G egen wen richtet sich das sogenannte “Erdöl-Embargo” der Europäischen Union eigentlich wirklich? – Hierbei geht es in Wahrheit um eine wichtige geostrategische Frage.
Teheran verurteilte die EU-Maßnahmen gegen den Iran nicht nur als kontraproduktiv, sondern richtete an die Adresse der EU auch die Warnung, das EU-Erdölimportembargo werde diese Länder und ihre Volkswirtschaften stärker treffen als den Iran.
Aber ist diese Warnung an die führenden Politiker der EU, die neuen Sanktionen seien unsinnig und richteten sich gegen ihre nationalen Interessen und die Interessen der EU, wirklich berechtigt? Wer wird letzten Endes von den Ereignissen, die mit diesem Schritt in Gang gesetzt wurden, profitieren?
Erdölembargos gegen den Iran sind nichts Neues
1951 verstaatlichte die iranische Regierung unter Ministerpräsident Mohammed Mossadegh mit Zustimmung des iranischen Parlaments die Erdölindustrie des Landes.
Als Folge dieses Schrittes blockierte Grossbritannien die Hoheitsgewässer und die Häfen des Iran mit seiner Kriegsmarine und verhinderte so, dass der Iran Erdöl exportieren konnte.
Zugleich brachten die Briten mit militärischen Mitteln den Handel des Iran zum Erliegen. London fror iranische Vermögen ein und versuchte das Land über Sanktionen zu isolieren. Die Regierung Dr. Mossadeghs war demokratisch gewählt worden und konnte von den Briten deshalb im Inland nicht so einfach in den Schmutz gezogen werden.
Daher stellten sie Mossadegh als Vasall der Sowjetunion dar, der zusammen mit seinen marxistischen Verbündeten den Iran in ein kommunistisches Land verwandeln wolle.
Auf die völkerrechtswidrige britische Seeblockade folgte zwei Jahre später im Rahmen eines von den Anglo-Amerikanern herbeigeführten Sturzes Mossadeghs dann der “Regimewechsel” in Teheran.
Dieser Putsch machte den Schah, der nach der Verfassung eigentlich ein konstitutioneller Monarch war, zu einem absoluten Herrscher und Diktator, vergleichbar mit den Königen Jordaniens, Saudi-Arabiens, Bahrains und Katars.
Über Nacht wurde der Iran von einer demokratischen konstitutionellen Monarchie in eine Diktatur verwandelt.
Heute ist ein Erdölembargo gegen den Iran anders als Anfang der 1950er-Jahre mit militärischen Mitteln nicht durchzusetzen. Deshalb verschanzen sich London und Washington hinter rechtschaffenen Phrasen und schieben die angeblichen Bestrebungen des Iran, Atomwaffen zu entwickeln, als Vorwand vor.
Aber wie in den 1950ern zielt das Erdölembargo gegen Teheran letztlich auf einen Regimewechsel ab. Aber hinter dem Vorhaben Washingtons, ein Erdölembargo gegen die Iraner durchzusetzen, stehen noch tieferliegende und weitreichendere Ziele, die über die Grenzen des Iran hinausreichen.
Die Europäische Union und die iranischen Erdölexporte
Die Volksrepublik China ist der grösste Abnehmer iranischen Erdöls. Nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur mit Sitz in Paris, die nach dem arabischen Erdölembargo 1973 als strategischer Arm der westlichen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aufgebaut wurde, exportiert der Iran täglich 543.000 Barrel Erdöl nach China.
Weitere Grossabnehmer sind Indien, die Türkei, Japan und Südkorea. Indien erhält 341.000 Barrel aus dem Iran, die Türkei importiert 370.000 Barrel täglich, Japan 251.000 Barrel und Südkorea 239.000 Barrel.
Nach Angaben des iranischen Erdölministeriums beträgt der Anteil der iranischen Erdölexporte in die Europäische Union lediglich 18 Prozent und damit weniger als ein Fünftel der gesamten iranischen Erdölverkäufe. Dieser Anteil, wohlgemerkt aller erdölimportierenden EU-Staaten zusammengenommen, wird von einigen als Beleg für die Wirksamkeit des EU-Erdölembargos gegen den Iran angeführt.
Der Iran könnte den Wegfall der europäischen Erdölimporte durch neue Käufer oder durch Erhöhung der Liefermengen an schon existierende Importländer wie China und Indien ausgleichen.
