P rof. Dr. Erich Buchholz, emeritierter Ordinarius für Strafrecht an der Humboldt Universität zu Berlin und bester Kenner des DDR-Strafrechts, vergleicht im Gespräch mit Prof. Dr. Michael Friedrich Vogt die Rechtsordnung der beiden deutschen Staaten. Wie hat sich die Rechtslage für die Bürger aus dem Beitrittsgebiet mit dem 03.10.1990 verändert? Wurden die DDR-Bürger juristisch gesehen zu Menschen zweiter Klasse?
Als am 21. Juni 1990 von der letzten Volkskammer der DDR das Gesetz zum ersten Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der DDR und der BRD verabschiedet wurde, ahnte wohl niemand, dass in kürzester Zeit über 1.000 Blatt Gesetze und Verordnungen zu erlassen sein würden.
Gleichwohl hatten die gewählten Volksvertreter die Voraussetzungen schon geschaffen, setzten sie doch mit einem Federstrich am 17. Juni die DDR-Verfassung von 1968 ausser kraft, um künftig Verfassungsgrundsätze gelten zu lassen, die so schwammig formuliert waren, dass dem Einzug bundesdeutschen Rechts in der Noch-DDR schon vor dem 03. Oktober 1990 Tür und Tor geöffnet wurden.
Lässt man sich anderswo im Gesetzgebungsverfahren die Zeit, die notwendig ist um das Für und Wider sorgfältig abzuwägen, wurden nunmehr Gesetze und Verordnungen durchgepeitscht, die anderswo geschrieben waren.
Was folgte war Katzenjammer. Mit dem 17. Juni 1990 wurde eine neue Treuhand geschaffen, die nunmehr schnellstens privatisieren sollte, in Wahrheit aber dem international organisierten Kapital lästige Konkurrenten liquidierte.
Für die Menschen waren die Folgen schnell spürbar: über 4 Millionen Arbeitsplätze fielen weg. Der aus der DDR gewohnte Rechtsschutz am Arbeitsplatz, ein Recht auf Arbeit Fehlanzeige. So wurden in den wenigen Wochen bis Ende August die Bürger mit neuen Gesetzen und Verordnungen überschwemmt. Nichts blieb wie es einmal war, die DDR total liquidiert.
Hinzu kam, dass in einer geradezu unglaublichen Beugung des Rechts ehemalige DDR-Bürger mit den Gesetzen der DDR in einer speziellen Interpretation durch BRD-Richter konfrontiert und reihenweise abgeurteilt wurden:
Siegerjustiz pur in einem Land, das sich nach aussen gerade das Zusammenwachsen auf die Fahnen geschrieben hatte.