John Heartfield-Haus neu eröffnet (+ Vita)

Heartfields Arbeiten vor allem für die "Arbeiter Illustrierte Zeitung" (AIZ) und "Die Rote Fahne" prägten die visuelle Kommunikation ihrer Epoche.

- von RF  -

J ohn Heartfield ist einer der bedeutendsten europäischen Künstler. Er arbeitet auf einem von ihm selbst erschaffenen Feld, der Photomontage. Vermittels dieses neuen Kunstmittels übt er Gesellschaftskritik. Die Blätter dieses grossen Satirikers werden von vielen, darunter dem Verfasser dieser Zeilen, für klassisch gehalten.
Bertolt Brecht

In Anwesenheit von John Heartfields Enkel, Bob Sondermeijer wird das John Heartfield-Haus, der frühere Sommersitz Heartfields (1891–1968)
am Samstag den 04. September 2010, 15.00 Uhr
im brandenburgischen Waldsieversdorf festlich wiedereröffnet.

Das 2.400 Quadratmeter grosse Seegrundstück des Begründers der politischen Photomontage und Mitarbeiter der Roten Fahne war lange Zeit Gegenstand eines Rechtsstreits, der erst vor zwei Jahren entschieden werden konnte. Die Gemeinde Waldsieversdorf kaufte damals das Anwesen. Seitdem flossen über 120.000 Euro in die Sanierung.

Der Hauptwohnraum ist mit originalen Einrichtungsgegenständen aus Heartfields Nachlass eingerichtet worden.
In den beiden anderen Räumen ist derzeit die Ausstellung zu sehen:

John Heartfield und die ‚Free German League of Culture’
Reproduktionen von Photomontagen und Archivalien aus dem englischen Exil

Das John Heartfield Haus befindet sich im Schwarzen Weg 12,
der rechts vor dem Waldsieversdorfer Bahnhof von der Hauptstr. abzweigt.

Mit der Buckower Kleinbahn, die zwischen Müncheberg und Buckow in der Saison 01.05. – 3.10.2010 an den Wochenenden und an Feiertagen verkehrt, ist das Haus mit kurzen Fusswegen zu erreichen.

Öffentliche Verkehrsmittel:
Mit der Oderlandbahn NE 26 im Stundentakt ab Berlin Lichtenberg bis Müncheberg, Anschlussbus nach Waldsieversdorf oder an den Wochenenden in der Saison die Buckower Kleinbahn

Mit dem Auto:
B1/5 bis Müncheberg, B168 in Richtung Eberswalde, am Ortseingang Waldsieversdorf in Richtung “Zentrum”, nach ca. 2 km auf der rechten Seite

John Heartfield

John Heartfield

Vita

John Heartfield – * 19. Juni 1891 in Berlin-Schmargendorf; † 26. April 1968 in Berlin (Ost) – Geburtsname Helmut Herzfeld (auch als Herzfelde bekannt), war ein deutscher Maler, Graphiker, Typograph, Photomontagekünstler und Bühnenbildner.
Er war ein Pionier an der Schnittstelle zwischen Kunst und Medien und gilt als der Begründer der politischen Photomontage.

Heartfields Arbeiten vor allem für die “Arbeiter Illustrierte Zeitung” (AIZ) und “Die Rote Fahne” prägten die visuelle Kommunikation ihrer Epoche.
Dadurch trug Heartfield auch wesentlich zur Entwicklung moderner Bildsprache über das Genre hinaus bei.

Nach einer abgebrochenen Buchhändlerlehre und einer Ausbildung an Kunstgewerbeschulen in München und Berlin wurde er 1914 als Gardesoldat eingezogen, dann aber auf Grund einer simulierten Nervenkrankheit entlassen. Er verkehrte im Romanischen Café mit der Berliner Bohème um Else Lasker-Schüler und mit George Grosz und gehörte der kleinen Gruppe junger Berliner Intellektueller an, welche sich frühzeitig der allgemeinen Kriegsbefürwortung entzog.

