D ie russische Außenpolitik wird auch nach den Präsidentenwahlen im März ihre Kontinuität bewahren, versichert Außenminister Sergej Lawrow. “Ich denke, unsere Partner im Ausland haben hinsichtlich der Präsidentenwahlen in unserem Land allen Grund, mit einer Kontinuität unserer Außenpolitik zu rechnen”, sagte er am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Moskau, in der er ein Fazit des bergangenen Jahres zog.
Raketenschild-Pläne belasten Beziehungen mit Washington
Auf die russisch-amerikanischen Beziehungen eingehend, hob Lawrow ihre positive Entwicklung hervor, räumte aber zugleich ein: “Zweifellos gibt es Fragen, bei denen die Standpunkte unserer Länder nicht identisch sind, unter anderem das Problem des Raketenabwehrsystems. Wir rechnen damit, dass die USA unsere legitimen Besorgnisse anhören und berücksichtigen, über die wir sie äußerst konkret und professionell informieren.”
Moskau rechne damit, dass die USA eine Entscheidung zu Gunsten eines Zusammenschlusses der Bemühungen und der Arbeit an solidarischen Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart treffen werden, sagte der Minister.
“Aus unseren Gesprächen mit den amerikanischen Kollegen geht hervor, dass sie es zumindest nicht ausschließen, dass Raketenabwehrsystem, an dem sie bauen, Risiken für unser atomares Potenzial schaffen kann”, fügte er hinzu.
Von einem neuen Wettrüsten könne aber keine Rede sein, betonte Lawrow. “Ich denke nicht, dass es einen Grund gibt, davon zu sprechen, dass wir an der Schwelle zu einer neuen Runde des Wettrüstens und des Kalten Krieges stehen”, sagte er am Mittwoch vor Journalisten in Moskau.
“Der Kalte Krieg ist längst vorbei, wir sind keine Gegner, mehr noch, wir arbeiten recht erfolgreich bei vielen Fragen der internationalen Sicherheit zusammen. Die Konfrontation ist ganz bestimmt nicht unsere Wahl. Ich denke auch nicht, dass vernünftige Politiker in den USA eine Konfrontation wünschen.”
Einmischung in Nordafrika und im Nahen Osten unzulässig
Der politische Wandel in Nordafrika und im Nahen Osten ist nach Ansicht von Russlands Außenminister Sergej Lawrow noch nicht abgeschlossen, und die äußeren Kräfte sollten sich nicht in die Wahl der Völker in diesen Staaten einmischen.
“Wir sind vorerst nicht in der Lage, den Umfang der Veränderungen umfassend einzuschätzen, diese befinden sich erst im Anfangsstadium, da muss man sich vom Prinzip leiten lassen, das für die Ärzte gilt: Du sollst keinen Schaden antun”, so der Minister.
Den Kräften, die sich in diesen Ländern in Opposition befinden, müsse nahegelegt werden, “dass sie sich im Rahmen des politischen Prozesses einigen sollen”. Diese Kräfte sollten “nicht dazu aufgewiegelt werden, dass sie zur Waffe greifen und ihre Regimes stürzen”.
„Dies wäre ein Weg zu einem sehr großen Krieg, in dem nicht nur Länder der Region zu Schaden kommen würden, sondern auch Staaten, die weit entfernt sind“, mahnte Lawrow.
Die äußeren Kräfte müssen die Wahl der Völker der Region akzeptieren und dürfen sich nicht in die Angelegenheiten dieser Staaten einmischen, hieß es. Darauf angesprochen, was geschehen würde, wenn islamistische Parteien in einigen Regionen Nordafrikas und des Nahen Ostens an die Macht kommen würden, sagte Lawrow: “Man muss mit allen Kräften zusammenarbeiten, die sich im Rahmen der Verfassung befinden.”
“Gerade darin liegt der Weg dazu, dass diese Ereignisse zu einer Stabilisierung der Region und zur Lösung der sozialökonomischen Probleme führen, deren Vorhandensein die eigentliche Ursache der Volksproteste in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas ist”, so der Minister.
In diesem Zusammenhang äußerte Lawrow die Meinung, dass der Westen mit den geplanten Sanktionen gegen den Iran die iranische Wirtschaft abzuwürgen und die Unzufriedenheit der Bevölkerung zu provozieren. Dies habe nichts mit dem Streben zu tun, die Unverletzbarkeit des Non-Proliferation-Modus zu schützen.
Teheran sei zu einer Wiederaufnahme der sechsseitigen Verhandlungen bereit, so der Minister. “Wir sind davon überzeugt, dass es alle Chancen gibt, die Verhandlungen zwischen der Sechsergruppe und dem Iran wiederaufzunehmen, und sind sehr darüber besorgt, dass diese Prozesse hin und wieder behindert werden”, fügte er hinzu.
Was Syrien anbelangt, so “halten wir es für nötig, jede Gewalt in Syrien, von wem sie auch ausgeht, zu stoppen”, sagte der Minister. Darauf ziele der von Russland im UN-Sicherheitsrat eingebrachte Resolutionsentwurf ab, der von China und anderen BRICS-Staaten unterstützt werde.
Westliche Staaten fordern indes laut Lawrow, aus dem russischen UN-Resolutionsentwurf zu Syrien den Punkt über die Nichtanwendung von Gewalt zu streichen.
“Was die Erklärung von Susan Rice (US-Botschafterin bei der Uno) anbelangt, in der sie ihre Beunruhigung über die Tatsache zum Ausdruck bringt, dass das Schiff ‘Chariot’ mit russischer Fracht in einem syrischen Hafen entladen wurde, so hörte ich sogar, dass sie um irgendwelche Erläuterungen ersucht haben soll. Wir halten es nicht für nötig, Erläuterungen abzugeben und uns zu rechfertigen, weil wir keine internationalen Vereinbarungen und keine Resolutionen des UN-Sicherheitsrates verletzen. Wir handeln mit Syrien mit Dingen, die das Völkerrecht nicht verbietet”, hieß es.
Für Schließung des Jugoslawien-Tribunals
Ferner sprach sich Lawrow für die Schließung des Internationalen Straftribunals für Ex-Jugoslawien aus. “Wir treten schon seit langem für eine Schließung auf. Es hat seine Funktion erfüllt, und das bei Weitem nicht einwandfrei”, sagte Lawrow.
Als Beispiel führte er der Fall des jugoslawischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic an, der 2006 im Uno-Untersuchungsgefängnis in Den Haag gestorben war, obgleich “Ärzte und Anwälte die Richter gebeten hatten, ihm die notwendige Behandlung zu sichern”.