2011 wurden mehr Sanktionen gegen Hartz IV-Bezieher verhängt als im vorherigen Jahr. Die Saarbrücker Zeitung berichtet unter Berufung auf die Bundesagentur für Arbeit (BA) von 667.499 Sanktionen, die von den Jobcentern im Zeitraum von Januar bis September 2011 verhängt wurden.
Dabei handele es sich in erster Linie um sogenannte Pflichtverletzungen wie beispielsweise Meldeversäumnisse. Für Hartz IV Betroffene hatte dies eine Kürzung oder sogar die völlige Einstellung der Sozialleistungen zur Folge.
Neun Prozent mehr Sanktionen
2011 wurden von Januar bis September neun Prozent mehr Sanktionen gegen Empfänger staatlicher Leistungen verhängt als im Vergleichszeitraum 2010. Während 2011 gegen Arbeitslosengeld I-Empfänger weniger Strafmaßnahmen eingesetzt wurden als im Jahr zuvor, waren es bei den Hartz IV-Empfängern allein im September 2011 knapp 146.000.
Viele Betroffene erhielten sogar mehrere Strafmaßnahmen, die im Wiederholungsfall bis zu einer 100-prozentigen Kürzung, also dem Entfall der Leistungen führen. Sogenannten Sperrzeiten wurden im letzten Jahr in 728.223 Fällen verhängt.
Diese Zahl verringerte sich zum Vorjahr um etwa 37.000 Fälle. Ausschlaggebend für Sperrzeiten waren hauptsächlich Meldeverstöße.
Pflichtverletzungen haben in der Regel eine Kürzung der Leistungen um 30 Prozent zur Folge. Dazu kommt es beispielsweise, wenn Hartz IV-Empfänger eine sogenannte “zumutbare Arbeit” ablehnen oder einen Ein-Euro-Job nicht antreten.
Das betrifft auch Arbeitsangebote der Jobcenter, die völlig unterbezahlt sind – 50 Prozent unter Tariflohn. Auch Leistungsempfänger, die Eingliederungsmaßnahmen verweigern, müssen mit einer 30-prozentigen Kürzung ihrer Bezüge rechnen. Wer einen Termin beim Jobcenter versäumt, erhält zehn Prozent weniger Leistungen.
Trotz Arbeit auf Hartz IV angewiesen
Obwohl sie einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen, sind Geringverdiener auf aufstockende Hartz IV-Leistungen angewiesen. Laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) werden in Deutschland rund zwei Milliarden Euro pro Jahr in Form von Hartz IV für Geringverdiener mit Vollzeitbeschäftigung ausgegeben. “Trotz Arbeit Hartz IV?”
Das ist möglich weil der Staat Unternehmen subventioniert, die Angestellte für Hungerlöhne beschäftigen. Den Berechnungen des DGB zu Folge, werden sogar vier Milliarden Euro jährlich für “Aufstocker” ausgegeben, wenn man die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Teilzeitarbeit mit einrechnet.
570.000 Erwerbstätige mit sozialversicherungspflichtiger Arbeit, die Sozialbeiträge zahlten, konnten Mitte 2011 nicht von ihrem Lohn leben und mussten aufstockend Hartz IV beziehen.
Rund 330.000 der Aufstocker waren Vollzeit beschäftigt, etwa 240.000 gingen einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeitarbeit nach.
Hinzu kommen noch die Arbeitslosengeld II Bezieher mit geringfügiger Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit. Insgesamt beziehen 1,3 Millionen Erwerbstätige staatliche Leistungen. Laut DGB ist die Zahl seit 2007 um gut 100.000 Hilfebedürftige gestiegen.
Dies entspreche einem Anteil von 29 Prozent aller Hartz IV-Empfänger im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren.
Linke fordert Streichung aller Sanktionen gegen Hart IV-Empfänger
Werner Schulten, Mitglied im Parteivorstand der Linken und Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Hartz IV der Partei fordert die Streichung aller Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger sowie “eine Ersetzung von Hartz IV durch eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung”.
Das Hartz IV-System sei inhuman und raube Betroffenen die Würde. Darüber hinaus schaffe es Armut und drücke die Löhne.
Durch Hartz IV wird Betroffenen das Existenzminimum verweigert und damit “Schaden für das Wohl und die Gesundheit der Betroffenen und ihrer Familien in Kauf” genommen. Es müsse eine “armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung” geschaffen werden.
Bislang findet sich trotz Kritik von Sozialverbänden, Erwerbslosengruppe, Sozialforschern keine Mehrheit im Bundestag, um die menschenunwürdigen Sanktionen abzuschaffen.
Im Gegenteil: SPD, FDP und Union sowie Teile der Grünen halten an dem “Konzept Hartz IV” fest. Statt Erwerbslosen zu helfen, werden sie mit Leistungskürzungen bedroht und häufig in den Ämtern drangsaliert.