuen Studie des Paritätischen Wohlfahrtsbundes ist die Kinderarmut entgegen der Behauptungen der Bundesagentur für Arbeit nicht gesunken. Besonders dramatisch sieht die Situation für Kinder in Ostdeutschland und im Ruhrgebiet aus. Dort ist bereits jedes vierte Kind auf Hartz IV-Leistungen angewiesen.
Kinderarmut nimmt nicht ab
Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsbundes Ulrich Schneider erklärte laut Redemanuskript: „Kinder sind nach wie vor besonders stark von Hartz IV betroffen.“ Dies ergab eine vorgestellte Studie des Sozialverbandes zum Thema Kinderarmut, mit der eine Statistik der Bundesagentur für Arbeit widerlegt wurde, nach der die Kinderarmut in Deutschland innerhalb der letzten fünf Jahre um 13,5 Prozent zurückgegangen sein soll.
Schneider führt den Rückgang seit 2006 jedoch in erster Linie darauf zurück, dass auch die Gesamtkinderzahl gesunken ist. Die Zahl der von Hartz IV betroffenen Kinder bleibe seit Einführung der grössten deutschen Sozialreformen gleich hoch.
„Jedes siebte Kind unter 15 Jahren lebt von Hartz IV. In Ostdeutschland ist es sogar jedes vierte Kind“, erklärte Schneider.
Ruhrgebiet wird zur Hartz IV-Region
Neben Ostdeutschland ist besonders das Ruhrgebiet von Kinderarmut betroffen. Die Hartz IV-Quote liegt hier bei 25,6 Prozent und ist höher als in allen ostdeutschen Bundesländern.
Anders als im Osten könne keine Stadt im Ruhrgebiet einen Stagnation und schon gar keinen Rückgang der Kinderarmut verzeichnen. Seit 2005 sei sie um 7,6 Prozent gestiegen.
Besonders kritisch sei die Situation in Städten wie Mülheim oder Hamm, denn dort habe die Kinderarmut um besorgniserregende 49 Prozent zugenommen. Trauriger Spitzenreiter bleibt Gelsenkirchen mit einer Hartz IV-Quote von 34,4 Prozent.
Besonders Kinder von Alleinerziehenden betroffen
Schneider erklärt weiter, dass besonders Kinder von Alleinerziehenden betroffen seien. Laut Studie sei in insgesamt sechs Bundesländern, zu denen ostdeutsche sowie Nordrhein-Westfalen und Bremen gehören, jede zweite Alleinerziehende auf Sozialleistungen angewiesen.
Politiker hätten ein falsches Bild von Alleinerziehenden. Sie würden von hochqualifizierten Frauen ausgehen, die nur einen Betreuungsplatz für ihre Kinder suchten, um dann wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.
In der Realität zeichne sich aber ein anderes Bild ab: Etwa die Hälfte der alleinerziehenden Frauen verfüge über keinen Berufsabschluss und 20 Prozent hätten keinen Schulabschluss. Durch die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf den Weg gebrachte sogenannte Instrumentenreform sei die öffentlich geförderte Beschäftigung stark eingeschränkt worden.
Die Kürzung um mehrere Milliarden Euro wirke sich auch äusserst ungünstig auf die Möglichkeiten von Alleinerziehenden aus.
Der Paritätische Wohlfahrtsbund fordert dringend eine Reform des Kinderzugschlags, denn knapp die Hälfte der Aufstocker (circa 1,3 Millionen) stamme aus Haushalten mit Kindern. Der Kinderzuschlag sollte Familien eigentlich vor dem Aufstocken mit Hartz IV schützen.
Die Realität sieht jedoch anders aus: Durch stark eingeschränkte Bewilligungen werde der Kinderzuschlag nur für etwa 300.000 Kinder gezahlt, berichtet Schneider. Er kämpft für die Erhöhung der Kinderregelsätze um bis zu 25 Prozent.
Die “Linkspartei” fordert in diesem Zusammenhang dringend eine „bessere soziale Absicherung für Familien mit Kindern“. Dazu Katja Kipping, stellvertretende Vorsitzende der Partei: „Wir haben in Deutschland nach wie vor eine skandalös hohe Kinderarmut, selbst in Regionen, die als wirtschaftsstark gelten. Die Linke streitet daher für eine Kindergrundsicherung für alle Kinder und Jugendlichen, die Kinder- und Jugendarmut verhindert, allen Kindern und Jugendlichen gute Teilhabe- und Entfaltungsmöglichkeiten bietet und vor Ausgrenzungen und Diskriminierungen schützt.“
Darüber hinaus müsse ein gesetzlicher Mindestlohn und eine sanktionsfreie Mindestsicherung für Erwachsene eingeführt sowie Kindertagesstätten ausgebaut werden.