B erlin – Stefan Ziefle ist Mitarbeiter in der Bundestagsfraktion “DIE LINKE” und einer der Sprecher des “BAG Frieden und Internationale Politik” in der sog. Linkspartei.
In den vergangenen Wochen wurde er Opfer einer Diffamierungs-kampagne, im Rahmen der zionistischen “Antisemitismus”-Kampagne gegen Antifaschisten in der Linkspartei.
Nachstehend im Video sein – sehenswerter – Redebeitrag „Ist Kritik an Israel antisemitisch?” und anschliessend seine Antwort auf die jüngst medial verbreiteten Vorwürfe.
Auch dieser Vorgang verdeutlicht einmal mehr, wie zionistische Rechtsextremisten arbeiten, indem sie versuchen einzelne Personen in der Öffentlichkeit durch Lügen und Desinformation zu diskreditieren.
- Veranstaltung auf “Marx is Muss” Konferenz November 2010 Berlin -
Ist Kritik an Israel antisemitisch?
Eine Antwort auf die Vorwürfe gegen meinen Vortrag
von Stefan Ziefle - In der Debatte über das Verhältnis der LINKEN zum Nahostkonflikt sind in mehreren Blogs schwerwiegende Vorwürfe gegen mein Referat vom November 2010 erhoben worden. Ich möchte auf diese Vorwürfe antworten.
Ich gehe auf die Vorwürfe ein, weil es der Ernst des Themas verlangt, obwohl es meinem Kritiker offensichtlich darum ging, mich zu verleumden und er dafür meine Position bewusst und systematisch entstellt hat.
Der Kritiker gibt im selben Text auch seine Sicht auf den Nahostkonflikt zu erkennen. Er schreibt wörtlich von der „angeblichen Unterdrückung durch den israelischen Staat“.
Wer angesichts der Lage der PalästinenserInnen in den seit Jahrzehnten besetzten Gebieten und in den Flüchtlingslagern von einer „angeblichen Unterdrückung“ sprechen kann, kann meine Position nicht verstehen.
Teilweise werden mir frei erfundene Aussagen untergeschoben. Ein Beispiel: Ich hätte gesagt, Kritik an Israel könne niemals antisemitisch sein. Nirgends in meiner Rede habe ich derartiges behauptet; es wird auch kein Beleg dafür genannt.
Selbstverständlich kann Kritik an Israel antisemitisch sein. Sie ist es, wenn sie aus der Motivation heraus geäußert wird, den Nahostkonflikt zu nutzen, um gegen Jüdinnen und Juden zu hetzen. Das ist etwas anderes als eine Kritik am Staat oder der Regierung Israels, die der Sache selbst wegen geäußert wird.
Ich möchte nun auf die Vorwürfe im Einzelnen eingehen.
Der gravierendste Vorwurf ist folgender: „Gegen Ende seines Referats, das mit dem Wort Hetze noch fast verharmlosend umschrieben wäre, ging Ziefle aufs Ganze und rief zur Solidarität mit den antisemitischen Mordbanden auf.”
Dieser Vorwurf bezieht sich auf das Ende meines Schlusswortes. Der Vorwurf verdreht mein Anliegen in das glatte Gegenteil. Ich rufe in diesem Schlusswort zur Solidarität mit der globalen Bewegung auf und beziehe mich dabei ausdrücklich auf zwei Aktionen zivilen Ungehorsams: Die Free Gaza-Flottille und die internationalen Demonstrationen von Anfang 2010, als 1500 Aktivistinnen und Aktivisten friedlich die Grenze nach Gaza überwinden wollten und von Mubaraks Truppen gestoppt wurden.
Es geht also nicht um antisemitische Mordbanden. Zuvor hatte ich ausdrücklich festgestellt, dass Selbstmordanschläge der Sache der PalästinenserInnen geschadet haben und beschrieben, dass die Free Gaza-Flottille bei den Aktivistinnen und Aktivisten in den besetzten Gebieten zu einem Umdenken geführt hat, weil sie merken, dass durch solche gewaltfreien Aktionen und die weltweite Solidarität viel mehr erreicht werden kann.
Ein anderer Vorwurf lautet, ich hätte einen „flammenden Appell [...] für die antisemitische Hamas“ gehalten.
Das habe ich definitiv nicht, mein Referat enthielt einige Kritik an der Hamas, die ich auch mehrfach an anderer Stelle geäußert habe; die Hamas ist keine linke Organisation und ich habe mir ihr Programm an keiner Stelle zu eigen gemacht.
