S elbst sarkastische Äusserungen im Internet sind für einige Sachbearbeiter der Hartz IV Behörden Grund genug, schriftliche Stellungnahmen einzufordern.
Wer Leistungen nach dem SGB II bezieht, hat anscheinend nach Meinung einiger Jobcentermitarbeiter nicht das Recht, seine eigene Meinung öffentlich kund zu tun.
Den fleissigen Sachbearbeitern in den Hartz IV Behörden bleibt nichts geheim. Anscheinend verfügen einige Jobcenter über genügend zeitliche Kapazitäten, um Leistungsberechtigte auch im Internet hinterher zu spionieren.
So geschehen in einem aktuellen Fall: Der gegen-hartz.de-Redaktion liegt ein Anschreiben des Jobcenters Berlin-Mitte mit dem Betreff: “Aufforderung zur Mitwirkung für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts”vor. In diesem Schreiben werden von einem Künstler aus Berlin, der aufgrund zu geringer Einnahmen ergänzende Hartz IV Leistungen beantragen muss, fehlende Unterlagen angefordert.
Gleich zu Beginn des Schreibens wird dem Hip-Hop-Sänger Tapete (Leonard Kroppach) indirekt unterstellt, er habe Einkünfte als Musiker seit dem Jahr 2009 nicht korrekt angegeben. So soll er darüber ausführlich berichten, wie er bei Konzertreisen genächtigt hat, welche Kosten für Musikaufnahmen oder Videos entstanden sind und wir er die Anschaffungskosten für sein Equipment bewältigt hat.
Zudem verlangt das Jobcenter eine aktuelle Schufaauskunft. Das alles und noch einiges mehr soll der Musiker innerhalb von 13 Tagen vorlegen und in ausführlicher Art und Weise beschreiben.
Schriftliche Erklärung für ein Zitat im Internet abgeben
Neben den diversen Auskünften soll der Musiker eine schriftliche Erklärung abgegeben, warum er auf einer Internetseite der Musikzeitschrift “Melodie und Rhythmus” folgenden Satz gesagt hat: “Ich bedank mich jeden Tag bei Vater Staat, dass ich auf seine Kosten leben darf”.
In dem Behördenschreiben unterstellt der zuständige Sachbearbeiter, dieser Satz sei auf der Internetpräsenz des Musikers zu finden.
Dem ist nicht so, sondern sehr wahrscheinlich einer Eingabe des Namens des Musikers bei der Suchmaschine “google” geschuldet. Denn wer nach dem Künstler sucht, landet unter anderem auf der Kurzvorstellung des benannten Magazins. Er soll nunmehr schriftlich erklären, was er mit dem Satz denn meine.
Sarkastischer Spruch demaskiert Stammtischparolen
Das süffisante Zitat existiert zu hunderten in unterschiedlichen Formen, denn es drückt auf sarkastischer Weise aus, wie einige rechtsgerichtete Politiker in der Öffentlichkeit darüber debattieren, wie “dankbar sich Bezieher von Hartz IV Leistungen jeden Tag” zeigen sollen.
Vielfach wird Arbeitslosengeld II Beziehern unterstellt, sie hätten sich “eingerichtet” und würden die kargen Sozialleistungen ausschliesslich für “Alkohol und Zigaretten” ausgeben. Ein Spruch also, der Ressentiments und Stammtischparolen verhöhnt.
Anscheinend ist aber jene Äusserung Grund genug, um die Neugier des Jobcenters zu wecken. Während die Fragen nach den bisherigen Einkünften sich halbwegs im rechtlichen Rahmen bewegen, ist die Aufforderung nach einer Stellungnahme zu dem getätigten Spruch rechtlich völlig neben der Spur.
Schon jetzt darf behauptet werden, dass die Weigerung der Abgabe einer Stellungnahme in Bezug auf das Zitat in keinem Fall zu einer Sanktion – sprich Kürzung oder Einstellung der Leistungen – führen darf. Kein Sozialgericht in Deutschland würde das im Grundgesetz verankerte Recht auf Meinungsfreiheit antasten.
Dennoch, und das wissen die meisten Menschen die von Hartz IV abhängig sind, versuchen viele Behördenmitarbeiter die Betroffenen unter Druck zu setzen. Schon allein aus diesem Grund kommen viele den Forderungen der Jobcenter nach, auch wenn diese teilweise rechtswidrig sind.
Vorsicht vor Datenweitergabe im Internet
Das aktuelle Beispiel zeigt, wie vorsichtig sich Betroffene im Internet bewegen müssen. Vor allem in Foren, wie dem Hartz IV Forum von “Gegen Hartz”, weisen wir immer wieder daraufhin, sich als Benutzernamen ein Pseudonym anzulegen und eingescannte Dokumente ausreichend zu schwärzen.
Ansonsten könnte der Übereifer einiger Sachbearbeiten unnötig geweckt werden.