Aus Protest gegen die antienglische Kriegspropaganda – Anlass war der Ausspruch Ernst Lissauers „Gott strafe England“ – nahm er den Namen John Heartfield an und gründete mit seinem Bruder Wieland Herzfeld(e) die oppositionelle Zeitschrift “Neue Jugend”, gestaltete die Typografie bei den beiden Wochenausgaben der “Neuen Jugend” und der “Kleinen Grosz-Mappe”, und gründete 1917 den nach einem Roman von Else Lasker-Schüler benannten “Malik-Verlag”.

Im letzten Kriegsjahr (1918) erarbeitete Heartfield zusammen mit George Grosz den Trickfilm „Pierre in St. Nazaire“ für die Militärische Bildstelle. Nach Fertigstellung nahm diese das Werk jedoch nicht ab.

John Heartfield war Gründungsmitglied der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands) am 31. Dezember 1918 und trat der Partei gemeinsam mit seinem Bruder, George Grosz und Erwin Piscator bei.

1919 gehörte Heartfield zu den Initiatoren der von Berlin ausgehenden DaDa Kunstbewegung und war in dieser Szene als „MonteurDaDa“ bekannt.

Im April 1920 gab Heartfield zusammen mit George Grosz und Raoul Hausmann “DaDa 3″ heraus. Im Juni beteiligte er sich an der “Ersten Internationalen DaDa-Messe” in Berlin. Im selben Jahr veröffentlichten er und Grosz den Aufsatz “Der Kunstlump”.

Nach einem Intermezzo als Ausstatter und Regisseur bei der UFA arbeitete Heartfield als Ausstattungsleiter der Reinhardt-Bühnen in Berlin unter Erwin Piscator und engagierte sich für die KPD in deren graphisches Atelier.

Photomontage von John Heartfield, „Krieg und Leichen - die letzte Hoffnung der Reichen“, 1932

„Krieg und Leichen – die letzte Hoffnung der Reichen“,
Photomontage von John Heartfield 1932

Die ab 1921 von Heartfield entworfenen Schutzumschläge und Bucheinbände für den Malik-Verlag und andere Verlage zeichneten sich bereits durch seine Photomontagetechnik aus und waren derart bahnbrechend, dass diese auch ohne das dazugehörige Buch beim Verlag bestellt wurden.
1923 wurde er Mitarbeiter der Satirezeitschrift “Der Knüppel”.

1924 erschien Heartfields Photomontage “Väter und Söhne 1924″. Sie gilt als erste explizit politische Photomontage Heartfields. Auf dem Bild ist Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg zu sehen, hinter dem Soldatenskelette strammstehen. Ein Trupp Kinder in Kadettenuniform mit Gewehren über der Schulter zieht an ihnen, den mutmaßlichen toten Vätern, vorbei.

RFTV: John Heartfield 1891 – 1968

John Heartfield erstellte ab den 20er Jahren wiederholt auch Plakate und Titelblätter für die KPD und “Die Rote Fahne”. Die Gestaltung des teilweise avantgardistischen Designs der Roten Fahne oblag meist der Zeichnerin Helen Ernst. George Grosz und John Heartfield entwarfen ebenfalls Titelseiten, darunter weltberühmt gewordene Kollagen.

Gemeinsam mit Kurt Tucholsky gab Heartfield 1929 den viel beachteten Bildband “Deutschland, Deutschland über alles” heraus.

1930 wurde Heartfield ständiger Mitarbeiter der von Willi Münzenberg herausgegebenen “Arbeiter Illustrierte Zeitung” (AIZ), für die bis 1938 die klassischen Photomontagen zur Zeitgeschichte entstanden, ab 1936 “Die Volks-Illustrierte” (VI).
Ab dem Frühjahr 1931 lebte der Künstler für ein Jahr in der Sowjetunion und arbeitete dort an verschiedenen Projekten, Ausstellungen und Theaterstücken.