Allerdings habe ich die Position vertreten, dass man auch mit der Hamas zusammenarbeiten muss. Das hat einen einfachen Grund: Die Hamas hat die Wahlen von 2006 in den besetzten Gebieten gewonnen, sie regiert im Gaza-Streifen und ist die gewählte legitime politische Vertretung der PalästinenserInnen. Frieden kann es nur unter Einbeziehung der PalästinenserInnen geben.
Ihre politischen VertreterInnen bestimmen sie schon selbst, sie können nicht vom Westen oder von Israel eingesetzt werden.
Solange die Hamas im Gazastreifen an der Macht ist, wird jede Aktivität zur Unterstützung der Bevölkerung an der einen oder anderen Stelle eine Zusammenarbeit oder zumindest Absprache mit Hamas erfordern.
Das ist bis weit ins bürgerliche Lager unumstritten: Das UN-Hilfswerk UNRWA wie auch andere Hilfsorganisationen arbeiten beispielsweise mit der Hamas in den besetzten Gebieten zusammen. Das haben auch ehemalige Regierungschefs, Außenminister und Vermittler, inklusive einem ehemaligen israelischen Außenministers, in einer Erklärung letzte Woche deutlich gemacht: „Ein dauerhafter Frieden mit Israel ist ohne Unterstützung durch die Hamas nicht möglich.“
→ spiegel.de/politik/ausland/0,1518,767757,00.html
Solange die Vertreibung und Entrechtung der PalästinenserInnen durch die Siedlungspolitik des israelischen Staates weitergeht, ist es ein auch völkerrechtlich anerkanntes Recht der PalästinenserInnen, gegen diese Besatzung und Vertreibung Widerstand zu leisten. Dafür sollten Linke einstehen.
Für welche Art von Widerstand ich eintrete, habe ich oben bereits unmissverständlich deutlich gemacht.
Sodann wird mir vorgeworfen, den Antisemitismus zu leugnen: „Aber zu sagen, die Juden haben das Land geklaut (…) ist nicht antisemitisch“, behauptete der wissenschaftliche Mitarbeiter. Ebenso sei die Forderung „alle Juden ins Meer zu schmeißen kein Antisemitismus.“
An keiner Stelle habe ich gesagt, „alle Juden ins Meer treiben“ zu wollen, sei kein Antisemitismus. Nicht nur das, ich habe einen großen Teil meines Vortrags darauf verwendet, zu erläutern, dass der Nahost-Konflikt eben nicht als Konflikt zwischen Juden und Nicht-Juden, zwischen Religionen oder gar Rassen verstanden werden kann (wir wissen, dass es nur eine menschliche Rasse gibt), sondern dass er als politischer und geostrategischer Konflikt aufgefasst werden muss.
Es geht um die Verteilung von Land, um die Kontrolle des erdölreichen Nahen Ostens und um die politischen Rechte der PalästinenserInnen. Ich habe deutlich gemacht, dass es falsch ist, von „den Juden“ zu sprechen, was eine unzulässige Verallgemeinerung wäre.
Bei einer Lösung des Konfliktes geht es darum, für alle Menschen im Nahen Osten, egal welcher Religion oder Abstammung, ein Leben in Frieden, Wohlstand und Würde zu sichern.
Die Vertreibung und Unterdrückung der PalästinenserInnen durch Israel ist real. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, dass es einen fundamentalen Unterschied gibt zwischen dem Antisemitismus der Nazis, die eine jüdische Weltverschwörung zusammenphantasiert haben, die jüdische Bolschewisten und New Yorker Banker umfassen sollte und die jeglicher faktischer Grundlagen entbehrte, und einer Kritik an Israel, die Israels systematische Verstöße gegen die Menschenrechte der PalästinenserInnen “den Juden” zuschreibt.
Der Antisemitismus der Nazis bezog sich nicht auf ein reales gesellschaftliches Problem, sondern lenkte von den realen gesellschaftlichen Problemen ab.
Die Unterdrückung der PalästinenserInnen dagegen ist real, allerdings wird sie nicht von “den Juden” verübt, sondern von Israel, mit Unterstützung der westlichen Staaten (und auch mit Duldung oder Mitwirkung der umliegenden arabischen Staaten). Auch die Bedeutung der westlichen Staaten habe ich in meinem Referat dargestellt.
