W ien – Alfred Hrdlicka ist tot. Der Bildhauer, Maler und Zeichner starb am vergangenen Samstag in Wien im Alter von 81 Jahren. Er gilt als einer der bekanntesten und bedeutendsten Gegenwartskünstler Österreichs und Europas.
Entsprechend sind die Reaktionen in der Alpenrepublik. Bundespräsident Heinz Fischer würdigte Hrdlicka als „grose Künstlerpersönlichkeit und herausragenden Bildhauer. Sein Werk, das auch international höchste Beachtung erlangte, war immer künstlerisch und politisch geprägt und von gesellschaftlichen Idealen erfüllt“.
Mit Alfred Hrdlicka verliere Österreich „nicht nur eine herausragende Persönlichkeit der Kunst, sondern auch einen Streiter, eine laute Stimme für eine bessere Welt“, so Bundeskanzler Werner Faymann.
Der Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny hob Hrdlickas „stets kraftvolle, unkonventionelle und mahnende Stimme“ hervor und erinnerte vor allem an das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus, mit dem der Bildhauer auf dem Albertinaplatz einen der zentralen Orte des Gedenkens in Wien geschaffen habe.
„Er hat dazu beigetragen, dass die Verbrechen des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten – so wie seine antifaschistische Haltung in allen seinen Arbeiten klar zum Ausdruck kam“, führte Mailath-Pokorny weiter aus.
Zur Welt kam Alfred Hrdlicka 1928 in Wien. Sein politisches Verständnis wurde schon in der Kindheit geprägt, als sein kommunistischer Vater von den Nazis verhaftet und zur Zwangsarbeit verurteilt wurde und sein Bruder als Soldat der Wehrmacht vor Leningrad fiel.
Daher verstand Hrdlicka seine Kunst immer auch als gesellschaftspolitische Aussage, die kämpferisch sein sollte und provozieren durfte.
Sein Studium nahm er 1946 an der Akademie der Bildenden Künste Wien in den Malereiklassen von Albert Paris Gütersloh und Josef Dobrowsky auf.
Von 1953 studierte er Bildhauerei bei Fritz Wotruba. Der Mensch stand im Mittelpunkt seines stets figurativen Schaffens, womit sich Hrdlicka in den 1950er und 1960er Jahren dem Kunsttrend zur Abstraktion widersetzte.
Die Ungegenständlichkeit bezeichnete er in seiner direkten Art als „nette Spielerei“, ab letztlich „Quatsch“. Sein künstlerisches Credo formulierte er daher mit dem Satz „Alle Macht in der Kunst geht vom Fleische aus“.
Vor allem mit seinen Skulpturen schuf er Werke von aussergewöhnlicher physischer und psychischer Existenzialität und Exzessivität. In expressiver Darstellung setzte Hrdlicka sein künstlerisches Zentrum am menschlichen Erleiden, Erdulden und Entgegnen an.
Der Mensch in seinen verschiedenen Befindlichkeiten und Situationen, in Leid, Tod, Krankheit, Bedrohung, Schändung und Verzweiflung waren seine Themen. Dabei nahm er auch immer brisante politische und soziale Ereignisse der unmittelbaren Gegenwart in den Blick und analysierte Formen menschlicher Sexualität, die oft selbstbezogen in drastischen und gewaltsamen, oft pornografischen Bildern Ausdruck erhielten.
Zentral war für ihn zudem die Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus im Dritten Reich. So verarbeite Hrdlicka etwa in den 53 Grafiken „Fast wie ein Totentanz – Radierungen zum 20. Juli“ das Attentat auf Adolf Hitler, die Schauprozesse und Hinrichtungen der Widerständler.
Schon früh erhielt Alfred Hrdlicka internationale Anerkennung, als er 1964 gemeinsam mit Herbert Boeckl Österreich auf der 32ten Biennale in Venedig vertrat. Dass das Werk das Kommunisten und Klassenkämpfer, der 1956 die Kommunistische Partei Österreichs wegen der gewaltsamen Niederschlagung des ungarischen Aufstands verliess, nicht überall auf Gegenliebe stiess, war abzusehen.
Vor allem um den strassenwaschenden Juden im Mahnmal gegen Krieg und Faschismus auf dem Albertinaplatz in Wien gab es jahrelange Auseinandersetzungen und Proteste.
Hrdlicka wollte hierfür keine „Blumenabwurfstelle“ schaffen, sondern eine „Wunde, die schmerzt“. Schon 1967 fand sich eine “Liga gegen entartete Kunst” zusammen, als man sein Denkmal für den sozialdemokratischen Staatspräsidenten Karl Renner enthüllte.
Aber auch in Deutschland, wo er in Stuttgart, Hamburg und Berlin als Professor lehrte, erregte Hrdlicka mit seiner Kunst Aufsehen, so 1970 in Berlin mit dem „Plötzenseer Totentanz“ oder zu Beginn der 1980er Jahre in Hamburg mit seinem „Gegendenkmal“ zum Kriegerehrenmal, das unvollendet blieb.