1933 floh John Heartfield vor dem NS-Regime in die Tschechoslowakei, nachdem die SA seine Wohnung gestürmt hatte. Von Prag aus setzte er seine Arbeit für antifaschistische Publikationen in Deutschland fort.

John Heartfield AIZ, Der Sinn des Hitlergrusses

John Heartfield AIZ, Der Sinn des Hitlergrusses

Eine seiner bekanntesten Arbeiten ist mit “Millionen stehen hinter mir” betitelt und zeigt Adolf Hitler, in dessen zum Gruss nach hinten geklappte Hand ein archetypischer Industrieller Geldbündel legt.

1934 wurde Heartfield offiziell aus Deutschland ausgebürgert. Er beteiligte sich an der Karikaturenausstellung des Kunstvereins Mánes in Prag. Eine Protestnote des deutschen Gesandten gegen ihn und sein Schaffen erschwerte seine weitere Arbeit im Prager Exil.

1935 folgte eine Ausstellung seiner Werke in Paris, an der Heartfield selbst mitarbeitete. 1936 erschien die erste Monographie, geschrieben von Sergei Tretjakow. Mit ihm hatte Heartfield viel Zeit während seines Aufenthalts in der Sowjetunion verbracht.

Am 06. Dezember 1938 floh Heartfield mit Hilfe englischer Genossen auf dem Luftweg nach Grossbritannien. In London arbeitete er als Buchgestalter für englische Verlage und erhielt eine Arbeitserlaubnis als freischaffender Cartoonist.

1940 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand, da er als feindlicher Ausländer in einem Internierungslager festgehalten wurde. Er beteiligte sich an Veranstaltungen des “Freien Deutschen Kulturbundes” und betätigte sich als Buchgestalter für englische Verlage.

Im Spätsommer 1950 war John Heartfield mit seiner Frau aus dem englischen Exil in die DDR übergesiedelt. Zunächst lebten sie in Leipzig, ab 1956 in Berlin. Heartfield arbeitete für Verlage und Theater, illustrierte Bücher, gestaltete Buchumschläge und Bühnenbilder, u.a. für Bertolt Brecht.

Während der “Formalismusdebatte” wurden auch Heartfields Werke diskreditiert. Brecht riet dem gesundheitlich angeschlagenen Heartfield, der bereits 1951 und 1952 zwei schwere Herzinfarkte erlitten hatte, zu dem Refugium nahe Buckow.

1956 wurde Heartfield zum Mitglied der Deutschen Akademie der Künste (DDR) gewählt. Es folgten weitere staatliche Ehrungen und zahlreiche internationale Ausstellungen.

1957 pachtete John Heartfield das Grundstück Schwarzer Weg 12 am Grossen Däbersee in Waldsieversdorf und errichtete das kleine Sommerhaus.

Am 26. April 1968 starb John Heartfield nach einer schweren Virusgrippe in Berlin. Er wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt.

Dem Testament der Eheleute John und Gertrud Heartfield entsprechend, wurde 1984 ein Archiv für den gesamten künstlerischen und schriftlichen Nachlass eingerichtet. Diese Schenkung wird heute als eines der bedeutendsten Zeugnisse der Berliner und deutschen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts vom Archiv der Akademie der Künste betreut.

Die Gemeinde Waldsieversdorf, der Freundeskreis John Heartfield und die Akademie der Künste haben in elfjähriger Zusammenarbeit die Rekonstruktion des John Heartfield-Hauses in Waldsieversdorf verwirklicht.
Seit April 2010 wurde das Haus mit Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes saniert. Grundlage hierfür waren Photos und Dokumente aus dem schriftlichen Nachlass John Heartfields in der Akademie der Künste.
Jetzt befindet sich im Haus ein teils mit Originalobjekten wieder eingerichteter Wohnraum und die Ausstellung “John Heartfield und die ‚Free German League of Culture’ – Reproduktionen von Photomontagen und Archivalien aus dem englischen Exil”.

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