Eine Vereinbarung des Iran über die Anlage strategischer Reserven mit China könnte einen grossen Teil der Exportausfälle aufgrund des EU-Embargos ersetzen. Das Erdölembargo gegen den Iran wird daher nur minimale Auswirklungen auf das Land haben. Es ist sogar wahrscheinlich, dass negative Folgen eher von den weltweiten Auswirkungen des Embargos gegen den Iran herrühren werden.
Der Iran und der weltweite Währungskrieg
Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) machen Dollar und Euro zusammen etwa 84,8 Prozent der derzeitigen Devisenreserven weltweit aus (Stand Ende 2011). Für sich genommen nahm der US-Dollar mit 61,7 Prozent 2011 den Löwenanteil an den weltweiten Devisenreserven ein.
Die Energieverkäufe machen dabei einen gewichtigen Anteil aus, da die Bezahlung der Energierohstoffe grösstenteils in US-Dollar abgewickelt wird.
Dieses Petrodollar-System ist eine der wichtigsten Säulen des internationalen Wertes des Dollars. Fast alle Länder der Welt sind praktisch gezwungen, US-Dollar-Devisenreserven anzulegen, um ihre Energie- und Handelsbedürfnisse befriedigen zu können.
Um die Bedeutung des internationalen Erdölgeschäfts für die USA zu verdeutlichen, sei nur darauf hingewiesen, dass alle Mitgliedsstaaten des Golf-Kooperationsrates (GCC) – Saudi-Arabien, Bahrain, Katar, Kuwait, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate – ihre jeweiligen Landeswährungen an den Dollar gekoppelt haben und das Petrodollar-System dadurch stützen, dass sie den Handel mit ihrem Erdöl in US-Dollar abwickeln.
Darüber hinaus sind auch die Währungen des Libanon, Jordaniens, Eritreas, Dschibutis, Belizes und noch verschiedener anderer tropischer Inseln in der Karibik ebenfalls an den Dollar gebunden.
Und neben den überseeischen Territorien der USA benutzen auch El Salvador, Ecuador und Panama den Dollar offiziell als ihre Landeswährung.
Der Euro steht einerseits im Konkurrenz zum US-Dollar, ist aber zugleich die Währung verbündeter Länder. Beide Währungen arbeiten in vielen Fällen Hand in Hand gegen andere Währungen und werden offensichtlich durch die immer enger zusammenrückende und konzentrierende Macht der Finanzzentren kontrolliert.
Neben den 17 EU-Mitgliedern, die den Euro als Einheitswährung verwenden, verfügen auch das Fürstentum Monaco, San Marino und der Vatikanstaat über Ausgaberechte, und sowohl Montenegro als auch die mehrheitlich von Albanern bewohnte serbische Provinz Kosovo setzen den Euro als Landeswährung ein.
Ausserhalb der Euro-Zone sind die Währungen Bosniens, Bulgariens, Dänemarks, Lettlands und Litauens in Europa, die Währungen Kap Verdes, der Komoren, Marokkos, der Demokratischen Republik São Thomé und Príncipe sowie die beiden CFA-Währungszonen in Afrika (dieCoopération Financière en Afrique Central in Zentralafrika und die Communauté Financière d’Afrique in Westafrika) sowie die Währungen verschiedener westeuropäischer Überseegebiete wie Grönland alle an den Euro gebunden.
Auch andere Währungszonen sind direkt an den Euro gekoppelt. In Ozeanien sind der Comptoir Francais du Pacifique (CFP-) Franc, der auch einfach “Franc Pacifique” genannt und in einer Währungsunion der französischen Überseegebiete in Französisch-Polynesien benutzt wird, Neukaledonien und das französische Überseegebiet der Wallis- und Futuna-Inseln an den Euro gebunden.
Wie schon erwähnt sind auch die beiden CFA-Zonen in Afrika eine Bindung an den Euro eingegangen. Damit haben sowohl die Finanzunion Westafrikas, dazu gehören Benin, Burkina Faso, die Elfenbeinküste, Guinea-Bissau, Mali, Niger, der Senegal und Togo mit dem westafrikanischen CFA-Franc, sowie die Finanzunion Zentralafrikas mit Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik, dem Tschad, der Republik Kongo (Kongo-Brazzaville), Äquatorial-Guinea und Gabun mit ihrem zentralafrikanischen CFA-Franc, ihr Schicksal an den Wert des Euro geknüpft.
