Erneut sind heute in Frankreich über drei Millionen Menschen gegen den von der Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy geplanten Abbau sozialer Rechte auf die Strasse gegangen. Seit über einer Woche artikuliert sich der breite Widerstand gegen den Klassenkampf von oben durch Generalstreiks und Demonstrationen, denen sich immer weitere Kreise der Bevölkerung anschliessen. Im Vordergrund steht dabei der Widerstand gegen die geplante Rentenreform und damit zusammenhängenden negativen sozialen Konsequenzen.
Weite Teile des Landes sind mittlerweile durch den Generalstreik lahmgelegt. Verkehrsmittel fahren nicht, Raffinerien haben die Produktion eingestellt und rund 4.000 der landesweit über 12.000 Tankstellen verkaufen kein Benzin mehr.
An den Massenprotesten beteiligen sich jetzt auch die LKW-Fahrer, die mit ihren Schwertransportern den Verkehr auf den Autobahnen behindern oder die Zufahrtswege zu den Depots der grossen Ölgesellschaften blockieren. Die zeitweise von der Polizei geräumten Produktionsanlagen wurden von den Arbeitern immer wieder zurückerobert und stillgelegt. Pendler und Geschäftsleute beklagten in Radiosendungen, Regierungschef François Fillion habe sein Versprechen, die Benzinversorgung notfalls mit Hilfe der Polizei durchzusetzen, nicht halten können.
Die verschiedenen kommunistischen/sozialistischen und bürgerlichen Gewerkschaften hatten für den sechsten landesweiten Aktionstag seit Mai insgesamt 277 Demonstrationen organisiert. Die Proteste richten sich u.a. gegen die geplante Anhebung des Renteneintrittsalters von 60 auf 62 Jahre und die Auszahlung der vollen Rentenbezüge vom 67. statt vom 65. Lebensjahr an. Über das gesamte Rentenpaket soll in dieser Woche der französische Senat abstimmen.
Nicht erst seit diesem machtvollen Generalstreik und den Demonstrationen von heute zeigt sich immer deutlicher, wie in Frankreich der politische Einfluss, Mobilisierungsfähigkeit und Wirkungsgrad politischer Richtungs-Gewerkschaften dem Konzept der deutschen Einheits-Gewerkschaft weit überlegen ist. Denn der breite gesellschaftliche Widerstand in unserem Nachbarland ist vor allem das Ergebnis der dortigen starken und kampfbereiten unterschiedlichen Gewerkschaften.