D ie Welt erlebt keine “übliche” Krise, sondern einen “tektonischen Prozess einer globalen Transformation”, stellt Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin in seinem programmatischen Artikel fest, der auf der Webseite putin2012.ru und in der Tageszeitung “Iswestija” veröffentlicht wurde.
“Ich sage ganz offen: Man muss zwar auch weiter beharrlich alle Möglichkeiten für eine Verbesserung des Lebens unserer Bürger nutzen, wie auch früher darf man aber nicht unüberlegt handeln, um nicht irgendwann einmal mit der Notwendigkeit konfrontiert zu werden, den Menschen viel mehr wieder wegzunehmen, als seinerzeit leichtsinnigerweise verteilt wurde, wie dies in einigen Ländern des Westens der Fall war”, schreibt Putin. “Man muss einräumen: Die heutigen globalen Disbilanzen können kaum im Rahmen des jetzigen Systems beseitigt werden.”
“Die konjunkturbedingten Schwankungen können überwunden werden. In den meisten Ländern ist jetzt eine Reihe von taktischen Maßnahmen konzipiert worden, die die Möglichkeit bieten, auf die akuten Erscheinungsformen der Krise mehr oder weniger erfolgreich zu reagieren. In langfristiger Hinsicht haben aber die aktuellen Probleme keinen konjunkturbedingten Charakter. Das, was die Welt heute erlebt, ist eine ernsthafte Systemkrise und ein tektonischer Prozess der globalen Transformation. Das ist das Sichtbarwerden des Übergang zu einer neuen Epoche in Kultur, Wirtschaft, Technologie und Geopolitik.”
Die Welt betritt eine Turbulenzzone, “und diese Periode wird langwierig und schmerzhaft sein. Da darf man sich keinen Illusionen hingeben”, so Putin.
Die globalen Wirtschaftszentren verursachen dabei Probleme und Risiken, statt dem Wirtschaftssystem Stabilität zu verleihen, betont er. “In einigen Regionen der Welt treten destruktive Kräfte in aggressiver Weise in den Vordergrund, die im Endeffekt die Sicherheit aller Völker der Welt bedrohen.”
“Zu ihren Verbündeten werden mitunter die Staaten, die versuchen, Demokratie mit Hilfe von Gewalt- und Militärmethoden zu ‘exportieren’. Die Verletzung des Völkerrechts und der Staatssouveränität darf nicht mit den edelsten Zielen gerechtfertigt werden.”
Unter diesen Bedingungen “kann und muss Russland die Rolle spielen, die ihm das Zivilisationsmodell, die große Geschichte, die Geografie und das kulturelle Genom vorschreiben, in dem sich die Grundlagen der europäischen Zivilisation und die Jahrhunderte langen Erfahrungen des Zusammenwirkens mit dem Osten organisch miteinander verbinden, wo gerade neue Kraftzentren der Wirtschaft und des politischen Einflusses entstehen.”
Das Ende des Systems, das in den 20 Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion entstanden war, einschließlich des Phänomens einer “monopolaren Welt”, sei heute offensichtlich.
“Der bisher einzige ‘Kraftpol’ ist nicht mehr fähig, globale Stabilität aufrechtzuerhalten”, betont Putin. “Notwendig sind ständige Bemühungen zur Überwindung des gegenseitigen Misstrauens, der ideologischen Vorurteile und des kurzsichtigen Egoismus.”