Deshalb trifft der Vorwurf ebenfalls nicht zu, ich würde Israel für alles Unrecht in der Region verantwortlich machen.
Viele PalästinenserInnen formulieren Kritik an Israel, aus offensichtlichen Gründen. Einige, nicht alle, schreiben dabei das Handeln Israels “den Juden” zu. Unterstützend wirkt dabei, dass israelische PolitikerInnen selber für sich in Anspruch nehmen, für alle Jüdinnen und Juden zu handeln und das auch so formulieren.
Wie oben bereits gesagt, halte ich eine solche Sichtweise, egal von welcher Seite, für falsch, kritikwürdig und kontraproduktiv. Mein Argument war jedoch, dass man Menschen, nur weil sie ihre Kritik an Vertreibung und Unterdrückung in den falschen Kategorien formulieren, nicht pauschal als Antisemiten einordnen kann.
Schließlich wird mir auch vorgeworfen, Zionismus und Nationalsozialismus gleichzusetzen: „Ziefle behauptete unter anderem, dass der ‚Zionismus eine völkische Ideologie‘ darstellen würde und verglich diesen mit dem Nationalsozialismus, der angeblich auf die gleichen Traditionslinien zurückblicken könne.“
Hier kann es hilfreich sein, zum Duden zu greifen. “Völkisch” ist ein Synonym zu “national”. Der Zionismus ist historisch die jüdische Nationalbewegung. Er versteht die Jüdinnen und Juden nicht als Religionsgemeinschaft, sondern als Volk. Ich habe das anhand von Aussagen zionistischer Vordenker der Zeit belegt.
In meinem Referat habe ich ausgeführt, dass dies keine Besonderheit des Zionismus war, sondern dass zum Zeitpunkt der Entstehung des Zionismus sehr viele bedeutende Nationalbewegungen entstanden sind, wie die serbische, ungarische und deutsche Nationalbewegung.
Eine Erscheinungsform des Nationalismus des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, wenngleich auch nicht die einzige, war der biologische Rassismus. Ein Ausdruck des biologischen Rassismus war auch der rassistisch begründete Antisemitismus. Ich habe darauf hingewiesen, dass der biologische Rassismus eine der wesentlichen Quellen für den Nationalsozialismus und in der Konsequenz für den Holocaust gewesen ist.
Der Zionismus, der als eine Antwort auf den Antisemitismus am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist, war ein Kind seiner Zeit und wies historisch ebenfalls rassistische Argumentationen auf. Ich habe dazu eindeutige Belege in meinem Referat angeführt.
So bezeichnete einer der bedeutendsten Vertreter des Zionismus in den USA, der Richter Louis D. Brandeis, in einer Rede 1915 das Jüdischsein als eine „Frage des Blutes“. Nahum Sokolow behauptete gar, die Jüdinnen und Juden wären die reinste aller Rassen.
Ein anderer führender Zionist, Arthur Ruppin, verurteilte Heiraten mit NichtJüdinnen und Juden, weil dadurch „der Rassencharakter verloren“ gehe.
Mir war es wichtig, klarzumachen, dass der Zionismus keine linke Ideologie ist und dass es einen Unterschied macht, ob man Jüdischsein als Frage der Religion oder als Frage der biologischen Abstammung versteht. Eine Relativierung des Nationalsozialismus durch Bezug auf den Zionismus oder gar eine Gleichsetzung von Zionismus und Nationalsozialismus liegen mir völlig fern, deswegen habe ich sie auch in meinem Referat nicht vorgenommen.
Soweit zu den Vorwürfen. Ich empfehle denjenigen, die an einer ernsthaften Auseinandersetzung interessiert sind, sich anhand von ungekürzten Dokumenten eine Meinung zu bilden, weil es auf die Argumentationskette ankommt, und sich nicht ihr Urteil zu bilden anhand der zusammengeschnittenen 9-minütigen Kurzfassung meiner vierzigminütigen Rede, die in der Absicht zusammengestellt worden ist, meine Position zu entstellen.
Vor wenigen Tagen hielt ich auf dem Kongress “Marx is muss 2011″ ein Referat zum selben Thema, das hier nachgelesen werden kann:
→ marx21.de/images/MIM2011/ist%20kritik%20an%20israel%20antisemitisch.pdf
Außerdem hier der Link zum Blog mit den Vorwürfen:
→ reflexion.blogsport.de/2011/06/03/die-thesen-des-stefan-ziefle/
Stefan Ziefle, Berlin den 12. Juni 2011
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