Der Iran strebt im Zusammenhang mit den zunehmenden Feindseligkeiten mit den USA und der Europäischen Union keine militärische Konfrontation an. Entgegen den immer wieder verbreiteten Berichten erklärte Teheran, die Blockade der Strasse von Hormus sei nur das letzte Mittel.
Zugleich haben die Iraner deutlich gemacht, dass sie amerikanischen Schiffen oder Schiffen ihnen feindlich gesonnener Länder die Durchfahrt durch die iranische Hoheitsgewässer nicht länger gestatten werden, was ihr gutes Recht ist.
Schiffe dieser Länder könnten die Hoheitsgewässer Omans in der Strasse von Hormus benutzen. Allerdings wirft das für die USA und andere iranische Gegner Probleme auf, da die Gewässer Omans in der Strasse von Hormus zu flach sind.
Anstelle einer militärischen Konfrontation setzt sich Teheran wirtschaftlich auf unterschiedlichen Ebenen zur Wehr. Als ersten Schritt begann der Iran bereits vor 2012 damit, seine internationalen Erdölverkäufe und den -handel hinsichtlich der damit verbundenen Devisentransaktion zu diversifizieren.
Mit diesem bewussten Schritt will sich der Iran aus der Abhängigkeit vom US-Dollar lösen, wie es auch schon Saddam Hussein 2000 getan hatte, um sich gegen die dem Irak auferlegten Sanktionen zur Wehr zu setzen.
In diesem Zusammenhang errichtete der Iran in Konkurrenz zur New Yorker Warenterminbörse Mercantile Exchange (NYMEX) und der in London sitzenden International Petroleum Exchange (IPE), die beide ihren Transaktionen den US-Dollar zugrunde legen, eine eigene internationale Energiebörse.
Diese iranische Börse, die Kish Oil Bourse, wurde offiziell im August 2011 auf der Insel Kisch im Persischen Golf eröffnet. Bei ihren ersten Transaktionen nutze sie den Euro und den Dirham der Vereinigten Arabischen Emirate.
Vor dem Hintergrund der Konkurrenz zwischen Euro und US-Dollar wollten sich die Iraner ursprünglich für den Euro und ein Petro-Euro-System entscheiden, weil sie hofften, die Konkurrenz zwischen dem US-Dollar und dem Euro würde die Europäische Union langfristig zu einem Verbündeten des Iran machen und zu einer allmählichen Abkoppelung der EU von den USA beitragen.
Aber mit den zunehmenden politischen Spannungen mit der EU verlor das Petro-Euro-System für Teheran an Attraktivität. Der Iran erkannte, dass sich die Europäische Union unter einer korrupten Führung den amerikanischen Interessen unterordnet. Daher ist Teheran, wenn auch nicht in gleicher Intensität, bemüht, sich auch vom Euro zu lösen.
Darüber hinaus versucht der Iran den Einsatz von US-Dollar und Euro in bilateralen Handelsbeziehungen zu umgehen. Der Iran und Indien verhandeln derzeit über die Bezahlung für iranisches Erdöl in Gold. Der iranisch-russische Handel wird in iranischen Rial und russischen Rubel abgewickelt, während der Handel des Iran mit China unter Verwendung des chinesischen Renminbi, iranischem Rial, japanischem Yen oder anderen Währungen mit Ausnahme des US-Dollar und des Euro abgewickelt werden.
Eigentlich hätte der Euro grosse Vorteile aus einem Petro-Euro-System ziehen können, aber das Vorgehen der Europäischen Union hat diese Perspektive praktisch zunichte gemacht. Das Erdölembargo der EU ist praktisch nur der letzte Sargnagel.
Auf weltweiter Ebene schwächt die sich abzeichnende zunehmende Abkehr des eurasischen und internationalen Handels von US-Dollar und Euro als Reservewährungen diese beiden Währungen.
Das iranische Parlament berät derzeit über ein Gesetz, das solange einen sofortigen Stopp der Erdölexporte an die Mitglieder der EU, die sich an den Sanktionen gegen den Iran beteiligen, vorsieht, bis das EU-Erdölembargo aufgehoben wird.
