E ine optimistische Variante für die weitere Entwicklung der EU-Wirtschaft gibt es nach Ansicht von German Gref, Chef des größten russischen Geldinstituts Sberbank, nicht.
“Die vorhandenen Alternativen haben alle eine ziemlich lange Anlaufzeit und sind ziemlich unoptimistisch”, sagte Gref am Donnerstag bei einem Wirtschaftsforum in der kasachischen Hauptstadt Astana.
Die erste Alternative, über die die EU verfüge, sei “der Versuch, das Problem mit Hilfe der europäischen Notenpresse, mit Hilfe der Europäischen Zentralbank zu lösen”, stellte er fest. “Diese Möglichkeit kann wohl nur in einem Fall genutzt werden, nämlich bei einer viel tieferen Integration der Verwaltung von ganz Europa. Eine solche Integration ist aber nur bei ziemlich eindeutigen Antworten auf eine Reihe von Fragen möglich, die heute in Europa vorerst niemand zu beantworten bereit ist.” Die Bildung von Vereinigten Staaten von Europa sei innerhalb einer historisch kurzen Frist nicht möglich, genauso wie es unmöglich sei, ein effektives Verwaltungsmodell für eine solche Staatenvereinigung zu schaffen.
Sollte die Eurozone “die Notenpresse beim jetzigen Integrationsstand einschalten”, so würde die EU eine hohe Inflation bekommen, die in erster Linie für Länder wie Deutschland nicht annehmbar sei. “In der Nachkriegsgeschichte Deutschlands hat es bereits zweimal Perioden mit hoher Inflation, sogar einer Hyperinflation gegeben. Im historischen Gedächtnis der Deutschen sitzen die Folgen dieser Politik sehr tief”, sagte Gref. “Offenbar wird sich das auf die soziale Stabilität in Europa insgesamt auswirken. Das Wichtigste ist aber, dass dies Europa nicht retten wird, weil das Hauptproblem der EU im unterschiedlichen Konkurrenzpotenzial einzelner Wirtschaften der EU-Mitgliedsstaaten besteht.”
Eine zweite Alternative zur heutigen Eurozone-Politik sei eine “Desintegration im Währungsbereich”, d. h. ein faktischer Verzicht auf den Euro zugunsten einer Rückkehr zu den nationalen Währungen. “Dies ist eine überaus schwere Sache, in der die Gefahr eines Zerfalls der gesamten EU steckt, was wiederum eine äußerst schwere Reaktion auf den globalen Märkten nach sich ziehen würde. Dies ist aber meines Erachtens die ehrlichere Politik, die Perspektiven für eine Wiederherstellung der Konkurrenzfähigkeit der Peripherie-Länder und für deren Rückkehr in die Währungsgemeinschaft der EU bietet”, hieß es.
“Wir erwarten keine raschen Entscheidungen, die ein Allheilmittel wären, wir erwarten aber eine globale Wahl aus diesen beiden Perspektiven durch die Führung der EU-Länder. Heute kommt als Hauptfrage die Schnelligkeit der Beschlussfassung auf die Tagesordnung, davon wird auch abhängen, wie adäquat der Markt auf diese Umgestaltungen reagieren wird”, betonte der Sberbank-Chef.
“Die heutige Politik von Europa lässt sich durch zwei Worte charakterisieren: ‘spät’ und ‘unzureichend’”, fügte er hinzu. “Die Reaktion auf die tragischen globalen Entwicklungen auf dem europäischen Markt erfolgt mit einer großen Verspätung, und die Maßnahmen, die dem Markt vorgeschlagen werden, sind unzureichend.”