W ahlwerbung kann man so kurz vor dem Abstimmungstermin in Moskauer Straßen nirgendwo mehr entgehen. An jedem Laternenpfahl hängt ein Wahlplakat. Und die allermeisten werben für die Regierungspartei “Geeintes Russland”, die auch in den überwiegend staatlich gelenkten Fernsehsendern die Politik-Sendungen dominiert.
Wer etwas anderes lesen will, geht ins Internet-Café. Eine Statistik vermeldet gut 50 Millionen Internetnutzer in Russland. Bei 141 Millionen Einwohnern also nur gut ein Drittel der Bevölkerung. In Deutschland haben 75% der Haushalte Internetanschluß. Die russische Statistik sagt auch nichts über die Verteilung im Land.
Man kann vermuten, dass weit ab der großen Städte auch der Anteil jener Bürger geringer wird, die etwa die unzensierte Fassung von Putins ausgebuhter Rede beim Boxkampf gesehen und gehört haben.
Dennoch sind für russische Verhältnisse 530 000 clicks auf diesen Bericht in 24 Stunden schon so eine Art neue “Glasnost”.
Russlands bekannte Blogger wie Anton Nossik sitzen alle in den großen Städten. Für sie ist das Internet das Medium geworden, dass am unabhängigsten funktioniere und den größten Einfluß habe.
Immerhin so einen großen Einfluß, dass sich nun auch der Kreml dieses Mediums bedient.
Sowohl als offizielles Sprachrohr – als auch über scheinbar unabhängige Unterstützer.
Die freizügigen jungen Mädchen, die sich da im wahrsten Sinne des Wortes für Putin zerreißen, die Bluse aufreißen, sprechen natürlich vor allem die “Generation Internet” an.
So findet denn im Internet statt, was die Staatsmacht in den alten, aber überall zuganglichen Medien, noch verhindern kann:
Die Opposition spielt mit. Auch wenn immer wieder Webseiten der Opposition von Hackern angegriffen werden. Der oppositionelle Blogger Alexej Navalny betrachtet das Internet als Chance, Widerstand zu organisieren. Dort bezeichnen sie “Geeintes Russland” als Partei der “Gauner und Diebe”. Sie nutzen es, um die Aktionen ihrer Anhänger in verschiedenen Städten zu koordinieren. Es ist ihre einzig mögliche Infrastruktur und die nutzen sie.
Die russische Wirklichkeit zeigt aber, dass diese besser Informierten immer noch arg in der Minderheit sind. Für die Mehrheit reichen solche Späße wie dieser Clip im staatlichen Fernsehen, um Dampf abzulassen. Wer auch mal über die Mächtigen lachen kann, erträgt sie gemeinhin leichter.