Ein solcher Schritt würde den Euro vor allem auch deswegen erheblich unter Druck setzen, weil die EU kaum Zeit haben würde, sich auf den Ausfall der iranischen Erdöllieferungen einzustellen.
Aber es zeichnen sich noch andere Interpretationsmöglichkeiten ab. Vielleicht sind diese Entwicklungen auch im Sinne Washingtons, das die Europäische Union schwächen will.
Es könnte aber auch sein, dass die USA und bestimmte einzelne EU-Mitgliedstaaten gegen strategische wirtschaftliche Konkurrenten oder andere aufstrebende Märkte zusammenarbeiten.
Wer trägt den Nutzen? Die wirtschaftlichen Absichten reichen über den Iran hinaus
Die Einstellung der iranischen Erdölexporte und der Wertverlust des Euro spielten direkt den USA und dem US-Dollar in die Hände. Das Vorgehen der EU trägt zu ihrer eigenen Schwächung bei und begünstigt den US-Dollar in seiner Konkurrenz zum Euro.
Sollte der Euro tatsächlich zusammenbrechen, könnte der US-Dollar schnell zumindest teilweise einspringen. Obwohl Russland von höheren Erdölpreisen profitierte und als wichtiger Energielieferant seinen Einfluss noch stärken könnte, warnte der Kreml die EU, dass sie mit ihrem Vorgehen ihre eigenen Interessen zuwiderhandele und sich Washington unterordne.
Die wirtschaftlichen Folgen steigender Erdölpreise wiegen schwer. Ist die Europäische Union in der Lage, solchen wirtschaftlichen Turbulenzen oder sogar einem Euro-Zusammenbruch standzuhalten?
Das Erdölembargo der EU gegen den Iran wird den Euro destabilisieren und dann lawinenartig auch andere Volkswirtschaften ausserhalb der EU in Mitleidenschaft ziehen. Teheran hatte gewarnt, die USA zielten eigentlich darauf ab, über die Durchsetzung des EU-Erdölembargos konkurrierende Volkswirtschaften zu schwächen.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegung ergibt es dann auch einen Sinn, dass die USA versuchen, in Asien China, Indien, Südkorea und Japan dazu zu bewegen, ihre iranischen Erdölimporte zu drosseln oder ganz einzustellen.
Innerhalb der Europäischen Union werden vor allem die schwächsten und angeschlagenen Volkswirtschaften wie Griechenland und Spanien am stärksten unter den Folgen des EU-Erdölembargos zu leiden haben.
Die Erdölraffinerien in den EU-Ländern, die bisher iranisches Erdöl verarbeitet hatten, werden sich neue Lieferanten suchen und ihr weiteres operatives Vorgehen den neuen Gegebenheiten anpassen müssen. Einer der führenden Manager der italienischen Unione Petrolifera, Piero De Simone, erklärte, es sei damit zu rechnen, dass bis zu 70 Erdölraffinerien geschlossen werden müssten.
Möglicherweise würden dann asiatische Länder raffiniertes iranisches Erdöl zulasten der lokalen Raffinerien und Erdölindustrie an die EU verkaufen.
Trotz gegenteiliger politisch motivierter Stellungnahmen zur Unterstützung des Erdölembargos gegen den Iran wird Saudi-Arabien kaum in der Lage sein, die aufgrund des Embargos in der EU und auf anderen Märkten entstehenden Lieferlücken auszugleichen.
Ein Engpass in der Erdölversorgung und die veränderten Produktionsbedingungen dürften sich in vielerlei Hinsicht verschärfend auf die Lage in der Europäischen Union auswirken und die Kosten für die Produktion industrieller Güter, den Transport und die Marktpreise in die Höhe treiben. Es ist daher damit zu rechnen, dass sich die Krise in der Euro-Zone noch weiter verschärfen wird.
Aber der Preisanstieg bei Gütern des alltäglichen Bedarfs, von Nahrungsmitteln bis zum Transport- und Verkehrswesen, wird nicht auf die EU beschränkt bleiben, sondern wird weltweit Auswirkungen nach sich ziehen. Und wenn die Preise auf weltweiter Ebene anziehen, werden sich die Volkswirtschaften Lateinamerikas, der Karibik, Afrikas, des Nahen und Mittleren Ostens und der Pazifik-Region neuen Schwierigkeiten gegenübersehen, die die Finanzwirtschaft in den USA und einige ihrer Partner, darunter auch EU-Mitgliedsstaaten, zu ihrem Vorteil ausnutzen und bestimmte Bereiche und Märkte in den genannten Regionen übernehmen könnten.
