D er Journalist und Autor Roberto Saviano ist Experte für organisierte Kriminalität. Sein Bestseller Gomorrha wurde verfilmt, er selbst wird von der Mafia bedroht. Derzeit ist er in New York, wo euronews mit ihm per Telefon über die Verhaftung von Casalesi-Boss Zagaria gesprochen haben.
Saviano: „Die Verhaftung ist nicht nur deshalb sehr wichtig, weil sie eine symbolische Bedeutung hat oder weil ein Großkrimineller gefasst und der Justiz übergeben wurde, sondern vor allem deshalb, weil er als wichtige Figur der organisierten Kriminalität Verbindungen in die Wirtschaft hatte. Seine Verhaftung ermöglicht es uns, hinter die Kulissen eines der mächtigsten Clans der Welt zu blicken und seine Arbeitsweise zu verstehen.“
euronews: Wieso konnte er so lange untertauchen?
Saviano: „Ich bin sicher, dass der Sturz der Berlusconi-Regierung und der Machtverlust des ehemaligen Berlusconi-Vertrauten Nicola Cosentino dazu geführt hat, dass sich eine ganze Gruppe von Leuten aus diesem Milieu nicht mehr sicher vor der Strafverfolgung fühlt und deshalb jetzt mit der Polizei zusammenarbeitet. Wenn die politischen Bezugspersonen wegfallen, bekommen es viele Mafiosi mit der Angst zu tun. Ich denke, die Festnahme von Zagaria gelang auch, weil sich Italien in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht gewandelt hat.“
euronews: Wer war Michele Zagaria und wie ist er vorgegangen?
Saviano: „Michele Zagaria erfüllt das Bild eines Bauunternehmers, eines Geschäftsmannes, der in Italien und in ganz Europa investiert hat, besonders in der Zementindustrie. Er war der Mafia-Boss mit dem wenigsten Blut an den Händen, der nicht so gewalttätig wie seine Kollegen war. Der Mann, der heute verhaftet wurde, hatte viel mit der italienischen Geschäftswelt zu tun, deshalb war er viel gefährlicher als normale Kriminelle.“