R und 70 Prozent aller eingegangen Klagen am Sozialgericht Berlin sind Hartz-IV-Fälle. Viele Klagen wären aufgrund einer verbesserten Kommunikation in den Jobcentern vermeidbar, wie die Präsidentin des Sozialgerichts Sabine Schudoma erklärte.
Ein Großteil der Hartz IV Verfahren wären vermeidbar
Etwa 40.000 Klagen sind noch offen, wie Schudoma unlängst erklärte. Im letzten Jahr erreichten das Gericht Klageanträge im “12-Minuten-Takt”. Insgesamt 43 832 Verfahrensanträge seien nach Angaben der Richterin im vergangenen Jahr eingegangen. Das seien im Monatsdurchschnitt etwa 3653 Klageanträge.
Die allermeisten Klagen behandeln das Thema Hartz IV. Schuld daran sind nach Meinung des Gerichts vor allem die Jobcenter. Die Sachbearbeiter kommen mit ihrer “Arbeit einfach nicht hinterher”, erklärt Schudoma.
Auch nach einigen Monaten der Klageerhebung geben die Behörden oftmals keine Stellungnahme ab. Aus diesem Grund werden zahlreiche weitere Untätigkeitsklagen von den Betroffenen eingereicht. “Die Überforderung der Jobcenter führt zur Überlastung der Gerichte”, kritisiert Schudoma. Von 127 Richtern beschäftigen sich 72 ausschließlich mit der Thematik SGB II.
Neben den Jobcentern kritisiert die Gerichtspräsidentin die Politik. Noch immer sind die Regelungen bei der Unterkunftskosten rechtswidrig. Aus diesem Grund gäbe es vor allem in diesem Themengebiet besonders viele Klagen.
In Berlin werden die Kosten der Unterkunft immer noch nach der Tabelle “AV Wohnen” berechnet. Diese aber hatte das Bundessozialgericht in Kassel für rechtswidrig abgeurteilt.
Aus diesem Grund verwenden die Richter ein aus der Praxis entwickeltes Berechnungsmodell “unter spezieller Berücksichtigung des Mietspiegels”.
Viele Arbeitslosengeld II Bezieher werden in Berlin aus ihren Wohnungen gedrängt. Sie sollen sich kostengünstige Wohnungen suchen, die es aber kaum gibt.
Daher fordert die Sozialgerichtspräsidentin:
„Schaffen Sie transparente, sozial ausgewogene und praxistaugliche Mietgrenzwerte.“
Weitere Streitpunkte sind Sanktionen, Verletzung der Bearbeitungsfristen und Anrechnungen auf Hartz IV Leistungsbezüge.
Gebührenpflicht für Jobcenter (wieder) einführen
Scharfe Kritik äußerte die Präsidentin auch an der Abschaffung der Gebührenpflicht für Jobcenter, die es seit 2006 nicht mehr gibt. Würde die Gebühr noch existieren, hätten die Ämter rund 2,4 Millionen Euro allein im 2011 zahlen müssen.
Es sei daher unverständlich warum Krankenkassen oder Rentenversicherungsträger die Gerichtsgebühren zahlen und Jobcenter hiervon verschont bleiben. Gäbe es diese Gebühr, würde wenigstens ein Anreiz geschaffen werden, sich auch außerhalb eines Gerichtsverfahren gütlich zu einigen.
Ausreichende Gespräche können Widersprüche oder Klageanträge vermeiden. “Für das Jobcenter ist das gerichtliche Verfahren eben kostenlos”. Das bedeutet, dass eine Klageerhebung für die Jobcenter Risikofrei ist.
Hohe Erfolgsrate der Klagen
Über die Hälfte der Klagen waren für die Betroffenen erfolgreich. Im Jahre 2011 beziffert Schudoma die Erfolgsquote mit 54 Prozent. In anderen Rechtsgebieten liege die Quote gerade einmal bei 35 Prozent.