Der IWF und die Weltbank könnten in ihrer Funktion als Bretton-Woods-Sachwalter der Interessen der Wall Street unter Ausnutzung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten dieser Länder versuchen, dort weitere Privatisierungsprogramme durchzusetzen, die letzten Endes nur der Finanzwirtschaft der USA und ihrer wichtigsten Verbündeten zugute kämen.
So gesehen wird viel davon abhängen, an wen der Iran seine durch das EU-Embargo frei gewordenen Erdölfördermenge von immer 18 Prozent der Tagesförderung verkaufen wird.
Die Folgen des arabischen Erdölembargos von 1973: Libyen und die Internationale Energieagentur
Viele Länder in Afrika oder der Pazifik-Region verfügen über keine strategischen Erdölreserven und sind daher weltweiten Preissteigerungen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Demgegenüber haben die USA und die EU alles versucht, sich selbst in strategischer Hinsicht vor den Folgen derartiger nachteiliger Entwicklungen zu schützen.
Und hier kommt nun die Internationale Energieagentur (IEA) mit Sitz in Paris ins Spiel. Auch die libyschen Erdölvorkommen spielen bei den Feindseligkeiten und der Erdölpolitik im Zusammenhang mit dem Iran eine wichtige Rolle.
Die IEA wurde nach dem arabischen Erdölembargo 1973 ins Leben gerufen. Wie schon erwähnt, ist sie sozusagen “der strategische Arm der westlichen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)”.
In der OECD haben sich wichtige Länder des “Westens” zusammengeschlossen: unter anderem die USA, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien, Belgien, Dänemark, Japan, Kanada, Südkorea, die Türkei, Australien, Israel und Neuseeland. Die OECD besteht damit im Wesentlichen aus den USA und ihren Verbündeten und Vasallen.
Mit Ausnahme von Israel, Chile, Estland, Island, Slowenien und Mexiko gehören alle OECD-Mitgliedstaaten auch der IEA an.
Seit ihrer Gründung 1974 gehört die Anlage strategischer Erdölreserven für die OECD-Länder zu den wichtigsten Aufgaben der IEA. Während des NATO-Krieges gegen Libyen stellte die IEA einen Teil ihrer strategischen Reserven zur Verfügung, um die Lücke, die durch die eingestellten libyschen Erdöllieferungen entstanden war, zu füllen.
Zuvor hatte die IAE ihre Reserven nur zweimal angezapft: im ersten Irakkrieg der von Amerika angeführten Militärkoalition und 2005, als der Hurrikan Katrina die USA heimsuchte.
Mit dem Krieg in Libyen wurden zahlreiche Ziele verfolgt. Man wollte:
1. die afrikanischen Einheitsbestrebungen vereiteln;
2. China aus Afrika hinausdrängen;
3. die strategische Kontrolle über wichtige Energiereserven an sich reissen und
4. die Erdölversorgung für den im Fall eines von den USA angeführten Konflikts mit Syrien und den Iran sicherstellen.
Mit dem NATO-Krieg in Libyen wurden (aus anglo-amerikanischer Sicht) die Erdöllieferungen aus Libyen gesichert, denn es hatte die Gefahr bestanden, dass Oberst Muammar al-Gaddafi im Falle eines möglichen Konflikts der USA, der NATO und Israels mit Syrien oder dem Iran die Erdöllieferungen an die EU eingestellt hätte, um Syrien und dem Iran beizustehen.
Zu den Personen, die wesentlich mit dazu beigetragen haben, dass die Vereinten Nationen dem Krieg gegen Libyen zustimmten, gehört interessanterweise der Libyer Sliman Bouchuigur, Vorsitzender der Libyschen Liga für Menschenrechte (LLHR) und derzeitiger Botschafter Libyens in der Schweiz. Bouchuigir war daran beteiligt, eine Strategie auszuarbeiten, mit der verhindert werden sollte, dass Erdöl als strategische Waffe eingesetzt werden könnte, um auf diese Weise sicherzustellen, dass sich eine Krise wie 1973 für die USA und ihre Verbündeten niemals wiederholen könnte.
Syrien gehörte wie der Iran ebenfalls zu den Erdöllieferanten der EU. Und wie im Falle des Iran hat die EU auch gegen Syrien auf Druck der USA im Rahmen der gegen Syrien verhängten Sanktionen ein Erdölimportverbot ausgesprochen.
Aufgrund der fehlenden iranischen und syrischen Erdöllieferungen an die EU steigt die strategische Bedeutung der libyschen Erdölreserven.
Vor diesem Hintergrund sind die Berichte über die Entsendung tausender amerikanischer Soldaten zu den libyschen Erdölfeldern auch so zu verstehen, dass diese Entsendung in einem direkten Zusammenhang mit der zunehmend feindseligen Haltung der USA und der EU gegenüber Syrien und dem Iran steht.
Die Lieferung libyschen Erdöls, das eigentlich für China vorgesehen war, an die EU könnte ebenfalls Teil dieser Strategie sein.
Psychologische Kriegsführung
Die auf Druck der amerikanischen Regierung gegen den Iran verhängten Sanktionen stellen praktisch das Ende der Fahnenstange dar. Das ganze Gerede über die angebliche Isolation des Iran ist Übertreibung und hat wenig Bezug zu den tatsächlichen derzeitigen internationalen Beziehungen und dem Welthandel. Brasilien, Russland, China, Indien, der Irak, Kasachstan, Venezuela und noch verschiedene andere Länder des früheren Sowjetblocks, Asiens, Afrikas und Lateinamerikas haben sich geweigert, sich den Sanktionen gegen die iranische Wirtschaft anzuschliessen.
Das EU-Importembargo entfaltet aber zusammen mit den weitergehenden Sanktionen gegen den Iran eine breite psychologische Wirkung. Der Iran und sein Verbündeter Syrien sehen sich beide einem auf vielen Ebenen stattfindenden Krieg gegenüber, der wirtschaftliche, verdeckte geheimdienstliche, diplomatische, mediale und psychologische Aspekte aufweist.
Die psychologische Kriegsführung, zu der auch die etablierten Medien als Werkzeuge der Aussen- und Kriegspolitik zu zählen sind, stellt ein wirksames und zudem preisgünstiges Propagandainstrument der USA da. Aber psychologische Kriegsführung kann von beiden Konfliktparteien eingesetzt werden.
Ein Grossteil der amerikanischen Macht ist psychologischer Natur und beruht auf Ängsten. Aber ähnlich wie die geografischen Bedingungen im Persischen Golf arbeitet die Zeit für den Iran und gegen die USA.
Wenn der Iran an seinem derzeitigen Kurs festhält und sich von den Sanktionen nicht beirren lässt, wird dies dazu beitragen, eine wichtige psychologische Barriere zu durchbrechen, die auf der ganzen Welt Länder davon abhält, sich gegen die USA zu stellen.
Auch die Weigerung vieler Länder, sich dem Druck der Regierung Obama zu beugen und sich den Sanktionen gegen den Iran anzuschliessen, wird das Ansehen und die Macht der USA auf Dauer beschädigen, was dann wiederum auch wirtschaftlichen und finanzielle Auswirkungen nach sich zöge.
Darüber hinaus wird das EU-Erdölembargo gegen den Iran letztlich die EU stärker treffen als den Iran. Auf lange Sicht könnte auch die USA davon betroffen werden.
In struktureller Hinsicht werden die Folgen des EU-Embargos die EU noch stärker an die USA binden, aber diese Folgen könnten die gesellschaftliche Opposition gegen Washington stärken, was sich dann in der politischen und wirtschaftlichen Arena auswirken könnte.
Mahdi Darius Nazemroaya ist Soziologe und ein mit Preisen ausgezeichneter Autor. Er arbeitet für des Centre for Research on Globalization(CRG) in Montreal und ist spezialisiert auf den Mittleren Osten und Zentralasien. Er hat als Autor und Gast für mehrere internationale Foren und Sender wie Al Jazeera, Press TV, Televisión del Sur (teleSUR) und Russia Today Beiträge über den Mittleren Osten verfasst. Seine Arbeiten wurden in mehr als zehn Sprachen veröffentlicht. Er schreibt auch für die Strategic Culture Foundation (SCF) in Moskau.